
"Bild" am Pranger:
Wulff rechnet mit Medien und Justiz ab
Medien und Justiz hätten sich die Bälle zugespielt, beklagt Ex-Bundespräsident Christian Wulff bei Präsentation seiner Autobiografie "Ganz oben. Ganz unten".
Ex-Bundespräsident Christian Wulff keilt in seinem autobiografischen Buch "Ganz oben. Ganz unten" zurück. Der 54-Jährige rechnet mit Vertretern von Medien, Justiz und Politik ab. Der Staatsanwaltschaft Hannover gab er bei der Vorstellung seines Buches am Dienstag in Berlin die Schuld an seinem Rücktritt 2012. Medien und Justiz hätten sich die Bälle zugespielt und gegen das Prinzip der Gewaltenteilung verstoßen, beklagte Wulff, dessen Affäre von der "Bild" ins Rollen gebracht wurde. Darin liege eine "ernste Gefahr für die Demokratie". Die Staatsanwaltschaft Hannover habe mit leeren Händen dagestanden und sich hochproblematisch verhalten, sagte der 54-Jährige. Und: "Hätte die Staatsanwalt korrekt gehandelt in Hannover und die Aufhebung der Immunität nicht beantragt, wäre ich noch im Amt", bedauert Wulff. "Bild"-Chef Kai Diekmann kommentiert das auf seine Weise:
Christian Wulff: "Ich wäre auch heute der Richtige im Amt!" Dem ist nichts hinzuzufügen. #Wulff pic.twitter.com/nJKNKv5awo
— Kai Diekmann (@KaiDiekmann) 10. Juni 2014
Christian Wulff äußerte sich kritisch über "Spiegel" und "Bild", wobei er Springers Boulevardblatt besonders rügte. "Bild" habe die Unschuldsvermutung vollständig missachtet und in die untersten Schubladen gegriffen. In seinem Buch beschreibe er, wie der Springer-Verlag ihn von Anfang an verfolgt habe, so der Ex-Bundespräsident. Stefan Niggemeier hat für BildBlog vor allem skizziert, wie Wulff Jagdfieber und fehlende Unschuldsvermutung in der "Bild" kritisierte.
Die Generalverurteilung durch Wulff wollte der Journalistenverband DJV nicht auf sich sitzen lassen und konterte: "Von Ausnahmen abgesehen, haben die Journalistinnen und Journalisten in der sogenannten Affäre Wulff 2011/12 ihre Wächterfunktion ernst genommen", so der DJV-Bundesvorsitzender Michael Konken. Wulffs Freispruch vor dem Landgericht Hannover im Februar wie auch die Präsentation seines Buchs am heutigen Dienstag änderten nichts daran, dass es im Zusammenhang mit seiner Amtsführung als Bundespräsident Ungereimtheiten gegeben habe, denen die Medien nachgehen mussten. Und: "Auch aus heutiger Sicht ist Wulffs Anruf auf der Mailbox des 'Bild'-Chefredakteurs als versuchte Einflussnahme auf die Berichterstattung zu bewerten", betonte Konken. Er räumte allerdings ein, dass einige Kollegen in einigen Punkten über das Ziel hinausgeschossen seien. Das ändere aber nichts an der Notwendigkeit, über die Affäre zu berichten. Mit seiner Salami-Taktik habe der damalige Bundespräsident die Recherchen zudem selbst provoziert.
Apropos "Bild": Gerade eben ist das Blatt in der neuen Otto-Brenner-Studie abgewatscht worden - zum dritten Mal. Die Stiftung reibt sich dieses Jahr in Sachen politischer Berichterstattung zur Bundestagswahl 2013 an Springers Boulevard-Blatt und will dem Titel den Begriff Journalismus aberkennen, der habe dort "als Mittel für ihre Unternehmensziele" ausgedient. Es sei "Publizismus", was Bild betreibe. Dem Publizismus gehe es einzig um Aufmerksamkeit beim Publikum, egal "ob er gerade Werbung, Unterhaltung, PR oder Journalismus macht, Hauptsache das Ergebnis pro Aktie stimmt".
ps/dpa