
Wirbel um Facebook-Tagging beim WDR
Öffentlich-rechtlicher Qualitätsjournalismus? Auf einem Panoramafoto von WDR.de sollen Facebook-Nutzer die Besucher eines Festivals namentlich taggen. Im Social Web sorgt die Aktion für Unruhe. W&V Online hat beim Sender nachgefragt.
Muss ich wissen, wer bei einer Veranstaltung drei Reihen hinter mir stand? Der Westdeutsche Rundfunk bietet diesen "Service" Nutzern nun zumindest mit dem Projekt "größtes Festivalpanorama Deutschlands“ . Dazu hat sich der öffentlich-rechtliche Sender den amerikanischen Fotografen Jeffrey Martin an Bord geholt. Er machte mehr als 500 Detailfotos der Besucher des Rheinkultur-Festivals und setzte sie zu einem fünf Gigapixel großem Panoramabild zusammen. Das Internetfoto ist mit Facebook verknüpft, so dass die Nutzer sich und Freunde namentlich kennzeichnen können.
Das namentliche Taggen von einzelnen Menschen in einer Masse stößt einigen Nutzern aber sauer auf. Auf einem Bericht im Basic Thinking Blog zu dem Projekt, posten zahlreiche User ihre - vor allem - datenschutzrechtlichen Bedenken. W&V Online hat beim WDR nachgefragt, in welchem Umfang die Besucher des Festivals über das Projekt informiert wurden. „Auf dem Festivalgelände selbst gab es Hinweisschilder an allen Zugängen...“, heißt es von Seiten des WDR. Zudem habe man auf der Homepage und über Facebook auf die geplanten Aufnahmen aufmerksam gemacht und zusätzlich noch auf der Bühne mit Moderationshinweisen und per Videowall. Die Besucher hätten gewusst, „jetzt werden die Fotos gemacht, ich kann mich also z.B. wegdrehen oder den Teilbereich verlassen.“
Zudem hätten die Nutzer die Möglichkeit, sich nachträglich Anonymisieren zu lassen. Ein namentliches Markieren durch Facebook-Freunde ohne Wissen des Markierten schließt das WDR auch aus, denn aus Datenschutzgründen können solche Markierungen „nicht sofort im Panoramabild veröffentlicht werden“. Die ausgewählte Person werde in dem Fall über eine persönliche Nachricht informiert, dass sie im Bild entdeckt wurde und könne sich anschließend selbst markieren.
Datenschutzrechtlich ist an dem Panoramafoto also offenbar nicht zu rütteln. Neu ist ein derartiges Projekt auch nicht, im Ausland gibt es schon einige Vorgänger, so etwa beim berühmten britischen Festival Glastonbury. Es gibt ab er einen wesentlichen Unterschied zu Glastonbury: dort hatte das Tagg-Bild die Mobilfunk-Marke Orange auf ihrer Site online gestellt. Hierzulande ist es ein öffentlich-rechtlicher Sender. Und genau dieser Aspekt stört an dem Projekt. Der WDR beschreibt es als technisch aufwendig, der Fotograf ist kein Unbekannter. Damit ist wohl anzunehmen, dass es eine Menge gekostet hat – das Geld der Gebührenzahler.
Wie der WDR W&V Online mitteilt, „entspricht das Projekt dem Drei-Stufen-Test-Kriterien bzw. wird durch das Telemedienkonzept für das WDR-Internetangebot, das der Rundfunkrat am 18.6.2010 genehmigt hat, abgedeckt.“ Es lässt sich aber wohl in jedem Fall streiten, ob diese Facebook-Markierungsaktion ein "qualitativer Beitrag zum publizistischen Wettbewerb“ darstellt, wie es so schön im Telemedienkonzept formuliert ist. Das ist auch den Kommentaren auf Basic Thinking zu entnehmen. Eine Nutzerin schreibt dort. „Eine entsetzliche Entwicklung, die an den Nutzerwünschen völlig vorbei geht“.