Dass die Umweltschützer einen Stromkonzern kritisieren, ist wenig überraschend. Die Aussagen des RWE-Spots aber konterkariert der CEO persönlich: Im "Handelsblatt" (29.10.2013) erklärt Peter Terium, dass man einen Strategiewechsel brauche, um über die erneuerbaren Energien zu wachsen. "2018 wird sich RWE entscheidend an der Neuausrichtung der Energiewirtschaft in Europa beteiligt haben", gibt Terium in einem vom "Handelsblatt" zitierten internen Papier den Mitarbeitern als neues Ziel vor. Damit soll der Stromriese, der mehr CO ausstößt als jedes andere europäische Unternehmen (laut "Handelsblatt", nicht laut Greenpeace), dann doch schon in fünf Jahren auf die Energiewende ausgerichtet werden. 2018, das klingt ein bisschen nach Hinterherlaufen statt Vorweggehen. Konkret bedeuten Teriums Pläne dann auch nur, dass RWE an der Stromverteilung profitieren, Vertriebspartner sein will.

Die Zahl der Mitarbeiter, die in den Bereichen erneuerbare Energien arbeiten, wird laut "Handelsblatt"  derweil halbiert - auf nur noch 750 Stellen (insgesamt arbeiten mehr als 70.000 Menschen bei RWE): "Zugleich will der Konzern 75 Prozent an seinem ersten deutschen Offshore-Windpark Nordsee 1 abgeben und drosselt die Entwicklung neuer Projekte bei Offshore-Wind, Onshore-Wind und Wasserkraft", so das "Handelsblatt" weiter. Sieht Vorweggehen nicht anders aus?

Insofern ist auch verständlich, dass RWE die Aussagen im Werbefilm so diffus hält: "Wir wollen das erste Land sein (nicht: der erste Konzern, Anm. d. Red.), das komplett auf neue Energien setzt." Den Mitarbeitern, die bald vor dem Aus stehen, wird sicher vor allem der Schluss des Videos sauer aufstoßen: "Dazu suchen wir Menschen …" - aber einstellen oder behalten wird RWE davon die meisten wohl nicht. Möglicherweise hilft ja die im Spot erwähnte Webseite. Da sollen Leute ihre Ideen und Meinungen und Tipps einreichen. Vielleicht, weil RWE offenbar selbst momentan keine hat. Werbung und Webseite sind dem Unternehmen auf jeden Fall Meilen voraus. Oder aber, sie blasen das Erreichte einfach zu weit auf, sodass die Blase platzt. Wer vorweggehen will, der sollte mal den ersten Schritt tun.


Autor: Susanne Herrmann

schreibt als freie Autorin für W&V. Die Lieblingsthemen von @DieRedakteurin reichen von abenteuerlustigen Gründern über Medien und Super Bowl bis Streaming. Marketinggeschichten und außergewöhnliche Werbekampagnen dürfen aber nicht zu kurz kommen.