
Crowdsourcing:
Wie freie Kreative große Agenturen das Fürchten lehren
Viele Kunden setzen auf Crowdsourcing und Kreativleistungen über global vernetzte Freelancer-Plattformen. Große Agenturnetzwerke können davor nicht länger die Augen verschließen und müssen eine neue Rolle für sich finden. W&V stellt relevante Crowdsourcing-Plattformen vor.
Der Standpunkt etablierter Agenturennetzwerke zum Thema Crowdsourcing für Kreativleistungen war lange eindeutig: Ein vorübergehendes Phänomen, das bei niedrigen Preisen zu Qualitätsverlust und Ausbeutung führt. Wer einen Namen in der Branche hat, sollte damit lieber nicht in Verbindung gebracht werden.
Nun zwingen aber ausgerechnet die Kunden die alteingesessenen Agenturen und Kreativen zum Umdenken und zum Handeln. Denn viele Unternehmen setzen zunehmend auf global vernetzte Freelancer-Plattformen, die sie bereits vor geraumer Zeit als kostengünstigere Alternative zur klassischen Agentur entdeckt haben. Und nicht nur aus Budgetgründen schätzen sie das Crowdsourcing - Marketer erhoffen sich davon auch frische Ideen und eine unabhängige Sicht auf die Dinge.
Immer mehr junge Freelancer-Talente drängen deshalb auf den Markt. Sie nutzen ihre Chance: Mit Hilfe von Networking-Plattformen kommen die zumeist namenlosen Kreativköpfe an lukrative Aufträge großer Firmen. Das bedeutet für Agenturen, dass sie eine neue Rolle für sich finden müssen - weniger Don Draper, mehr Prozessmanager. Weniger Künstler, dafür mehr Mittler und Berater zwischen Firmen und digitalen Kreativnetzwerken.
Die Ausrichtung der Plattformen ist global. Ihre Freelancer-Netzwerke reichen rund um die Welt. Deshalb müssen große Agenturnetzwerke aufrüsten. Das Werbenetwork WPP beispielsweise schloss kürzlich einen globalen Deal mit Talenthouse ab. Die Plattform aus Amerika wird zukünftig als Zulieferer von Social-Media-Inhalten agieren.
Relevante Crowdsourcing-Plattformen in der Übersicht:
Bastian Unterberg gründete die Plattform 2008 in Kreuzberg. Das Netzwerk umfasst 60.000 Freelancer aus 158 Ländern und arbeitet seit zwei Jahren profitabel. Kunden fahnden nach Design-Ideen, Input für Kampagnen oder Innovationsprozessen. Dabei: Marken wie Ricola, Audi, Total, Deutsche Bahn, Coca-Cola. Die Unternehmen haben die Budgets pro Aufgabe deutlich erhöht.
ProSiebenSat.1 hat sich mit rund zehn Prozent an der US-Plattform beteiligt. 3,2 Millionen Nachwuchskünstler aus aller Welt erstellen dort günstige Social-Media-Inhalte für Marken wie Samsung, Volkswagen, Microsoft – Videos, Fotos, Mode etc. Talenthouse hat mit WPP einen Deal als globaler Lieferant für Social-Media-Inhalte abgeschlossen.
Die Plattform hat das deutsche 12 Designer geschluckt und agiert in der globalen Billignische. Sie wendet sich an Kleingewerbe und Kleinstagenturen, die dort kostengünstige Standarddesigns bei Freelancern einkaufen. 99 Designs könnte als Werkbank für standardisierbare Agenturleistungen wie Reinzeichnungen dienen, die so dem globalen Preisdruck ausgesetzt würden.
Die Plattform ist ein Newcomer. Gegründet hat sie die Ex-Agenturfrau Anne Märtens, die zuvor bei Ketchum Pleon gearbeitet hatte. Märtens will Agenturen mit dem „kuratierten Crowdsourcing“ in einer Art Pitch sechs bis sieben für die Aufgabe geeignete Designer vorab vermitteln. 100 Profis aus 25 Ländern sind dabei. Die Auswahlmechanik soll ihnen faire Honorare garantieren.
Welche Rolle Crowdsourcing-Plattformen künftig in der Werbebranche spielen und wie sich Agenturen für diese Herausforderung rüsten, lesen Sie in der aktuellen Printausgabe der W&V. Wollen Sie drei Ausgaben testen? Hier geht es zum Schnupper-Abo!