
Raue ersetzt Lochthofen bei der "Thüringer Allgemeinen" - DJV protestiert
Völlig überraschend verliert Sergej Lochthofen seinen Posten als Chefredakteur der "Thüringer Allgemeinen". Von der "Braunschweiger Zeitung" kommt Paul Josef Raue. Der DJV protestiert scharf.
Bei der "Thüringer Allgemeinen" aus Erfurt ist überraschend der Chefredakteur abgesetzt worden. Sergej Lochthofen soll zum Jahreswechsel "eine andere Aufgabe innerhalb der WAZ-Mediengruppe übernehmen, die seinen Kenntnissen und Fähigkeiten entspricht", heißt es in einer Verlagsmitteilung.
Sein Nachfolger werde Paul Josef Raue, derzeit Chefredakteur der "Braunschweiger Zeitung". Diese gehört, wie die "Thüringer Allgemeine", zur Essener WAZ-Gruppe. Der 59-Jährige tritt sein neues Amt in Erfurt zum Jahreswechsel an. Beide Titel gehören zur Essener WAZ-Mediengruppe. Der 56-jährige Sergej Lochthofen, seit 1990 Chefredakteur der "Thüringer Allgemeinen", soll eine andere Aufgabe innerhalb der WAZ-Gruppe übernehmen, "die seinen Kenntnissen und Fähigkeiten entspricht", so die Mitteilung.
Scharf reagierte darauf der Deutsche Journalisten-Verband (DJV). "Sergej Lochthofen ist ein überaus profilierter Kollege, der wie kaum ein anderer die Sorgen und Wünsche der ostdeutschen Leserschaft in den Fokus der Berichterstattung rückt", sagte DJV-Bundesvorsitzender Michael Konken. Seine Absetzung müsse unverzüglich zurückgenommen werden.
Paul-Josef Raues Nachfolge in Braunschweig übernimmt zunächst kommissarisch der stellvertretende Chefredakteur Stefan Kläsener, 45. Der Wechsel an der Spitze der Thüringer Tageszeitung sei Teil eines "bereits seit längerem andauernden umfassenden Erneuerungsprozesses innerhalb der Zeitungsgruppe Thüringen (ZGT)". Zur ZGT gehören neben der "Thüringer Allgemeinen" auch die "Ostthüringer Zeitung" und die "Thüringische Landeszeitung".
Der für die Redaktionen zuständige ZGT-Geschäftsführer Klaus Schrotthofer plane, gemeinsam mit Raue weitere "innovative Redaktionsstrukturen" in Thüringen einzuführen. Dabei soll die lokale und regionale Kompetenz der "Thüringer Allgemeinen" gestärkt und die Vielfalt der Zeitungstitel in Thüringen erhalten werden.
Der Wechsel an der Spitze der größten Thüringer Zeitung sei Teil eines "umfassenden Erneuerungsprozesses" in der Zeitungsgruppe Thüringen (ZGT), zu der auch die "Ostthüringer Zeitung" und die "Thüringische Landeszeitung" gehören. Damit ist, vermutet die "Süddeutsche Zeitung", wohl der gleiche - Personal und Kosten sparende - Artikeltausch gemeint, der auch bei den NRW-Titeln der WAZ schon praktiziert wird. Auch der DJV führt Lochthofens Absetzung auf dessen Weigerung zurück, Desk-Modelle nach WAZ-Muster bei seiner Zeitung einzuführen.
Auch Lochthofens Ehefrau, die stellvertretende Chefredakteurin Antje-Maria Lochthofen, muss ihren Stuhl räumen. "Ich hätte nicht gedacht, dass diese Art Sippenhaft wie in der Stalin-Zeit in unserem Land möglich ist. Das erinnert mich an die Strukturen in der DDR", kritisierte der in Russland geborene Journalist Lochthofen gegenüber dem "Spiegel". Für den DJV ist klar, dass Antje-Maria Lochthofen ihren Posten räumen muss, um Paul Josef Raue die Möglichkeit zu geben, mit Personen seines Vertrauens zusammenzuarbeiten.
Die "Thüringer Allgemeine" hieß zu DDR-Zeiten "Das Volk" und war im Januar 1990 die erste SED-Bezirkszeitung, die sich für unabhängig erklärte. Lochthofen wurde damals von den Mitarbeitern zum Chefredakteur gewählt und gab dem Blatt seinen neuen Namen.
jmk/kas