Kommentar:
Aldi liefert: Wieso das den Lebensmittel-Onlinehandel explodieren lässt
Der Markteintritt des Discounters wird ein beachtlicher Meilenstein für den Online-Lebensmittelhandel werden und zu einem Dammbruch führen. Ein Kommentar von IW-Redakteur Jochen G. Fuchs.
Um zu verstehen, wieso der kürzlich vorsichtig angekündigte Markeintritt von Aldi so wichtig ist, hilft es zuerst zu erörtern, welche Faktoren im Moment NutzerInnen von einer Änderung ihrer Einkaufsgewohnheiten abhalten - weg vom Laden, hin zur Onlinebestellung.
Was hält bestehende E-Food-NutzerInnen davon ab, erneut oder öfter zu bestellen?
Meist fällt in Umfragen das Schlagwort Frische und die fehlende Möglichkeit, die Frische-Produkte selbst in Augenschein nehmen zu können. Oft noch das Mindesthaltbarkeitsdatum.
- Fehlende Haptik / Auswahlmöglichkeit
- Misstrauen gegenüber Obst, Gemüse
- Keine Möglichkeit Mindesthaltbarkeitsdatum zu prüfen
- Unflexible Zustellung
Schnelle Zustellung spielt übrigens keine ausschlaggebende Rolle, das hat in der Umfrage nur für 6 Prozent eine Rolle gespielt.
Was hält stationäre KundInnen davon ab, E-Food-NutzerInnen zu werden?
Was mich wundert: Ich habe noch keine Umfrage gesehen, die sich intensiv mit dem Thema Preis beschäftigt hat. Spreche ich mit Freunden und Bekannten, die nicht in der Digital-Bubble leben, dann höre und sehe ich meist folgende Argumente:
- Lebensmittel sind zu teuer im Lieferdienst
- Lebensmittel online bestellen ist seltsam, das macht doch keiner (nur Hipster)
- Ich kaufe bei Edeka, Aldi oder Lidl. Die liefern nicht.
- Oder: Bei mir gibt es keinen Lieferdienst.
Fazit: Zu teuer, seltsam, es gibt keinen Lieferdienst und wenn doch, dann ist es der falsche Laden.
All diese Probleme kann Aldi für eine große Menge potenzieller KundInnen auf einen Schlag lösen. Für eine ziemlich große Menge KundInnen.
Discounter haben einen großen Marktanteil und können den aktuell noch kleinen E-Food-Markt schnell wachsen lassen.
Während der Pandemie hat der Online-Lebensmittelhandel einen Schub bekommen und die deutschen VerbraucherInnen, die notorisch misstrauischen Gewohnheitstiere, dazu bewegt, auch online Lebensmittel zu bestellen. Mit dem Ergebnis, dass immerhin 27 Prozent der Bundesbürger schon einmal Lebensmittel online bestellt und sich direkt an die Tür haben bringen lassen. Das ergab im Oktober 2022 eine GfK-Umfrage im Auftrag des Zahlungsdienstleisters Mastercard.
Etwa 80 Prozent davon kauft weiter online Lebensmittel, allerdings nur etwa mehr als die Hälfte so richtig regelmäßig. Also mindestens einmal in der Woche. Sprich von den einst 27 Prozent bleiben unter dem Strich gerade mal 14,85 Prozent der Bundesbürger, die tatsächlich regelmäßig online Lebensmittel kaufen.
Sicher, ein relevanter Markt, aber noch lange nicht der große Durchbruch für den Lebensmittel-Onlinehandel.
Laut Bundeskartellamt teilen sich die vier großen Handelsunternehmen Edeka, Rewe, Aldi und die Schwarz-Gruppe (u. a. Lidl) über 85 Prozent des Marktes unter sich auf. Die Discounter machen einen großen Teil des Marktes aus und wachsen aktuell.
"Discounter voll auf der Überholspur", titelt Supermarkt Inside und betont, dass die Discounter im vergangenen Jahr aufgrund der Inflation und der schwierigen konjunkturellen Lage einen erheblichen Kundenzustrom erlebt und mit einem Plus von 2 Prozent mittlerweile einen Marktanteil von 36,9 Prozent erreicht haben.
Wenn Aldi startet und einen Lieferservice und Click&Collect anbietet, wird das einen Dammbruch auslösen
- Kunden, die überwiegend bei Discountern einkaufen, können erstmals zu ihrem gewünschten und benötigten Preisniveau online bestellen.
- Markentreue Kunden, die gezielt bei Aldi einkaufen wollen, können bei ihrem Wunschladen bestellen.
- Die Verfügbarkeit der Onlinebestellung im Discounterbereich wird zu einer "Normalisierung" des Services führen. Es ist keine überkandidelte Hipster-Beschäftigung mehr, die von Fahrradkurieren in Berlin Prenzlauer-Berg praktiziert wird, wenn Hinz und Kunz bei Aldi bestellen.
- Der potenzielle Markt ist so groß, dass weitere Marktteilnehmer unter Zugzwang gesetzt werden. Sonst verlieren sie Marktanteile.
Eine einzige Voraussetzung muss Aldi erfüllen: einen mutigen, schnellen Rollout im gesamten (sagen wir zumindest südlichen) Bundesgebiet. (Im Moment beschränkt sich das Pilotprojekt ja auf Aldi Süd.)
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