Die Beispiele, die Sie nennen, halte ich nicht für zutreffend, um Ihre Theorie zu untermauern: Julia Knolle kenne ich zwar nicht, aber Stefan Niggemeier ist DJS-Absolvent und hat u.a. für die "FAS" geschrieben, Preise (u.a. den Grimme-Online-Award) gewonnen und ist unstreitig ein hervorragend ausgebildeter und renommierter Kollege. Thomas Knüwer war zuvor beim "Handelsblatt". Auch für andere Blogger wie z.B. die DJS-Absolventen Matthias Matussek, Peter Turi, Dirk von Gehlen oder Richard Gutjahr gilt: eine fundierte Ausbildung war und ist Basis ihrer journalistischen Arbeit. Für mich sind das Schreiben und Produzieren von Blogs, die qualitativ hervorragende Ausbildung und ein damit verbundener Aufstieg in journalistischen Qualitätsmedien keine Gegensätze.

Sind Recherche-Techniken, Stilformen und traditionelle Formate "aussterbende Lehrinhalte" geworden?

Keineswegs. Diese Inhalte nehmen im Lehrplan der Deutschen Journalistenschule weiterhin breiten Raum ein und sind die Basis unserer Ausbildung.

Blogger sind auch immer Meinungsführer – birgt die zunehmende Vermengung von Bericht und Kommentar nicht auch eine gewisse Gefahr für den Journalismus? Oder ist es einfach eine allgemeine Entwicklung unserer Branche, die sowieso nicht mehr aufzuhalten ist, und die vielleicht ja auch gute Seiten hat?

Die Vermengung von Bericht und Kommentar ist - leider - eine allgemeine Entwicklung, die möglicherweise mit dem zunehmenden Zeitdruck und der damit verbundenen schlechten oder zu kurzen Recherche zusammenhängt. Diese Vermengung ist jedoch nicht an das Medium gebunden - nicht die Blogger sind diejenigen, die die journalistischen Standards untergraben, das ist auch in "traditionellen" Medien zu beobachten.

Welchen Rat geben Sie Ihren Absolventen, wenn Sie im Internet Ihre Karriere beginnen wollen?

Den gleichen Rat, den ich ihnen gebe, wenn sie im Fernsehen, im Radio, bei Zeitungen oder Zeitschriften anfangen: seid neugierig, interessiert, fleißig, macht euch mit den technischen, inhaltlichen und stilistischen Anforderungen vertraut, seid offen, fair und vertrauenswürdig. Dann kann eigentlich nichts schief gehen.

aj/fm


Autor: Anja Janotta

seit 1998 bei der W&V - ist die wohl dienstälteste Onlinerin des Hauses. Am liebsten führt sie Interviews – quer durch die ganze Branche. Neben Kreativ- und Karrierethemen schreibt sie ab und zu was völlig anderes - Kinderbücher. Eines davon dreht sich um ein paar nerdige Möchtegern-Influencer.