
Staatsvertrag: Kiel will Glücksspielmarkt öffnen
Die schwarz-gelbe Regierungskoalition in Schleswig-Holstein will zudem den Werbebann auf Lotto und Sportwetten ab 2012 aufheben. Hinzukommen soll eine zentrale Prüfstelle statt 16 Behörden.
Die schleswig-holsteinischen Landtagsfraktionen von CDU und FDP haben am Mittwoch in Berlin die Eckpunkte des Entwurfs für einen neuen Glücksspielstaatsvertrag vorgestellt. Wesentliche Punkte sind: Für Lotterien soll das Internetverbot und die Genehmigungserfordernisse für die Vermittlung staatlich veranstalteter Lotterien aufgehoben werden. Die Werbe- und Vertriebsbeschränkungen sollen angemessen gelockert werden Zudem schlägt die schwarz-gelbe Koalition in Schleswig-Holstein vor, private Sportwettenanbieter in Deutschland wieder zuzulassen, unter der Voraussetzung, dass sie mit einem erheblichen Anteil ihres Ertrags zur Gemeinnützigkeit, insbesondere zur Sportförderung beitragen.
Noch eine wichtige Forderung aus Kiel: Die Aufgaben der bisher 16 Glücksspielaufsichtsbehörden sollen zentral in einer neu zu schaffenden "Deutschen Prüfstelle für Glücksspielwesen" gebündelt werden. Kiel ist es ernst: Wenn die anderen Bundesländer nicht mitmachten, "ziehen wir das auch alleine durch", kündigt CDU-Fraktionschef Christian von Boetticher an. Ähnlich äußert sich sein FDP-Kollege Wolfgang Kubicki.
Die Reaktion der Betroffenen kommt prompt. "Der Deutsche Lottoverband begrüßt den Vorschlag als einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung. Es muss allen Ländern klar sein, dass eine Fortsetzung des aktuellen Staatsvertrags seine fatale Folgen noch ausweiten würde", so Norman Faber, Präsident des Deutschen Lottoverbandes. Der Deutsche Buchmacherverband betont in Sachen Sportwetten: "Die Angst der Länder, dass eine kontrollierte Öffnung des Sportwettmarktes ihr Lotteriemonopol gefährden könnte, war nie begründet. Die Zulassung privater Sportwettanbieter steht auch in Übereinstimmung mit dem Bundesverfassungsgericht", so Vorstandsmitglied Norman Albers. Auch der Vorsitzenden des Arbeitskreises Wetten im Privatfunkverband VPRT, Thomas Deissenberger, begrüßt den Kieler Vorstoß.Er weist auf die Nachteile der gültigen Regelungen hin: "Der derzeitige Glücksspielstaatsvertrag greift massiv in die unternehmerische Freiheit der Medienunternehmen ein. In einem schwierigen Werbemarkt werden den deutschen privaten Medienunternehmen unnötig erhebliche Einnahmen entzogen, während internationale Sportwettenanbieter im Rahmen ihrer Marketingbudgets ihre Werbung ausschließlich bei ausländischen Medienunternehmen einbuchen."
Bereits im Oktober 2009 hat die Kieler Landesregierung angekündigt, den noch bis Ende 2011 geltenden Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV) kündigen zu wollen und dies den anderen Ländern mitgeteilt. Der Vertrag ist bereits in seiner Entstehung im Jahr 2008 heftigst umstritten gewesen, insbesondere wegen seiner Werbe- und Vertriebsrestriktionen für Lotterien. Wirtschaftsexperten würden inzwischen davon ausgehen, dass die Bundesländer bis zum Ende der vierjährigen Laufzeit des Glücksspielstaatsvertrages voraussichtlich rund elf Milliarden Euro Umsatz und damit fünf Milliarden an Steuern und Zweckerträge verlieren würden, so der Lottoverband. Würde hingegen Werbung und Vertrieb der staatlichen Lotterien ohne die unverhältnismäßigen Restriktionen wieder angemessen geregelt werden, könnten die Bundesländer laut einem aktuellen Wirtschaftsgutachten des Glücksspielexperten Luca Rebeggiani von der Uni Hannover in den Jahren 2012 bis 2016 bis zu zehn Milliarden Euro Mehreinnahmen allein bei den Lotterien generieren, heißt es abschließend.
Ab 2012 muss ein neuer Staatsvertrag greifen. Die Kieler Vorschläge für ein "Konzessionsmodell" mit Lizenzen für private Anbieter deckt sich in weiten Teilen mit den Forderungen von Anbietern, Sendern oder auch Lottoverbänden. Noch müssen diverse Länder und die SPD überzeugt werden. Auch aus den eigenen Reihen kommt erste Kritik: Die Bayern-FDP sieht zwar die Sportförderung durch die Mehreinnahmen wieder florieren, hat jedoch Bedenken bei der von Schleswig-Holstein beabsichtigten Zulassung von Online-Kasinos. Spielerschutz und datenschutzrechtliche Fragen seien noch zu klären, heißt es aus München.