Von den zehn abgefragten Nachhaltigkeitskampagnen kannten die meisten Befragten das Klimaschutzprojekt von Krombacher, gefolgt vom McDonalds’ „Zu Besuch bei Bauern“ und VWs „Think Blue“. Krombacher stellt dem WWF zwei Millionen Euro für ein Klimaprojekt auf Borneo zur Verfügung. Anders als bei der vorangegangenen Regenwaldkampagne spendet die Brauerei unabhängig vom Abverkauf. Weniger bekannt ist dagegen laut Umfrage die Nachhaltigkeitswoche „Hallo Erde“ von Rewe. Der Handelsriese ging dafür schon zum zweiten Mal ein breites Bündnis mit 50 Markenpartnern ein; Rabatte auf Öko-Erzeugnisse und PoS-Aktionen sollten zum Kauf nachhaltiger Produkte animieren. Die Erziehungsmaßnahme des Handels wurde von den Befragten als „besonders überzeugend“ eingeschätzt. Als argumentativ stark empfanden sie auch das Krombacher-Projekt und die Impfkampagne von Pampers, für die Procter & Gamble pro verkaufter Windelpackung eine Impfdosis an Unicef spendet (siehe Bildergalerie). Doch Werben und Aufklären alleine genügt nicht, um den Konsum anzukurbeln. 78 Prozent der Unternehmensvertreter sind davon überzeugt, dass wirksame nachhaltige Kommunikation bei der Produktentwicklung und am Beginn der Wertschöpfungskette anfängt. Also lange vor der ersten PR- und Werbekampagne.

Weitere Ergebnisse finden Sie im PDF.

„Unternehmen sollten ihre Verantwortung für den nachhaltigen Konsum in ihrem eigenen Interesse stärker wahrnehmen“, rät Christian Conrad, Geschäftsführer brands & values. Im Interview mit W&V Online erklärt der Berater, welche Rolle dabei die Kommunikation spielen sollte.

Die Studie zeigt, dass Werbungtreibende eine hohe Mitverantwortung sehen bei der Entwicklung von nachhaltigem Konsum in der Gesellschaft. Allerdings ist das Ergebnis gegenüber dem Vorjahr abgeschwächt. Wie bewerten Sie das?

Christian Conrad: Ich würde dies nicht überbewerten. Der Anteil derer, die die Mitverantwortung als auf einer 6er Skala als „sehr hoch“ einstufen ist mit 23 Prozent unverändert hoch geblieben. 54 Prozent empfinden die Verantwortung als hoch vs. 59 Prozent in 2010. Das heißt: die überwältigende Mehrheit sieht sich unverändert in der Pflicht positiv auf nachhaltigen Konsum einzuwirken.

Die Relevanz des Themas Nachhaltigkeit für die Kommunikation steigt, so die Einschätzung der Befragten. Steigt aus Ihrer Sicht auch die Qualität von Nachhaltigkeitskommunikation? Oder eher nicht?

Das lässt sich mit den Daten unserer Befragung noch nicht mit Sicherheit belegen. Als Optimist würde ich aber sagen: wenn sich mehr Werbetreibende ernsthaft mit dem Thema auseinandersetzen und es für sich mit Priorität behandeln, die Qualität zu steigern, dann werden wir zunehmend bessere, überzeugendere und motivierendere Kommunikation sehen, die Nachhaltigkeit thematisiert.

Die meisten Agenturen und Unternehmen glauben, dass wirksame nachhaltige Kommunikation am Herstellungsprozess und am Produkt beginnen muss. Erst dann greift Werbung. Was ist Ihre Meinung?

Vor ein paar Jahren sprach man von „Corporate Social Responsibility“. Das war für den Verbraucher sehr abstrakt. Wir sehen einen Trend hin zu „Product Responsbility“ und damit kann der Konsument wesentlich mehr anfangen, weil er das verstehen und auch erleben kann. Damit Nachhaltigkeit sich stärker durchsetzt, muss sie erlebbar, erfahrbar, schmeckbar werden. Das geht nur am Produkt. Ein Weg, das in die Kommunikation einfließen zu lassen, sind Rückverfolgbarkeits- oder Traceability Mechaniken, bei denen ich als Kunde die Herkunft meines Produkts nachvollziehen kann. Gut gestaltet, wie zum Beispiel bei „Zurück zum Ursprung“ von Hofer in Österreich, schafft das Transparenz und Vertrauen und motiviert zugleich, nachhaltige Produkte zu kaufen. Die Werbung kann auf solchen „handfesten“ produktbezogenen Konzepten aufsetzen und diese „groß“ machen und emotionalisieren.

Von den zehn abgefragten Kampagnen wird die Aktionswoche „Hallo Erde“ von Rewe als die Nachhaltigkeitskampagne mit der größten Überzeugungskraft angesehen. Auch Krombacher und Pampers punkten. Was können Unternehmen von diesen Kampagnen lernen?

Meiner Einschätzung nach ist die Stärke von Rewe die angesprochene Produktorientierung. Die Kampagne informiert primär und arbeitet sehr stark mit Labeln, um die Glaubwürdigkeit zu stützen. Krombacher ist ein exzellentes Beispiel dafür, wie man das Nachhaltigkeitsthema sehr emotional, mit Einsatz von Musik, groß machen kann und zugleich glaubwürdig bleiben kann, weil sehr viel Substanz hinter der Kampagne steht. Größe zeigt auch Pampers mit seiner globalen Kampagne. Verbrauchermarktforschung belegt, dass Nachhaltigkeitskommunikation einen hohen Einfluss auf die emotionale Nähe des Verbrauchers zu einer Marke haben kann. Diese Überzeugung wird übrigens von den von uns befragten Werbetreibenden geteilt. Schafft man es, Produktorientierung und Emotionalisierung in der Nachhaltigkeitswerbung zu verbinden hat, erhöht man die Chancen auf positive Umsatzeffekte verbunden mit einer Stärkung der Marke und schlägt so zwei Fliegen mit einer Klappe.

Die aktuellen Skandale in der Lebensmittelindustrie schüren zu Recht das Misstrauen der Verbraucher. Und sie zeigen, dass Reden über Nachhaltigkeit oft nur der Imagepolitur dient. Sollte man Unternehmen – eventuell auch politisch - zwingen, ihre Verantwortung für nachhaltigen Konsum stärker wahrzunehmen?

Regeln sind nicht immer falsch. Dennoch glaube ich, dass die Kreativität der Werbetreibenden eigentlich ausreichen sollte, solchen gesetzlichen Vorgaben zuvor zu kommen. Ich appelliere an Marketingverantwortliche in Unternehmen und an Agenturen ihr ganzes kreatives Potenzial in die Waagschale zu werfen, um Nachhaltigkeit attraktiv, hip und „sexy“ zu machen. Aber natürlich nur dort, wo handfestes nachhaltiges Handeln dahinter steht! Werbung hat die Fähigkeit, Menschen anzurühren, zu motivieren und zu begeistern – und zwar gerne auch mal für wenig sinnvolle Produkte. Diese Kraft dazu einzusetzen, nachhaltigen Konsum zu fördern, sollte DIE Herausforderung sein, der sich Werbetreibende in den nächsten Jahre stellen. Und damit der Werbung eine zusätzliche Sinnkomponente geben.


Autor: Frauke Schobelt

koordiniert und steuert als Newschefin der W&V den täglichen Newsdienst und schreibt selber über alles Mögliche in den Kanälen von W&V Online. Sie hat ein Faible für nationale und internationale Kampagnen, Markengeschichten, die "Kreation des Tages" und die Nordsee. Und für den Kaffeeautomaten. Seit 2000 im Verlag W&V.