
Allensbach forscht im VDZ-Auftrag:
Studie weist "Subkultur der Beschimpfung" nach
Trotz der Lügenpresse-Vorwürfe genießen klassische Medien noch großes, allerdings abnehmendes Vertrauen in der Bevölkerung. Wie eine Allensbach-Studie weiß: Der Ton wird rauer.

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Der Vorwurf der "Lügenpresse" trifft die Medien am Nerv. Doch wie weit geht der Vertrauensverlust? Dieser Frage ist das Institut für Demoskopie Allensbach im Auftrag des Verbandes Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) nachgegangen. Das Meinungsforschungsinstitut hat bei 1458 Personen ab 16 Jahre untersucht, wie sehr Medien an Glaubwürdigkeit eingebüßt haben und ob sie eine generelle Vertrauenskrise geraten sind.
Die Ergebisse der Studie "Relevanz und Glaubwürdigkeit der Medien" liegen nun vor - und das Institut fördert grundsätzlich zutage, dass die Bevölkerung insgesamt zu 39 Prozent denkt, an dem Vorwurf der "Lügenpresse" sei etwas dran. Vor allem die Berichterstattung über Flüchtlinge wird von der Mehrheit (51 Prozent) als nicht zufriedenstellend kritisiert, auch von politisch Interessierten.
Eine generelle Vertrauenskrise lasse sich daraus dennoch nicht ableiten, sagt Institutschefin Renate Köcher. Denn die Antworten auf die Frage, wo man glaubwürdige Information beziehen könne, offenbart den Vertrauensvorsprung, den klassische Medien nach wie vor genießen. Vor allem öffentlich-rechtliches Fernsehen (80 Prozent) und Radio (67 Prozent) kommen dabei gut weg.
Den Lokalzeitungen vertrauen immerhin 66 Prozent der Befragten, der überregionalen Presse 60 Prozent. Den Nachrichtenmagazinen (55 Prozent) und Wochenzeitungen (46 Prozent) wird im Vergleich weniger Vertrauen entgegengebracht. Doch das Vertrauen erodiert. Zum Vergleich: 2013 schätzten noch 85 Prozent der Bevölkerung Printmedien als besonders glaubwürdige Informationsquellen ein.
Vertrauen ja, aber nur über klassische Kanäle
Immerhin: Bei unterschiedlichen Meldungen über ein und dasselbe Ereignis würden noch 69 Prozent den klassischen Medien vertrauen, aber nur acht Prozent den sozialen Netzwerken. Ein Teil ist sich allerdings unsicher, ob er in diesem Fall klassischen Medien oder sozialen Netzwerken vertrauen soll.
Frappierend ist, wie schlecht im Verhältnis die Onlineauftritte der klassischen Medien wegkommen: Nur 28 Prozent vertrauen den Onlineauftritten der Zeitungen, 24 Prozent denen der Zeitschriften und nur 23 Prozent den Netz-Auftritten von Radio und TV. Dieser Wert ist im Vergleich zu 2013 (38 Prozent Vertrauen in die Onlineauftritte klassischer Medien insgesamt) ebenfalls deutlich gesunken. Es kann nur ein schwacher Trost sein, dass sozialen Netzwerken im allgemeinen Vergleich noch weniger vertraut wird (14 Prozent).
Nur wenige nutzen die Partizipationsmöglichkeiten des Netzes aktiv, um ihre Meinung zu äußern: 60 Prozent tun das gar nicht, 10 Prozent kommentieren sporadisch, 26 Prozent lesen ab und zu Kommentare unter den Artikeln und nur drei Prozent (vorwiegend Männer zwischen 30-44 Jahre) zählen zum aktiven Kommentatoren-Kern.
Der Ton wird derber
Obwohl sich wenige aktiv selbst äußern, akzeptieren sie doch mehrheitlich verbale Attacken und Beleidigungen anderer in der Auseinandersetzung mit Journalisten. "Dummschwätzer ", Drecksblatt", "Dumm wie Dachpappe" gilt der Mehrheit zwar als grenzwertig, aber durchaus akzeptabel.
Erst bei rohesten Attacken wie "arabisches Stück Scheiße" oder "armselige Schlampe" hört es bei über 90 Prozent mit dem Verständnis auf. Für acht Prozent der Hasskommentatoren gilt dies nicht: Sie sind jung, unter 30, mit niedrigem sozialen Status und in meist prekärer Lebenssituation, Anhänger des rechten oder linken Rands und nutzen das Netz als Ventil.
"Es gibt eine Subkultur der Beschimpfung im Netz und eine weit verbreitete Neigung, verbale Attacken und Beleidigungen in der Auseinandersetzung mit Journalisten zu akzeptieren", diagnostiziert Köcher und stellt die Frage, ob es im Netz nicht ein strengerer Verhaltenskodex eingefordert werden müsse? Wenn Freiheit als Freiheit zur Beleidigung missverstanden werde, beschädige das eine Gesellschaft langfristig.