
Analyse:
Großer Markt für kleine Sender
Kommende Woche stellt Disney seinen neuen Free-TV-Sender vor. Er bildet zusammen mit Kanälen wie ProSieben Maxx, RTL Nitro oder bald auch TLC eine neue, vierte Sendergeneration. Weil die Kanäle klare Programmfarben und Zielgruppen haben, wird es keine verlorene Generation sein.
Wenn der Kuchen spricht, haben die Krümel Pause. Mit dieser launigen Weisheit lassen sich die Machtverhältnisse auf dem deutschen Fernsehmarkt immer weniger zutreffend beschreiben. Denn die großen Kuchenstücke, die etablierten Privat-Sender der ersten Generation wie RTL oder Sat.1, sind für viele Zuschauergruppen längst nicht mehr so tonangebend wie noch vor Jahren. Sie verlieren mal mehr, mal weniger Marktanteile. Klar vernehmbar ist mittlerweile die Stimme der kleinen Kuchenstücke, der Sender der zweiten Generation, wie RTL II, Vox oder Kabel eins. Ihre Quoten gehen oftmals deutlich zulasten der Großen.
Und nun begehren eben auch noch die Krümel auf – zum einen manch ein Sender der dritten Generation wie DMAX. Aber auch jene , die von den großen Kuchenstücken abfallen: etwa Spartensender wie der Männersender RTL Nitro, der Lady-Kanal Sat.1 Gold oder – ganz neu seit Anfang des Monats – der Große-und-Kleine-Jungs-Sender ProSieben Maxx. Und jetzt: drängen ab Anfang 2014 noch die großen US-Majors wie die Disney oder Discovery mit neuen Sendern ins deutsche Free-TV.
So entsteht in der Summe eine ganz neue, vierte Generation von TV-Sendern. Natürlich haben sie derzeit für sich genommen geringe Marktanteile um einen Prozent. Aber für Media-Experten sind sie alles andere als vernachlässigbar. „Die Sender der vierten Generation kommen mit einiger Relevanz daher – vor allem weil sie sich, anders als die Sender der Generation vor ihnen, zu der etwa Tele 5 gehört, eindeutig positionieren und eine klare Zielgruppe fokussieren“, sagt Jürgen Kievit, Head of TV und Mitglied der Geschäftsleitung bei der Omnicom Media Group Deutschland. Thorsten Schulz, CEO von Initiative in Hamburg, ergänzt: „Die Analyse der bereits gelaunchten neuen Sender-Angebote zeigt deutlich, dass es einen Markt für diversifizierte Programmfarben gibt. Ich denke, dass alle Beteiligten über die positive, dynamische Entwicklung ein wenig überrascht gewesen sind. Insofern ist es nur konsequent an weiteren Angeboten zu arbeiten und somit auch ProSieben Maxx zu starten.“
Dem neuen Free-TV-Kanal von Disney, der ab Anfang 2014 auf Sendung gehen soll, traut Omnicom-Experte Kievit aus dem Stand einen Marktanteil von zehn Prozent in der Kinderzielgruppe der Drei- bis Dreizehnjährigen zu. Auch der neue Sender ProSieben Maxx kann problemlos eine ähnliche Entwicklung nehmen wie der Männersender DMAX von Discovery – vor allem wenn sich demnächst noch die technische Reichweite erhöht. DMAX erzielte im August einen durchschnittlichen Marktanteil von fast zwei Prozent und wird mit einiger Sicherheit weiter wachsen. Ab April soll er mit dem Discovery-Frauensender TLC eine kleine Schwester bekommen. Hier sind Mediaplaner jedoch noch vorsichtig hinsichtlich einer Erfolgsprognose. Das TLC-Programm wird ausschließlich aus Real-Life-Formaten bestehen – eine Programmfarbe, die sich bereits im Programm von Vox oder RTL II findet.
Bleibt die Frage, ob sich die New Kids on the TV-Block rechnen. Die Anschubfinanzierung ist jedenfalls gering. Experten zufolge kostet der Start eines neuen Senders heute nur noch ein Zehntel dessen, was die TV-Konzerne einst auf den Tisch legen mussten. Alle Sender der vierten Generation haben Mutterkonzerne im Rücken, die bereits ausreichend alte und neue Programmware ihr Eigen nennen und damit die Programme bestücken können. Das führt dazu, dass Free-TV-Premieren wie „Captain America“ auf ProSieben Maxx bei den 14- bis 49-Jährigen gleich auf Marktanteile von fast drei Prozent kommen. Media-Experten zufolge stellen die großen Sendergruppen ihre Sprösslinge sehr eigenständig auf und halten sie bewusst aus der Vermarktungsstrategie heraus. Auch eine Optimierung der TKPs findet offenbar über die kleinen Sender nicht statt. Initiative-Experte Thorsten Schulz erläutert in diesem Zusammenhang: „Aus Sicht der Werbekunden und Agenturen ist ein breiteres Angebot stets von Vorteil und bietet grundsätzlich die Möglichkeit spezielle Zielgruppensegmente fokussierter anzusprechen.“ Dabei sehe man etwa in ProSieben Max ein interessantes Angebot, um die Zielgruppen Männer oder Kinder in der möglichen Ansprache zu verstärken. „Dies gilt ebenfalls für das neue Disney-Angebot; insbesondere im Kindersegment bedarf es dringend einer Erweiterung im Markt“, sagt Schulz.
Wir die Strategie von Disney genau aussehen wird, wird sich am kommenden Donnerstag in Düsseldorf zeigen, wenn Programminhalte und Vermarktungskonzepte vorgestellt werden. Die Konkurrenten auf dem Kinder-TV-Markt fürchten ein preisaggressives Vorgehen. Hinzu kommt, dass Disney mit seiner ganzen Markenmacht sein Merchandising-Geschäft kräftig nach Vorne bringen kann. Disney wird sich mit einiger Sicherheit an die Spitze der vierten Sendergeneration setzen – und wahrscheinlich auch für einige Generationenkonflikte sorgen.