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Volker Nickel: "Diese Überhöhung von Werbung ist Unfug"
41 Jahre lang setzte sich Ex-ZAW-Sprecher Volker Nickel leidenschaftlich für die Belange der Werbewirtschaft ein. Seinem Ruf als kritischer Begleiter wird er auch in einem Interview mit Spiegel Online gerecht. Darin blickt Volker Nickel zurück - und steigt seiner Branche und der Politik nochmal ordentlich aufs Dach.
Ende einer Ära: Volker Nickel hat Ende August nach 41 Jahren seine Ämter als Sprecher des ZAW, des Deutschen Werberats und Geschäftsführer des Vereins "Freiheit für die Werbung" abgegeben. In dieser Zeit setzte er sich leidenschaftlich für die Belange der Werbewirtschaft ein. Als "legendären Kommunikator" beschreibt ihn W&V-Chefredakteur Jochen Kalka in einem persönlichen Abschiedsbrief. Seinem Ruf als kritischer Kämpfer und Begleiter seiner Branche wird der 70-Jährige auch in einem Interview mit Spiegel Online gerecht. Darin blickt Volker Nickel zurück - und steigt seiner Branche und der Politik nochmal ordentlich aufs Dach.
So findet ausgerechnet der Werbe-Lobbyist, dass es viel zu viel Werbung gibt. Mehr Werbekanäle führten dazu, dass Unternehmen irrtümlich glaubten, "Menschen jetzt immer und überall behelligen" zu müssen. Grundfalsch, denn: "Es geht nicht um Aufmerksamkeit, sondern um Sympathie. Sonst wird Werbung zum Bumerang", so Nickel. Dem 70-Jährigen ist die Branche auch viel zu eitel. So könne Werbung keine Menschen und Märkte steuern, wie manche Werber und Politiker glaubten. "Wäre das so, hätten wir nirgendwo Absatzprobleme." Nickel wettert: "Diese Überhöhung von Werbung, auch durch manchen Werber, ist Unfug. Der Konsument ist viel zu komplex." Auch sei es kein Verdienst der Werbebranche, dass das Frauenbild in Kampagnen heute ein anderes ist oder dass immer mehr alte Menschen in der Reklame zu sehen sind. "Werbung macht keine Trends, sie folgt ihnen nur."
Nickel regt sich im Interview auch über "verlogene Werbung" auf. Die HIV-Kampagne von Benetton aus den 90er-Jahren mit ihrem "sozialen Mäntelchen" gehört für ihn genauso dazu wie aktuelle Wahlwerbung. "Da darf hemmungslos gelogen werden", klagt Nickel. Deshalb hält er auch das Gebaren der Politik der Werbeindustrie gegenüber für verlogen: Auf der einen Seite würden in der Wahl-Werbung Versprechen gemacht, die keiner halten kann und "Kunden für dumm verkauft", auf der anderen Seite spiele sich die Politik als Verbraucherschützer auf. "Wir sind zwar in der Lage, ein Parlament zu wählen, bei Werbung für eine Zahncreme gelten wir aber als minderbemittelt und müssen beschützt werden? Das ist absurd."