
Fußball:
Zehn Gründe, warum der Fan-Protest gegen Red Bull nervt
Der Protest gegen RB Leipzig und seinen Sponsoren Red Bull ist unangemessen, findet W&V-Redakteur Markus Weber. Denn die Bundesliga ist weder ein Museum noch "Dinner for One".
Die Fans des Zweitligisten 1. FC Union Berlin protestierten am Sonntag - allesamt in schwarze Müllsäcke gehüllt - mit 15 Schweigeminuten gegen die nicht willkommenen Gäste des RB Leipzig. Es war die bislang aufsehenerregendste Aktion einer seit langem anhaltenden Protestwelle gegen den Red-Bull-Retortenclub aus Sachsen. Die Fußballkultur stirbt, heißt es von Seiten der wahren Fans.
Bei allem Verständnis für die Motive hinter diesen Aktionen, wir finden trotzdem: Der Protest nervt langsam. Die Bundesliga ist weder ein Museum noch ein ständig wiederkehrendes Kult-Zusammentreffen à la "Dinner for One". Die Verklärung der "Fußball-Kultur" zum letzten Stückchen heile Welt hat etwas von Puppenstube - und mit der Realität hatte dieses Bild noch nie etwas zu tun. Nicht mal beim Wunder von Bern, dem mythischen Gipfel der Fußball-Verklärung.
Fußball-Fans als Romantiker? Manchmal erinnert ihre Haltung auch an die biederer Wutbürger.
Deshalb hier unsere
Zehn Gründe, warum der Fan-Protest gegen Red Bull nervt
1. Weil die nostalgische Sehnsucht der Fans – je mehr sie mit der Realität kollidiert - immer neurotischere Züge annimmt.
2. Weil der Fußball - offenbar zur Kompensation gesellschaftlicher Defizite - mittlerweile als eine Projektionsfläche herhalten muss, die ihn absolut überfordert (und die zu so aberwitzigen Debatten wie die um den Gauchotanz führt).
3. Weil im Fußball schon lange (jedenfalls schon lange vor Red Bull) dieselben Gefühle bedient werden wie im Musikantenstadl – nein, sogar eher noch schlimmer.
4. Weil die Fans zwar immer sehr lautstark gegen Dauerkartenentzug, gegen Sicherheitskonzepte und gegen Red Bull protestieren, aber kaum vernehmbar gegen die vielen nationalen und internationalen Schiebereien und Wettskandale.
5. Weil eine geschlossene Gesellschaft ausschließlich aus Traditionsclubs wie dem HSV, Eintracht Frankfurt, Kaiserslautern oder dem 1. FC Nürnberg sehr langweilig wäre (und die aktuelle Tabellenspitze - Paderborn, Mainz, Hoffenheim – hat ja schließlich auch was).
6. Weil Leipzig – wenn man so will – die traditionsreichste Fußballstadt Deutschlands ist: als DFB-Gründungsort und mit dem allerersten Deutschen Fußballmeister aus dem Jahr 1903.
7. Weil all die anderen Leipziger Clubs lange genug Zeit hatten seit der Wende, um auch nur irgendetwas Anständiges auf die Reihe zu kriegen.
8. Weil es 1000 andere Dinge gibt, über die man sich mehr aufregen könnte – etwa die desaströse Entzerrung der Spieltage.
9. Weil eine "Wir sind die Guten. Ihr seid die Bösen"-Haltung immer peinlich rüberkommt. Es gibt keine Insel der Seligen. Schon gar nicht im Fußball.
10. Weil Red Bull sich an die Regeln hält und nichts anderes tut, als hunderte andere Sport-Sponsoren auch.
Und überhaupt: Für all jene, die die schönste Nebensache der Welt immer viel zu ernst nehmen, gilt das berühmte Martin-Walser-Zitat:
"Sinnloser als Fußball ist nur noch eins: Nachdenken über Fußball".