
Ralf-Dieter Brunowsky: "Wir brauchen mehr Original-Recherchen"
Ralf-Dieter Brunowsky übergibt den Vorsitz der Kölner Journalistenschule für Politik und Wirtschaft an Henning Krumrey.
W&V: Herr Brunowsky, Ende des Jahres treten Sie von Ihrem Amt als Vorstandsvorsitzender der Kölner Journalistenschule für Politik und Wirtschaft zurück. War dieser Wechsel geplant?
Brunowsky: Von Anfang an. Ich bin vor vier Jahren gebeten worden, den Vorsitz zu übernehmen, als das renommierte Ausbildungsinstitut finanziell in der Klemme steckte. Das Land Nordrhein-Westfalen hatte die Förderung bereits gestrichen und die Gebühreneinnahmen waren zu gering, um Rücklagen zu bilden und zu überleben. Jetzt ist die Schule wieder finanziell solide und mein Auftrag als Sanierer erledigt.
W&V: Sie haben Ihre persönlichen Netzwerke genutzt?
Brunowsky: Ich habe die Schule mit neuen Ideen und bei der Gewinnung von Sponsoren unterstützt.
W&V: Können Sie ein Beispiel nennen?
Brunowsky: Mit dem neu eingeführten "Tag des Wirtschaftsjournalismus" haben wir den ersten Kongress für Wirtschaftsjournalisten ins Leben gerufen. Hier treffen sich jährlich etwa 200 Wirtschaftsjournalisten, darunter fast alle Chefredakteure der Wirtschaftsmedien. Es locken unter anderem hochkarätige Vorträge - letztes Jahr war Helmut Schmidt zu Gast. Großzügige Sponsoren ermöglichen uns jedes Jahr signifikante Überschüsse, mit denen wir die Rücklagen der Schule nachhaltig stärken konnten. Auch die Förderung des Landes NRW konnte, wenn auch gekürzt, zurückgewonnen werden.
W&V: Sie kritisieren gelegentlich die Qualität des deutschen Wirtschaftsjournalismus. Welche Anregungen hinterlassen Sie für den Unterricht in Köln?
Brunowsky: Wir brauchen wieder mehr Original-Recherchen. Neben dem ständigen Zeitdruck und dem bequemen Griff zur Google-Abfrage bleibt Journalisten kaum Zeit für persönliche Interviews und Gespräche, geschweige denn eine zeitaufwendige Analyse von Daten und Fakten. Es fehlt die Zeit zum eigenen Nachdenken. Die Kehrseite: Viele Fehler und wenig Highlights. Kaum Geschichten, mit denen sich der Autor einen Namen und sein Blatt zur unersetzlichen Lektüre macht. Mich stören vor allem viele Geldanlage- und Nutzwert-Geschichten. Hier sind die Storys aller Wirtschaftsmedien austauschbar. Immer die gleichen Experten, alle schreiben mehr oder weniger das Gleiche, und alle rennen dem Mainstream hinterher, um Fehler zu vermeiden. Aber hinterfragt der Journalist die Fakten nicht, werden viele Anleger eher in die falsche Richtung gewiesen.
W&V: Welchen Beitrag kann dazu die Ausbildung in der Journalistenschule leisten?
Brunowsky: Die Ausbildung sollte stärker die Themen-Kreativität, die gute Schreibe und Satire fördern. Sie sollte Raum lassen für Individualität statt gleichzuschalten. Die Artikel des "Economist" lassen den Leser auch mal schmunzeln. In den deutschen Wirtschaftsredaktionen ist die Lage offensichtlich zu ernst, als dass man auch dem Leser mal ein Schmunzeln gönnen würde. Es fehlt trotz jahrelanger Diskussion am Unterhaltungswert.
W&V: Gilt noch immer, dass viele wichtige Wirtschaftskontakte über die Print-Redaktionen laufen?
Brunowsky: Das ändert sich gewaltig. Fast allen jungen Leuten ist das Tageszeitungs-Abonnement zu teuer, sie beziehen ihre Informationen aus dem Fernsehen und vor allem aus dem Internet. Wenn ein Online-Redakteur es also schafft, beispielsweise ein Interview mit dem GM-Chef zu bekommen, guckt jeder hin. Branchen-Informanten, Spitzen-Analysten und Unternehmenslenker stehen jetzt auch den Onlinern als Top-Kontakt Rede und Antwort. Ich meine, die Arbeit der Online-Redaktionen in den Markenmedien hat heute die gleiche Qualität wie die der Printkollegen.
W&V: Haben Sie eine Idee, wie Nachwuchsleser auch den Printprodukten erhalten bleiben?
Brunowsky: Wir müssen Firmen als Sponsoren gewinnen, die Tageszeitungs- und Magazin-Abos bezahlen. Das wäre ein wertvoller Beitrag zur Lesekultur.