
Ruzicka: Die Bilanz
Der Ruzicka-Prozess ist abgeschlossen - vorerst. Ein kritischer Rückblick von W&V-Autorin Sonja Feldmeier.
Der Ruzicka-Prozess ist abgeschlossen - vorerst. Ein kritischer Rückblick von W&V-Autorin Sonja Feldmeier (Forts.).
Das System Ruzicka baute auf zwei Varianten. Das Prinzip Emerson FF: Unter Einsatz der Barterfirma Emerson FF wurden ausgestrahlte Freispots im agenturinternen System als bezahlt umdeklariert. Nach Anweisung der Einkaufsabteilung wurden über die Barterfirma Emerson FF Rechnungen an Aegis Media gestellt über diese angeblichen Spotkontingente. Emerson FF reichte diese Gelder daraufhin auch gegen Rechnung an Ruzickas Tarnfirmen wie Camaco oder Watson durch.
Das Prinzip Zoffel Hoff Partner (ZHP): Die Geschäftsbeziehungen zu dieser kleinen Wiesbadener Werbeagentur wurden auf Betreiben Ruzickas intensiviert und intern die Anweisung gegeben, ZHP bei der Freispotvergabe mit einem Verhältnis von 80 zu 20 zu bevorzugen. Schließlich sei ZHP ein wichtiger Partner, um neue renommierte Kunden zu gewinnen. Die Freispot-Gutschriften reichte ZHP bis auf mutmaßlich zwei von neun Millionen Euro wiederum an Ruzickas Drittfirmen durch.
Erstaunlich fand es Richter Jürgen Bonk, dass Ruzicka, der sich vor seiner Verhaftung bekanntlich offen gegen die marktübliche Transparenzvereinbarung Code of Conduct ausgesprochen hatte, vor Gericht nicht müde wurde zu beteuern, dass alle Abläufe immer transparent gewesen seien. Dabei hätte er selbst keinem der CFOs, weder Hans-Henning Ihlefeld noch dessen Nachfolger Andreas Bölte, hinreichenden Einblick in das Geschäft mit den agenturspezifischen Freispots gewährt. Deshalb seien Ruzickas Beteuerungen reine Schutzbehauptungen.
Gegen Ruzicka spräche auch der lange Tatzeitraum und die Vielzahl an Straftaten und das hohe Maß an krimineller Energie. Zudem hätte er nicht davor zurückgescheut, unbeteiligte Dritte in die Affäre hineinzuziehen, die heute deshalb gravierende existenzielle Probleme hätten. So seien Bekannte des Wiesbadener Rechtanwaltes und Wirtschaftsprüfers W. als Geschäftsführer der Drittfirmen verdingt worden – und dies für Salärs von gerade einmal 200 bis 400 Euro monatlich.
Für die Richter stand fest, dass Alexander Ruzicka seine Vermögensbetreuungspflicht als CEO von Aegis Media verletzt und zum Nachteil seines Arbeitsgebers gehandelt habe. So seien Gelder "in seinen eigenen Verfügungsbereich übergeführt" worden. Diese Geldströme reichten über Dubai bis nach Südafrika, wo sie zum Kauf einer Villa in Kapstadt oder zur Renovierung einer Lodge eingesetzt wurden. Dies sah Richter durch Unterlagen und Dateien auf Ruzickas Festplatte hinreichend belegt.
Allerdings habe es die damalige Struktur von Aegis Media den Beschuldigten auch leicht gemacht. So habe innerhalb der Agentur ein autoritärer Umgangston geherrscht. Mitarbeiter seien dadurch nicht ermutigt worden, Prozesse zu hinterfragen oder aufzudecken. Die Erfolge des Agenturchefs seien deshalb wohl auch zu spät und zu wenig kritisch hinterfragt worden.
Ruzickas Verteidiger Marcus Traut äußerte nach der Verhandlung, dass die Ausführungen des Richters "wenig überzeugend" gewesen seien und wesentliche Aspekte nicht beachtet worden seien. Daher wird nun erwartet, dass Alexander Ruzicka nun sein Heil in der Revision sucht. Wie von der Staatsanwaltschaft zu erfahren war, wird nun geprüft, ob noch weitere Verfahren gegen ihn eingeleitet werden sollen, etwa wegen Steuerhinterziehung oder Bestechung. Fest steht indessen das Höchststrafmaß: Zu mehr als 15 Jahr kann der Ex-Aegis-CEO nicht verurteilt werden.