
Blattkritik "New Scientist":
Wöchentliche Wissenschaftskost, einfach und ohne große Spielereien
Der Spiegel Verlag startet den Verkauf des Wissenschaftsmagazins "New Scientist". Hier gibt es die Blattkritik zur ersten Ausgabe.
"Schwere Kost", das kann man dem neuen wöchentlichen Wissen(schaft)smagazin "New Scientist" vom Spiegel Verlag wahrlich nicht vorwerfen. Zumindest gemessen an Umfang und Heftgewicht: 66 Seiten sowie zwar hochwertiges und helles, aber relativ leichtes 65-Gramm-Papier sorgen dafür, dass der Titel nicht zu viel Gewicht auf die Waage bringt. Allerdings lässt dieses Papier auch viele Texte und Bilder durchschimmern – was gerade bei hochwertigen Abbildungen in einem Wissensmagazin schade ist. Außerdem müssen die Blattmacher künftig eine gewisse Wertigkeit ausstrahlen. Nach den drei ersten Heften, die für zwei Euro angeboten werden, soll der Titel 4,50 Euro kosten – also 30 Cent mehr als der üblicherweise mehr als doppelt so dicke "Spiegel". Die Papierstärke dürfte auch unter Kostenaspekten eine Rolle gespielt haben, das Heft wird immerhin 40.000 Mal gedruckt, die Startnummern sogar rund 55.000 Mal.
Das Layout des Heftes, das in die vier Teile gegliedert ist, präsentiert sich einfach und aufgeräumt. Den Start einer neuen Geschichte bildet oft ein großflächiges Foto. Auf Bildexperimente, Freisteller, Zeichnungen und Infografiken, die bei anderen Wissensmagazinen außerordentlich beliebt sind, wird hingegen größtenteils verzichtet. Es lenkt also kaum etwas von den Haupttexten ab, allerdings nähern sich manche Seiten im Erscheinungsbild auch Bleiwüsten an.
Thematisch ist der Titel in die vier Komplexe "Diese Woche", "Innovation", "Report" und "Debatte" unterteilt, ihre jeweilige Funktion wird in der Erstausgabe ausführlich erläutert. "Diese Woche" nimmt denn auch gleich Bezug auf den Hurrikan Sandy, der soeben Riesenschäden in den USA hinterlassen hat. Der darauf folgende Brennpunkt ist mit dem Thema "Online-Unterricht" hingegen ein nicht ganz so aktuelles Thema. Ebenfalls unter "Diese Woche" packt der "New Scientist" Sprachen in der Tierwelt sowie die Erfolge von Dinosaurier-Forschern.
Auf die "Innovation"-Strecke haben die Hamburger unter anderem Supercomputer gestellt, daneben die – passend zur US-Wahl – Debatte um die Sicherheit von Online-Abstimmungs- und Wahlverfahren, Transplantationen sowie neue Möglichkeiten, ein Auto zu steuern (beispielsweise wie an der Spielkonsole). Mit sechs Seiten kommt dieser Teil vergleichsweise kurz daher.
Dem leicht lesbaren Titel- und Schwerpunktthema im folgenden Heftteil "Report" werden dann insgesamt acht Seiten abzüglich eines einseitigen Aufmacherbildes gewidmet, wobei die Geschichte aus vier Unterthemen besteht. Auch hier verfahren die Hamburger nach dem Prinzip weniger ist mehr – also kaum Kästen oder Zusatzelemente, die vom Fließtext ablenken. Relativ aktuell ist danach das sechsseitige "Report"-Thema Datenschutz, fünf Seiten gehören autonomen Maschinen in der Landwirtschaft, so genannten Agrorobotern. In diesem Heftteil entwickeln die New-Scientist-Layouter die meiste Gestaltungsfreiheit.
Der Heftteil "Debatte" startet mit einem Streitgespräch zwischen dem früheren Politiker und Streitschlichter Heiner Geißler sowie Gert Wagner, Leiter des DIW Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. Ex- CDU-Mann Geißler ärgert sich dabei darüber, dass Stimmungsmache manchen Instituten wichtiger ist als Forschung. Ein weiteres Interview folgt mit Karsten Becker, der mit deutlich geringeren Kosten als bei NASA-Missionen einen Roboter auf den Mond schicken möchte. Eine nette Rubrik sind danach die "Guten Fragen", bei denen Experten Leserfragen beantworten – was man auch von anderen Wissenstiteln kennt. Für den Heftausklang auf der letzten Seite werden Leser um abstruse Geschichten aus dem Alltag gebeten. Ebenfalls keine neue, aber eine je nach Qualität immer wieder lesenswerte Idee.
"New Scientist" ist der bisher einzige Wochentitel im nicht eben dünn besetzten Markt der Wissenstitel. Der Erscheinungstag Freitag könnte so manchen Bürger, der sich nach einer Wochenendlektüre umschaut, zum Kauf animieren. Allerdings widmen auch die überregionalen Tages-, Wochen- und Sonntagszeitungen sowie die wöchentlichen General-Interest-Zeitschriften dem Thema Wissen viel Raum und greifen aktuelle Erkenntnisse und Forschungsthemen auf. Fraglich, wie viele Bürger bereit sind, daneben weitere 4,50 Euro auszugeben.