
Women & Work :
Trägt Business-Ethik Rock und High-Heels?
Aufreibende Diskussionen und steile Thesen rund um das Thema "weibliche Ethik im Business" begleiteten den diesjährigen Messekongress Women & Work in Bonn.
Die Frage, ob Ethik weiblich ist, hätte bei Simone de Beauvoir wohl mehr Stirnrunzeln als Zustimmung hervorgerufen. In "Das zweite Geschlecht" stellte die Philosophin fest: "Man ist nicht als Frau geboren. Man wird es." Karrierefrauen, die der Existenz einer speziell weiblichen Ethik und deren Nutzen fürs Business nachhorchen, schlagen in eine etwas andere Kerbe. So geschehen auf dem Recruiting-Event und Kongress "Women & Work" in Bonn mit dem Schwerpunkt "Ethik im Business". Gleich vorweg: Dass der Wirtschaft eine ethische Handlungskomponente gut täte, denken seit der letzten Wirtschafts- und Finanzkrise sicher viele. In Bonn kristallierte sich aber unter anderem die Haltung heraus, dass weibliche Mitarbeiter moralisch besser als ihre männlichen Kollegen handeln. Sie gelten als dialogorientierter, diskussionsbereiter und – besonders wichtig im Kontext der Finanzzockerei – risikoaverser als Männer. Nur leider kann die Praxis anders aussehen. Genauso wie nicht alle Männer nach Macht streben, zeigen sich Frauen nicht stets gesprächsbereit und kooperativ.
Gerade im Job, findet die Philosophin Rebekka Reinhard, "beißen sich Frauen oft gegenseitig weg", anstatt die Leistungen der Geschlechtsgenossinnen zu würdigen. In ihrem Vortrag "Gibt es eine spezifisch weibliche Moral?" kritisiert sie die Behauptung einer weiblichen Ethik scharf, denn "Frauen sollen nicht nur ein Recht auf Karriere haben, weil sie die angeblich moralischeren Individuen sind." Das zementiere Geschlechterrollen. Doch was, wenn Frauen es in eine Führungsposition geschafft haben, ob dank Moral oder Ellenbogen mal beseite gelassen? Dann, und da herrscht Einigkeit unter den Panelistinnen, müssen sie mit dem Neid gleichgestellter männlicher Kollegen rechnen. Irina Kummert etwa, Präsidentin des Ethikverbands der deutschen Wirtschaft und Headhunterin, erzählt, dass bei zwei Neuzugängen in einem Firmenvorstand die Frau mit einem Opel Corsa abgespeist wurde – während der männliche Kollege im Audi durch die Straßen brauste. Der Saal tobt.
Trotzdem kann diese Anekdote weitergedacht werden: Sie erzählt auch davon, dass Vorstandsfahrzeuge Zeichen der Macht darstellen. "Mit dem Thema Macht", so auch die Beraterin Susanne Sachtleber in Bonn, "müssen sich Frauen auseinandersetzen. Sie müssen ihre gute Form der Macht finden." Das könnte also bedeuten: Ab einer bestimmten Hierarchieebene geht es nicht mehr ums Geschlecht. Vielleicht verschwimmen die Grenzen zwischen Mann und Frau auf dem Weg nach ganz oben. Vielleicht ist es in den Führungsetagen eher der Duktus von Macht und Ehrgeiz, der die Regeln setzt – nicht Testosteron oder Oxytocin, "das weibliche Kuschelhormon", wie es Reinhard nennt. Diese Erfahrungen bringt auch Gabriele Euchner, Coach des W&V Frauennetzwerks auf dem Panel "Arbeitsmoral von Frauen" an: Moral wird im beruflichen Kontext oft zum Thema, wenn Kündigungen anstehen. "Wenn es darum geht, Leute zu entlassen, gibt es keinen würdevollen Umgang mehr." Wertschätzung und Respekt seien für alle Menschen wichtig. Sie kennt sich aus: Schließlich coacht sie HR-Abteilungen in puncto Menschlichkeit, wenn es ums Kündigen geht.
Unterdessen schieben sich draußen Hunderte vor allem junge Messebesucherinnen an den Ständen namhafter Unternehmen vorbei, die allesamt vor Ort sind, weil sie talentierte Frauen in ihre Firmen holen wollen. Die Besucherinnen kratzt weibliche Sanftheit vielleicht auch daher wenig – sie kennen ihren Wert: Mit einem lässigen "das brauche ich doch gar nicht", winkt eine Besucherin augenzwinkernd die Einladung zu einem Vortrag über Leistungssteigerung ab.