
Yoko Ono in Cannes: "Wir sind alle Hexen!"
Eigentlich sollte es um Musik gehen, im Grey-Seminar. Stattdessen wurde es ein unterhaltsames Happening von Yoko Ono, die den Saal zum Tanzen brachte. Die vermutlich abgefahrenste Veranstaltung in dieser Cannes-Woche.
Promiaufgebot beim jährlichen Music-Seminar von Grey: Avantgarde-Künstlerin Yoko Ono, gekleidet im engen schwarzen Hosenanzug und mit weißem Schal, tanzt förmlich in den voll besetzten Kinosaal. Eigentlich wollte Tim Mellors, weltweiter Grey-Kreativchef, mit Lennons Witwe über die Verbindung von Musik, Kunst und Werbung diskutieren. Doch sie nutzte die Gelegenheit und zeigte dem Publikum, wie man eine Show inszeniert, rezitierte Versatzstücke aus Gedichten, und brachte Mellors dazu, mit ihr unter ein weißes Tuch zu klettern, eine Anlehnung an frühere Arbeiten. Mit geöffneter Hose, ohne Jacket und ohne Schuhe kroch Mellors wieder hervor, eine wahrlich "sexual conversation", nahm es der 64-Jährige mit Humor.
Noch 27 Minuten. Mellors, in orange-weiß-braun gekringelten Socken, versucht eine normale Moderation. Sie habe ja schon immer auf Einfachheit gesetzt, Slogans wie "Give Peace a Chance" oder "War is over" sind heute noch in unserem Bewusstsein, weil sie eben so simple sind. Doch Yoko Ono will jetzt tanzen. Sie ist barfuß. Dann singt sie ihre seltsamen Töne, brüllt Mellors förmlich an, nein, bizarr sei das überhaupt nicht, "I want to show what we are made of", schreit sie ins Mikro. Frauen haben eine Super-Power. Die müssen sie rausbringen. "Wir sind alle Hexen", erklärt sie dem Publikum. Und schlimm sei es auch nicht, wenn Frauen missverstanden werden.
Noch sieben Minuten. "Lassen Sie uns über Werbung reden, deshalb sind wir ja hier", nimmt Mellors einen neuen Anlauf. Ja, Werbung findet sie kreativ, sagt die japanisch-amerikanische Künstlerin. "We have to dare", wir müssen uns was trauen, und ohne Fettsucht gebe es kein Leben. Einige im Publikum applaudieren. Mellors: "Ihr klatscht und ich muss darüber nachdenken."
Noch drei Minuten. Auf Geheiß von Yoko Ono zückt das Publikum vorher verteilte Taschenlämpchen. "I love you" signalisieren die Kreativen mit einem einfachen Code, im Hintergrund läuft "Give Peace a Chance", Ono und Mellors tanzen auf der Bühne. Am Ende stehen alle Besucher, die Menge tobt. Kommentar eines verstörten Werbers nach dem Seminar: "Das muss ich erst mal sacken lassen und darüber nachdenken."
Aber letztlich hat Yoko Ono gezeigt, worum es auch in der Werbung geht: Sie hat ihr Publikum ganz schnell für sich eingenommen, berührt, zum Agieren gebracht. Und sie verdient damit Geld.