
Ingeborg Trampe:
Wie wird man eigentlich Erotik-Autorin?
Kreativ sein. Ein Buch schreiben. Autorin werden. Und den Mut für erotischen Themen haben. Wovon viele von uns träumen, hat Ingeborg Trampe alias "Suzette Oh" einfach durchgezogen. Hier erzählt die Hamburger PR-Beraterin, wie man mit einem Porno-Projekt Buchautorin bei Holtzbrinck wird.
Ingeborg "Ibo" Trampe hat schon viele Jobs gemeistert: Texterin, Journalistin, Geschäftsführerin bei Y&R, Kommunikationschefin von BBDO und jetzt freie PR-Beraterin in ihrer Lieblingsstadt Hamburg. Weil sie Neues und Ungewöhnliches mag, hat sie parallel zum klassischen Marketingjob ihr ganz persönliches kleines Start-up gegründet - sie schreibt unter dem offen kommunizierten Pseudonym "Suzette Oh" Porno-Bücher. Mitte Juli erschien ihr erster Roman "Pussy Diary" bei Droemer Knaur. Auf W&V Online erzählt sie in mehreren Folgen, wie die Idee entstand, wie sie sie durchsetzte und wie sie ihr Buch vermarktet.
Folge 1
Alles Porno oder was?
Es war einer jener heißen Augusttage, als ich vor fünf Jahren an meinem Küchentisch in meiner Berliner Wohnung am Prenzlauer Berg saß. Die Kunden hatten sich in die Ferien verabschiedet und ich saß am Laptop und wollte es noch mal wissen. Würde der Schreibmuskel abseits von Marketing- und Lifestyle-Themen auch noch funktionieren?
Vielleicht lag es an der Hitze und dem Flirren des Berliner Sommers, jedenfalls kam mir sehr spontan der Gedanke, einen Blog über eine Frauenfigur zu schreiben, die ihr Liebesleben so unabhängig leben würde, wie man das sonst nur von Männern gewohnt war. Eine Art reloaded Version des Seriencharakters Samantha aus der früheren Erfolgs-TV-Serie "Sex-and-the-city". Zwei Minuten später hatte ich den Namen Suzette Oh gefunden, fünf Minuten später eine befreundete Agentur gebeten, den Blog zu bauen. Noch am gleichen Nachmittag legte ich los. Die Geschichten flossen nur so aus den Tasten. Parallel baute ich eine Facebook-Seite und eröffnete einen Twitter-Account, um den Blog schnell zu verbreiten. Und ich ließ Suzette Oh sofort als Marke schützen. Man wusste ja nie, was aus Projekten alles so werden konnte.
Nach Themen für den Blog musste ich nicht groß suchen. Frauen reden furchtbar gerne über Kerle und Beziehungen. Ich musste also nur immer gut die Ohren spitzen, was um mich herum so über den Stand der Liebesdinge gesprochen wurde, und schwupp hatte ich sofort wieder neue Aufhänger, die ich zugegebenermaßen zugespitzt oder ironisiert zum Besten gab.
Gleichzeitig ließ ich im Laufe der Zeit Suzette Oh ihre eigenen Abenteuer in freier Wildbahn erleben. Und schon wenige Monate später lasen mehr als 4.000 Leute wöchentlich mit. Die ersten Medien klopften an. Und ich wurde als Autorin des Blogs enttarnt, was ich aber o.k. fand. Die Reaktionen – selbst von Kunden – waren null negativ. Im Gegenteil.
Doch ich hatte meine Rechnung ohne den Jugendschutz gemacht. Denn der Blog galt als zu pornographisch, um ihn offen weiter betreiben zu können. Ratlos legte ich 2011 erstmal eine Pause ein, denn verschlüsseln wollte ich ihn nicht. Stattdessen fokussierte ich mich wieder auf meine Beratungsprojekte, behielt aber immer im Auge, was im Erotikbereich so veröffentlicht wurde.
Nur wenige Monate später fegte "50 Shades of Grey" durch die Bücherregale. Und ich staunte nicht schlecht, als sich die eher biedere Buch-Trilogie zum Erfolgsbuch schlechthin entwickelte. Es gab also einen Markt für Erotikbücher. Aber gab es auch Platz für deutlich explizitere Inhalte und eine starke, polarisierende Frauenfigur, die sich nicht einem Mann unterwarf, sondern einfach ihr eigenes Ding machte?
2012 hatte ich mein erstes Gespräch mit einem Verleger, der den Blog kannte. Aber ihm war "Suzette Oh" eindeutig zu heiß für ein Buch. Ob ich die Geschichte denn nicht entschärfen könnte? Ich entschied mich, genau das nicht zu tun, und packte meine erotische Überfrau erneut zur Seite. Auch einige Gespräche mit Casual-Dating-Plattformen wie C-Date und Secrets über Kolumnen verliefen im Sande. Damals war die Zeit für expliziten Content einfach noch nicht reif.
Gut zwei Jahre später, also im Sommer 2014, als die Kino-Verfilmung von "50 Shades of Grey" anstand, spitzten mich ein paar Freunde an, endlich ein Buch aus meinem Blog zu machen. Warum eigentlich nicht? Beim Lesen der alten Blog-Einträge wurde mir allerdings schnell klar, dass der rote Faden für ein Buch fehlte und mir viele Texte qualitativ nicht mehr gefielen. Also entschloss ich mich, zwar die Grundidee des Blogs zu nutzen, aber die Inhalte komplett neu zu schreiben.
Im Sommer 2014 legte ich mit dem Buchprojekt los. Ob ich jemals mit so einem Buch Geld verdienen würde oder nicht, stand dabei nie im Vordergrund. Ich glaube ohnehin nicht daran, dass man Erfolge vorprogrammieren kann. Für mich war die Erfahrung wichtig, eine solche Idee wirklich diszipliniert neben meinem Job durchzuziehen, um zu sehen, ob etwas dabei herauskam, auf das ich selbst stolz sein konnte.
Jeder Sonntag war von nun an zum Schreiben des Buchs reserviert. Egal, ob das Wetter gut war, Freunde mich einluden oder nicht. Parallel recherchierte ich, wo ich im Eigenverlag ein Buch veröffentlichen konnte. Durch zahlreiche Berichte wusste ich, dass Erotik-Bücher im Selbstverlag extrem gut funktionieren. Hinzu kam, dass die Berichterstattung rund um die Buchmesse ein einziger Abgesang auf das traditioneller Verlegertum war. Von PR und Marketing verstand ich selbst genug. Nicht eine Sekunde dachte ich daran, zu einem Verlag zu gehen. Bis ich eine Ex-Kollegin traf.
In der nächsten Folge: "Ich brauche eine Agentur".