Ihre Hauptaufgabe ist aber die Identifizierung von Investitionsmöglichkeiten?

Richtig, wobei ich den Fokus auf das Thema Journalismus lege. Damit ist nicht gemeint, dass es ausschließlich um redaktionelle Themen im engeren Sinn geht. Es können auch technologische Lösungen in diesem Bereich sein, Aggregatoren-, Contributoren- oder Distributions-Modelle oder auch eine Video-Suchmaschine. Konkret suche ich um das Kernthema Journalismus herum nach interessanten Start-ups.

Es gibt hier Tausende Start-ups, wie gehen Sie da vor?

Das ist einer der Gründe, weshalb ich den Fokus auf das für uns strategisch relevante Thema Journalismus lege. Momentan ist dies im Silicon Valley eher ein Nischenthema – allerdings erfährt das digitale Publishing in den USA derzeit einen enormen Aufwind. Ein weiterer Punkt ist, dass wir als Verlag für Start-ups in diesem Bereich besonders interessant sind. Die werden aufmerksam, wenn sie hören, dass hier jemand ist, der sich für derartige Geschäftsmodelle interessiert. Deshalb werde ich auch immer öfter von Start-ups direkt angesprochen. Was natürlich sehr hilfreich ist, weil man dadurch schnell an den sogenannten Dealflow kommt, also an Investitionsmöglichkeiten – einer der zentralen Begriffe hier im Silicon Valley.

Und wie sieht das in der Praxis aus?

Ich setze mich mit einzelnen Projekten auseinander, schaue mir das Geschäftsmodell an und gehe der Frage nach, ob das Projekt ein Investment rechtfertigt, ob ein Know-how-Transfer stattfinden könnte. Gleichzeitig versuche ich, die Gründer mit Leuten von Axel Springer und den Tochtergesellschaften zusammenzubringen. Was allein schon die Innovation vorantreiben kann, indem sich die Strategie-Abteilungen unserer Medienmarken mit dem jeweiligen Projekt auseinandersetzen oder es auch konkret testen. Das ist ein nicht zu unterschätzender Informationsgewinn.

Welche Punkte bei einem Start-up lassen Sie denn aufhorchen?

Ich suche wie gesagt in erster Linie Unternehmen, die sich mit dem Thema Journalismus und Inhalte im weitesten Sinne beschäftigen und die gute Gründer haben. Das Team ist entscheidend. Vor allem, weil wir in frühen Phasen investieren. Man muss es dem Team zutrauen, dass es die Vision, die es hat, auch tatsächlich umsetzen kann. Und wir als Investor müssen irgendwann in der Lage sein, Mehrwert zu schaffen, sprich: dem Unternehmen zu helfen. Natürlich wollen wir auch aus den Projekten lernen. Aber dadurch, dass sich die Unternehmen noch in einer frühen Phase befinden, ist die Frage fast wichtiger, wie wir ihnen irgendwann helfen können.  

Sie konzentrieren sich tatsächlich auf Frühphasen-Investments?

Ich schaue vor allem auf Start-ups, die schon eine gewisse Reife haben. Hier im Silicon Valley gibt es im Vergleich zu Europa ja viel Seed-Funding. Wenn jemand eine coole Idee hat, erhält er schneller Geld dafür. Das ist uns zu früh. In dieser Phase ändern sich häufig noch die Geschäftsmodelle. Für uns ist es daher sinnvoller, wenn die Start-ups ihr Geschäftsmodell konkretisiert haben und schon einen gewissen Erfolg vorweisen können. Das muss nicht Umsatz bedeuten, es können auch Nutzer, erste Kunden sein. Und was mich auch aufhorchen lässt, ist, wenn man mit anderen guten Investoren zusammenarbeiten kann.

Verfügen Sie denn über genügend Mittel? Mit den großen Venture-Capital-Firmen können Sie doch nicht mithalten.

Sie haben Recht, es wird unglaublich viel Geld im Silicon Valley investiert. Gegenwärtig ko-investieren wir hier, wir machen keine Lead-Investments. Und das in eher frühen Phasen, wo die Bewertungen noch nicht allzu hoch sind. Wir sind da aber flexibel. Wenn es sich um ein Unternehmen handelt, das hervorragend zu uns passt und in einer späteren Finanzierungsrunde einen hohen Betrag einsammeln will, dann würden wir durchaus mit den Gründern reden. Wir würden allerdings keine absurd hohen Beträge ausgeben.

Wenn Sie ein spannendes Projekt gefunden haben, müssen Sie Ihre Kollegen in Deutschland davon überzeugen. Wie läuft dieser Prozess ab?

Wir haben mehrere Early-Stage-Experten bei Axel Springer, mit denen ich im ständigen Austausch bin. Außerdem Content-Experten, die sich auf Investitionen in diesem Bereich konzentrieren. Wenn es konkret in die Prüfung geht, schalte ich alle Experten bei Axel Springer ein, die dazu eine gewichtige Meinung haben könnten. Das ist die Voraussetzung, um unser Investment-Komitee und den Vorstand zu überzeugen.

Vor Kurzem haben Sie in das journalistische Projekt Ozy investiert. Weshalb?

Ozy ist ein Beispiel für digitalen Journalismus. Dahinter steht ein großartiges Team, das mit Carlos Watson über einen sehr starken CEO verfügt, ein Entrepreneur und Journalist, der früher bei CNN eine eigene Talkshow hatte. Ozy entwickelt sehr innovative Online-Darstellungsformen. Es unterscheidet sich von anderen journalistischen Angeboten, weil es die tägliche Informationsfülle auf wenige, sehr gut geschriebene Storys herunterbricht, darunter auch Geschichten jenseits des Mainstreams, die dennoch auf großes Interesse stoßen. Alle Themen bei Ozy sind global, Themen, die Menschen in allen Ländern und Kulturen interessieren.

Arbeiten Sie denn schon mit Ozy zusammen?

Ja, wir arbeiten sogar sehr eng zusammen. Auf redaktioneller Ebene gibt es sowohl einen Austausch mit "Bild" und "Welt" als auch eine Traffic- und Media-Partnerschaft. Bild teasert regelmäßig Beiträge von Ozy auf der eigenen Webseite an. Beim Marketing bestehen ebenfalls Partnerschaften. Es wird also bereits auf mehreren Ebenen zusammengearbeitet.  

Derzeit entstehen in den USA neue journalistische Digitalprojekte wie etwa The Information, Medium.com, natürlich auch Ozy. Und weitere sind angekündigt wie Cafe.com, das im Herbst starten will.

Ja, es gibt inzwischen eine ganze Reihe sogenannter Entrepreneural Journalists, die zuvor bei größeren Medienhäusern gearbeitet haben und sich nun selbstständig machen wollen. Ozy gehört dazu, ein anderes Beispiel ist The Information von Jessica Lessin, eine ehemalige Journalistin des "Wall Street Journals". Sie hat sich ein Team aus einigen wenigen Top-Journalisten zusammengesucht, um wirklich profunde Tech-Analysen zu liefern. Und sie war tollkühn genug zu sagen, dass die Nutzer vom ersten Artikel an für die Inhalte bezahlen müssen. Es gibt immer mehr Leute im journalistischen Bereich, die sich in bestimmten Nischen als kleines Schnellboot im Gegensatz zu den Verlags-Dickschiffen sehen.

Wie schätzen Sie diese Entwicklung ein?

Ich sehe in diesen Nischen viel Potenzial. In der Tech-Nische verdient Re/code beispielsweise mit Konferenzen viel Geld. Oder The Information und GigaOM mit Analysen, die für eine überschaubare Gruppe von Leuten so wichtig sind, dass sie dafür bezahlen. Auch in anderen Themenbereichen gibt es interessante Entwicklungen. Solche Projekte schaue ich mir deshalb sehr genau an.


Autor: Franz Scheele

Schreibt als freier Autor für W&V Online. Unverbesserlich anglo- und amerikanophil interessieren ihn besonders die aktuellen und langfristigen Entwicklungen in den Medien- und Digitalmärkten Großbritanniens und der Vereinigten Staaten.