Data und Analytics:
Darum haben Jobs als Data Scientists viel Potenzial
Daten-Spezialisten sind im Online-Handel gefragt, um Kundendaten zu analysieren, das Retourenverhalten zu prognostizieren oder das Controlling zu verbessern. Daniela Ehlgen-Hilpert, Data Scientist bei E. Breuninger GmbH & Co., verrät, wie ihr Arbeitsalltag aussieht.
Vor gut 140 Jahren eröffnete der Einzelhandelskaufmann Eduard Breuninger in Stuttgart sein erstes Einzelhandelsgeschäft. Heute betreibt die E. Breuninger GmbH & Co. 13 Warenhäuser und einen Online-Shop mit Schwerpunkt auf Mode und Lifestyle. Das Handelsunternehmen baut sein Online-Geschäft aus und hat nach dem DACH-Raum und Polen nun den Versand nach Italien, Spanien, Belgien, die Niederlande und Luxemburg gestartet.
Für den Erfolg setzt der alteingesessene Retailer zunehmend auf Datenanalyse: 2021 wurde ein neues Data-Team gegründet, das aus dem großen Datenschatz des Unternehmens sowohl umsetzbare Handlungsempfehlungen als auch einsetzbare Lösungen entwickeln soll. Teil dieses Teams ist Daniela Ehlgen-Hilpert. Sie arbeitet als Data Scientist für Breuninger. Doch was macht ein Data Scientist eigentlich genau? Und wie sieht der Ausbildungsweg aus?
War Data Scientist schon immer Ihr Traumberuf oder hat es sich im Laufe der Zeit eher so ergeben?
Daniela Ehlgen-Hilpert: Es war eine Mischung aus beidem. Der Weg war auf jeden Fall nicht gradlinig.
Wie sah Ihr Weg dorthin denn aus?
Ehlgen-Hilpert: Ich habe zuerst Sozialwissenschaften studiert und 2012 darin meinen Bachelor und 2014 meinen Master gemacht. Schon damals habe ich gemerkt, dass mich quantitative empirische Forschung, beispielsweise die Erstellung von Fragebögen und deren statistische Auswertung, sehr interessiert. Im Studium habe ich dabei mit einem Statistik-Programm namens SPSS gearbeitet. Ein solches Skill-Set, eine Verbindung von technischem Know-how und fachlichem Background, suchte Breuninger damals und so fing ich 2015 dort als CRM-Analyst an.
"Data Science kam immer mehr in Mode"
Wie ging es weiter?
Ehlgen-Hilpert: Für mich kam dann sehr schnell die Frage auf, ob es da nicht noch mehr gibt. Data Science kam immer mehr in Mode und ich war neugierig darauf. Ich habe mich dann immer mehr damit befasst und irgendwann gewusst: Das ist es, was ich machen möchte. Als Nicht-Mathematikerin und Nicht-Informatikerin war es jedoch relativ schwierig, den Einstieg zu finden.
2016 gab es bei Weitem noch nicht so viele Selbstlernangebote, beispielsweise Online-Tutorials für Einsteiger, wie heute. Und mir hat es gemessen an dem weiten Themenfeld Data Science an nahezu allem gefehlt. Ich konnte weder die für die Datenarbeit so wichtige Programmiersprache Python, noch war ich den Umgang mit großen Datenmengen gewohnt. Ich bin dann auf den Aufbaustudiengang Data Science an der Hochschule der Medien in Stuttgart gestoßen, habe mich dort beworben und wurde 2017 aufgenommen.
Wie lange hat dieses Studium gedauert?
Ehlgen-Hilpert: Es waren zweieinhalb sehr harte Jahre mit vielen Entbehrungen für mich und meine Familie. Ich habe berufsbegleitend studiert, das heißt ich habe tagsüber zu 100 Prozent gearbeitet, und an den Wochenenden und nachts gelernt. Aber ich bin sehr zielstrebig und wollte das unbedingt machen. Die Neugier hat immer wieder für Antrieb gesorgt.
"Da habe ich meinen Mut zusammengenommen"
Auf welchem Weg kamen Sie dann in das Data-Science-Team bei Breuninger?
Ehlgen-Hilpert: Im letzten Jahr hat Breuninger begonnen, ein neues Data Science-Team aufzubauen und da habe ich meinen Mut zusammengenommen und meinen jetzigen Teamlead gefragt, ob er sich vorstellen kann, dass ich in sein Team wechsle. Und er konnte es sich vorstellen und so bin ich heute im Team.
Wie sieht dieses Team denn konkret aus?
Ehlgen-Hilpert: Wir sind aktuell 12 Kolleginnen und Kollegen inklusive Lead und drei Product Ownern im Team "Data Science". Das Team ist divers und besteht sowohl aus Mathematiker:innen und Informatiker:innen als auch aus Exot:innen wie mir. Dieses Team ist in ein größeres, dem mehr als 30-köpfigen Team "Data Platform Services" eingebettet. Jetzt geht die Findungsphase des Teams so langsam zu Ende und wir können uns mehr und mehr im Unternehmen bekannt machen.
Breuninger arbeitet mit einer hybriden Data-Science-Struktur, das heißt neben dem zentralen Team gibt es teilweise auch dezentrale Data-Science-Spezialisten in den Fachabteilungen. Für diese dienen wir als Schnittstelle und Ansprechpartner. Zudem hat die Arbeit durch die Product Owner in unserem Team mehr Struktur bekommen. Die einzelnen Abteilungen - wir arbeiten am meisten und am engsten mit den verschiedenen E-Commerce-Teams zusammen - können auf die Product Owner mit ihren Anliegen und Wünschen zugehen und die Product Owner können ihrerseits in die Teams gehen und Ideen vorschlagen. In Zukunft wird es ein Mix aus Vorschlägen unsererseits und Nachfragen durch die Fachabteilungen sein.
Typischer Arbeitsalltag
Wie sieht denn Ihr Arbeitsalltag aus?
Ehlgen-Hilpert: Ein ganz typischer Arbeitsalltag ist gerade erst im Entstehen. Wir starten den Tag mit unserem 'Daily', einem agilen Treffen, bei dem wir besprechen, was wir gestern geschafft haben und was wir uns für heute vornehmen. Außerdem besprechen wir Probleme oder holen uns Input von den Kolleg:innen. Dazu kommen Meetings mit dem Team, dem gesamten Data-Platform-Services-Team und Termine mit Kolleg:innen im Haus. Die restliche Zeit ist Arbeit an konkreten Projekten. Ich selbst arbeite zum Beispiel aktuell an einem Vorhersagemodell, welches die Retourenwahrscheinlichkeit vorhersagt.
Was reizt Sie an Ihrer Arbeit?
Ehlgen-Hilpert: Es macht mir einfach sehr viel Spaß, aus Daten Informationen herauszuholen. Und mich fasziniert die Fülle an Möglichkeiten, die Data Science bietet. Zu sehen, was man alles aus Daten herausholen und was man damit machen kann, zum Beispiel in der Automatisierung. Es geht darum, immer wieder neue Fragestellungen zu entwickeln, wie sich das vorhandene Tool-Set nutzen lässt. Letztlich ist mein Ziel, Datenprodukte zu erstellen. Etwas, das einen sichtbaren Output hat, das etwas kann. Das kann eine automatisierte Bildbearbeitung oder Texterstellung im Rahmen von Produktbeschreibungen sein, eine Recommendation-Lösung oder eben Vorhersage-Modelle wie das, an dem ich gerade arbeite.
Welchen Stellenwert hat die Datennutzung Ihrer Meinung nach für den digitalen Handel?
Ehlgen-Hilpert: Ohne Analyse geht es definitiv nicht – in welcher Form auch immer. Letztlich gibt es sie in Ansätzen auch schon überall. Jeder, der beispielsweise Webanalyse betreibt, betreibt Datenanalyse. Ob es aber immer ein eigenes Data-Science-Team dafür braucht, weiß ich nicht, es kann auch dezentral geschehen. Die große Chance liegt in dem, was die Daten an 'noch mehr' liefern können, also da, wo aus der reinen Analyse Datenprodukte entstehen, die einen Mehrwert liefern. Das können ganz unterschiedliche Ansätze zur Automatisierung sein, aber auch Lösungen zum Individualisieren des Angebots oder um nachhaltiger zu wirtschaften, beispielsweise was Retouren angeht.
Interview: Christiane Fröhlich
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