Es beginnt am 19. Mai: Über Facebook bittet Raja, das Buch ihres Mannes "Willkommen im Meer" zu kaufen, darüber zu schreiben und ihr Posting zu teilen. "Helft mir es bekannt zu machen!", appelliert sie an die vielen Follower ihres Mannes. Über Twitter verbreitet sich ihr Aufruf unter dem Hashtag #einbuchfuerkai. Über Nacht stürmt der 2006 fertiggestellte und im Februar im Selbstverlag veröffentlichte Roman - eine Geschichte über einen Lehrer an einem Oldenburger Gymnasium - die Amazon-Bestsellerliste: von Platz 60.755 an die Spitze.

Der Onlinebuchhändler verzichtet wegen des Schicksals von Fitzner auf die Erlöse, macht aber keine Angaben zur Höhe der Summe, die an die Familie geht.

Innerhalb weniger Tage gehen außerdem mehr als 12.000 Euro auf ein Spendenkonto ein, das der Bochumer Blogger Johannes Korten ins Leben gerufen hat. Er hatte Kai-Eric Fitzner vor drei Jahren auf einer Konferenz kennengelernt und beschreibt ihn als einen warmherzigen,inspirierenden Menschen. Die große Unterstützung der Netzgemeinde verblüfft selbst Korten, der seit zehn Jahren im Online-Marketing arbeitet. Er erklärt sich das unter anderem mit der persönlichen Betroffenheit der Spender: "Viele sind selbst Freiberufler mit Familie und können sich mit dem Thema identifizieren."

Spendenaktionen können über das Internet Tausende Nutzer erreichen und sogar zu einem Massenphänomen werden. Prominentestes Beispiel dafür ist der Ice Bucket Challenge, bei dem sich im vergangenen Jahr weltweit Menschen für den guten Zweck Eiswasser über den Kopf gossen. Doch auch kleinere Initiativen, bei denen zum Beispiel für ein krankes Kind gesammelt wird, machen immer wieder die Runde.

Solche Aktionen könnten viele Menschen mobilisieren, weil sie den Spendern das Gefühl gäben, etwas konkret bewirken zu können, erläutert Burkhard Wilke vom Deutschen Zentralinstitut für soziale Fragen (DZI). Voraussetzung sei, dass das Ganze glaubwürdig wirke. Im Durchschnitt geben Spender nach Angaben des Experten zwischen 20 bis 30 Euro.

Fitzners Familie kann man etwa mit 12,99 Euro für das Taschenbuch und 5,99 für die Online-Edition helfen - und bekommt dafür auch eine Gegenleistung. "Spannende Lektüre", "gut geschrieben", "tolles Buch", schreiben Kommentatoren auf Twitter und in den Kundenrezensionen von Amazon. Andere finden es schade, dass es erst dieses traurigen Anlasses bedurfte, damit das Buch bekannt wurde.

Den Spendenaufruf hat Initiator Johannes Korten inzwischen gestoppt. Die größten finanziellen Schwierigkeiten seien überwunden, schreibt Fitzners Frau Raja am 24. Mai auf Facebook. "Was wir weiterhin gerne annehmen, sind eure guten Wünsche für Kai und uns als Familie." Denn der Zustand des Autors ist immer noch kritisch. Korten: "Er ist noch nicht über den Berg."

Irena Güttel, dpa