Wenn ich meine Karriere vor der aktuellen Diskussion betrachte, stelle ich fest, dass Praktika für mich entscheidende Wegkreuzungen darstellten, die mich und meine Entwicklung nachhaltig prägten. Für Absolventen und Berufseinsteiger könnte dieser Weg durch den angestrebten Mindestlohn nun verbaut werden.

Ich zumindest bin sicher, dass ich heute nicht in der Werbebranche wäre, wenn ich nicht die Gelegenheiten 'unterbezahlter' Praktika hätte nutzen können. Mein erstes Praktikum verbrachte ich in einer Steuer- und Wirtschaftsberatung. Mein Vater ist von Beruf 'Zahlendreher' und daher lag der Schritt nahe, in seine unternehmerischen Fußstapfen zu treten. Ich hatte jedoch das Glück, im Praktikum relativ schnell herauszufinden, dass Zahlen in Form von Steuererklärungen nicht meine Welt sind. Seitenweise Tabellen, T-Konten, Soll und Haben, Abschreibungen: Diese Welt blieb mir verschlossen, hier konnte ich keine Leidenschaft entwickeln. Also verbrachte ich meine Praktika-Wochen in der Druckerei, in der die Beratung die Geschäftsberichte produzierte.

Böse Zungen würden sagen, dass hier ein klassischer Fall von Praktikantenausnutzung vorliegt. Nach dem Motto: "Zu doof zum Rechnen, also ab an den Kopierer". Ich habe das damals anders empfunden und bewertet. Denn: Der Geschäftsbericht ist die Visitenkarte des Wirtschaftsprüfers. In einem Berufsstand, in dem Werbung verboten war, war der gebundene Berichtsband das Aushängeschild des Unternehmens. Dafür konnte ich mich begeistern. Und so hat das Praktikum mir zwei Erfahrungen mitgegeben: 1. Zahlen sprechen nicht mit mir, und 2. obwohl voller Zahlen, kann man aus Berichtsbänden aufregende Literatur produzieren.

Konsequenterweise führte mich mein zweites Praktikum zu einer Zeitung. Statt in der Druckerei oder in der Redaktion schuftete ich allerdings in der Anzeigenverkaufsabteilung. Dort musste ich Belegexemplare sammeln und Werbeflächen ausmessen. Praktikantenausnutzung? Ansichtssache! Das Vermessen war sicherlich die Hölle, aber so lernte ich, dass der lokale Bierbrauer mit Abstand die spannendsten Anzeigen schaltete. Einige Belege habe ich mit nach Hause genommen und eingerahmt, weil sie mich beschäftigten und begeisterten. Die Wochen im Verlag waren also nicht verschwendete Zeit, sondern Türöffner für etwas Größeres.

Mein drittes, wegweisendes Praktikum absolvierte ich beim 'Werbeplatzhirsch' in Düsseldorf. In der Kreation durfte ich hunderte Pappen kleben und Kollagen basteln. Was mich aber wirklich neugierig auf die Branche machte, waren die kurzen Gespräche auf dem Gang mit den Kundenberatern – damals noch Kontakter. So kam der emotionale Schwenk zur Beratung und der konsequente nächste berufliche Schritt: die Ausbildung zum Werbekaufmann.

Diese absolvierte ich zweieinhalb Jahre lang zum Hungerlohn in Ausbildungsbetrieb und Berufsschule. Während dieser Zeit hatten wir Azubis die Möglichkeit, die ganze Agentur kennenzulernen und alle Bereiche 'auszuprobieren': Traffic, FFF, Kreation, Beratung, Media, Strategie usw. Es war 'Training on the Job' und ich lernte einiges. Aber mit Fallschirm, im gesicherten Raum.

Wie in den Praktika zuvor war es die Zeit, Erfahrungen zu sammeln. Es war die Zeit, sich selbst zu versuchen und Dinge auszuprobieren, eigene Erfahrungen zu machen, sich eine Meinung zu bilden und herzauszufinden, wo die eigenen Neigungen liegen. Es war die Zeit, den eigenen Wissensrucksack zu packen und die berufliche Reise zu starten. Bei allem ging es nie um die Ernte, das große Geld. Es war die Zeit der Investition, der Prägung, der Selbstfindung.

Jedem meiner Ausbilder bin ich dankbar für den Freiraum, den sie mir gegeben haben, mich zu versuchen und zu beweisen. Jedem Unternehmen bin ich dankbar, dass sie in mich als Praktikanten investiert haben und mir Praxiserfahrung ohne Risiko vermittelten. Ohne dieses Praxiswissen aus den Praktika wäre ich heute mit hoher Wahrscheinlichkeit Wirtschaftsprüfer und nicht in der Ideenbranche. Und ich hätte keine Chance in Dankbarkeit noch einmal über meine beruflichen ersten Gehversuche zu schreiben.

Unsere Branche braucht keinen Mindestlohn und auch keine Politiker, die auf dem Rücken der Institution 'Praktikum' eine ideologische Unterhalts- und Gleichberechtigungsdebatte führen. Wir brauchen motivierte Ausbildungsbetriebe und Unternehmer, die jungen Menschen bei der beruflichen Orientierung eine Chance geben."