Welche Technologien machen Sie dafür insbesondere verantwortlich?

Vor allem Kommunikationstechnologien, die gerade dabei sind, Begegnungen im wahren Leben abzulösen. Mehr als zwei Dritteln der Teenager ist ein WhatsApp-Chat lieber als ein persönliches Gespräch. Wenn es schon soweit ist, läuft da gerade etwas vollkommen schief. Heutzutage werden schon Beziehungen in einem Chat beendet, aus einer Distanz. 

Helfen die Technologien uns aber nicht auch dabei, den Traumpartner zu finden, den wir im abgelegenen "Hintertupfing" sonst niemals gefunden hätten?

Natürlich, wie gesagt, es sind wertvolle Werkzeuge, viele können diese Werkzeuge aber noch nicht benutzen. Kürzlich hat mir ein Mann erzählt, dass er wochenlang mit einer Frau gechattet hat, bevor sie sich getroffen haben. Sie hatten in diesen Chats schon so eine Vertrautheit entwickelt, dass er davon ausging, sie würden nach ihrem ersten Treffen zusammen sein. Als sie sich dann trafen, saßen sich zwei Fremde gegenüber, das hat er nicht verstanden. 

Es passiert also, dass wir uns virtuell näher kommen als im echten Leben: Werden wir uns bald in ein Betriebssystem verlieben, wie im Film "Her"? 

Haben wir das nicht schon? Wir verbringen doch mehr Zeit mit unseren Handys als mit anderen Menschen. Man muss sich auch klar machen, was das in "Her" eigentlich für eine Liebe ist. Es ist die absolute narzisstische Liebe, die er empfindet. Das Betriebssystem ist perfekt auf ihn zugeschnitten. Er ist bestätigt ihn pausenlos. Er blickt mit jedem Gespräch in einen wohlwollenden Spiegel. Es gibt keine Reibung. Letztlich liebt er sich damit nur selbst.  

Wie können wir Menschen dagegen steuern, um wieder liebes- bzw. beziehungsfähig zu werden?

Es geht letztlich um Begegnungen, darum, dass richtige Maß zu finden. Technologien sind ein Bestandteil, sie sollten nicht alles einnehmen. Wir wissen das, aber wir müssen es auch verinnerlichen. Man wird sich nicht an den WhatsApp-Chat vor einigen Jahren erinnern, sondern an die Begegnung im wahren Leben.


Autor: Irmela Schwab

ist Autorin bei W&V. Die studierte Germanistin interessiert sich besonders dafür, wie digitale Technologien Marketing und Medien verändern. Dazu reist sie regelmäßig in die USA und ist auf Events wie South by Southwest oder der CES anzutreffen. Zur Entspannung macht sie Yoga und geht an der Isar und in den Bergen spazieren.