Second-Hand-Markt:
Rebelle: Gut verdienen an gebrauchter Designer- und Luxusware
Secondhand-Marktplätze haben sich seit jeher das Thema Nachhaltigkeit auf die Fahnen geschrieben - folgen dabei aber unterschiedlichen Ansätzen. Im Portrait stellen wir drei Marktplätze vor.
Nachhaltigkeit ist mittlerweile viel mehr als ein Trend- und Mode-Thema, es ist wirtschaftliche Notwendigkeit - schon alleine, weil Ressourcen knapper werden und die Schäden an der Umwelt immer deutlicher. Das ist auch im E-Commerce zu spüren, wo Nachhaltigkeit einen immer größeren Stellenwert einnimmt. Zahlreiche neue Geschäftsideen und -modelle sind bereits entstanden, andere bestehen schon seit etlichen Jahren. Viele profitieren von der wachsenden Akzeptanz und Aufmerksamkeit der Konsumenten und bauen ihr Geschäft aus.
In einer dreiteiligen Serie stellen wir in den kommenden Wochen verschiedene Secondhand-Marktplätze aus unterschiedlichen Branchen vor. Den Anfang macht Rebelle, ein Marktplatz für gebrauchte Luxus- und Designerware aus dem Bereich Fashion und Accessoires.
Nische statt Massenmarkt
Nische statt Massenmarkt heißt die Devise der Rebelle - Style Remains GmbH. Das Hamburger Unternehmen bringt über seinen Marktplatz Rebelle.com seit gut neun Jahren Konsument:innen zusammen, die Mode und Accessoires aus dem Designer- und Luxus-Segment gebraucht kaufen und verkaufen möchten.
"In den ersten Jahren war es eher mühsam, die Aufmerksamkeit der Konsumentinnen für Second-Hand-Designermode zu wecken," erinnert sich Cécile Wickmann, Gründerin und Chief Customer Officer von Rebelle. "Jetzt nimmt das Thema Fahrt auf, wird zum Trendthema". Wobei "Trend" ihrer Ansicht nach ein falscher Begriff ist, denn Secondhand und Nachhaltigkeit "ist nichts, was kommt und geht. Es soll und muss vielmehr bleiben", ist Wickmann überzeugt. Die Ware stammt mehrheitlich aus Privathaushalten, lediglich ein Fünftel der Verkäufer sind Luxus-Secondhand-Boutiquen, die die Plattform für den schnelleren Abverkauf nutzen.
Rund 200.000 Artikel von 6.000 Designer-Brands von Kleidung über Tücher, Taschen bis hin zu Uhren sind auf Rebelle.com online, mehr als zwei Millionen Menschen weltweit nutzen den in fünf Sprachen verfügbaren Marktplatz. Die Kernmärkte sind die DACH-Region, die Niederlande und Italien, etwa zwei Drittel der Artikel werden grenzüberschreitend verkauft. Bei 300 Euro liegt der durchschnittliche Warenkorbwert. 40 Prozent des Umsatzes erzielt Rebelle mit den zehn Top-Marken von Gucci über Prada, Louis Vuitton bis Hermès und Chanel. Die Masse stammt aus Kleidung, die großen Einzelumsätze aus Segmenten wie Uhren und Taschen.
Refinanzierung über eine Provision
Der Verkauf erfolgt direkt von Kundin zu Kundin - 88 Prozent der Nutzer sind weiblich. Der Marktplatz refinanziert sich über eine vom Verkaufspreis abhängige, degressive Provision. Dabei haben Nutzer:innen die Wahl, ob sie die Artikel selbst fotografieren und einstellen oder ob sie den teureren "Concierge-Service" nutzen, bei dem Rebelle sich um die komplette Abwicklung kümmert. Unter dem Strich bleibt Rebelle im Gesamtdurchschnitt ein Drittel der Kaufsumme als Provision.
"Brand Bible" erleichtert die Echtheitsprüfung
In einer "Brand Bible", einer umfassenden Datenbank, sind unzählige Merkmale der Marken und Artikel wie verarbeitete Materialien, Verarbeitungsarten, Haptik, Gewicht oder Geruch festgehalten, anhand derer jedes einzelne Stück geprüft wird. 15 bis 20 der insgesamt 90 Mitarbeitenden sind allein mit der Echtheitsprüfung beschäftigt. Der Haken daran: der doppelte Postweg. Um die Designerware prüfen zu können, müssen die Verkäuferinnen sie zwingend zuerst an Rebelle schicken, von wo aus sie dann den Weg zur Käuferin antritt. Eine aufwändige Shipping-Lösung soll hier für eine größtmögliche Bündelung der Sendungen sorgen.
Für den Kauf sind meist drei Faktoren ausschlaggebend: Die Nachhaltigkeit, der Vintage-Effekt und die Verfügbarkeit. Oft suchen Kundinnen gezielt nach Produkten, die im Laden nicht mehr verfügbar sind, und schätzen dabei auch, dass etwa die Louis-Vuitton-Tasche nicht mehr so neu aussieht. Der Preis spielt eher eine untergeordnete Rolle: "Wer eine Tasche für 800 Euro kaufen kann, könnte sie auch für 1.000 Euro kaufen", meint Wickmann. Das Wissen, ein teures Stück auf für gutes Geld später weiterverkaufen zu können, führt ihrer Einschätzung nach auch dazu, dass mehr qualitativ hochwertige Produkte gekauft werden als schlechte Billigware.
15 bis 20 Prozent Wachstum angepeilt
Ihr Ziel ist, mit Rebelle in den kommenden fünf Jahren um 15 bis 20 Prozent pro Jahr zu wachsen – mehr als der Fashion-Resale-Markt mit prognostizierten zehn Prozent. Dafür kann sie sich auch vorstellen, das Geschäftsmodell auszubauen, etwa um neue Services mit hohem Konsumentennutzen wie einen Reparatur-Service oder eine reine Echtheitsprüfung.
Auch Kooperationen mit und Zukäufe von interessanten Playern in Nischenmärkten oder im Ausland sind denkbar. Denn auch wenn der Börsengang im Februar dieses Jahres aufgrund des gleichzeitigen Ausbruchs des Ukrainekriegs eher verhalten war, ist sich Wickmann sicher, dass sich der Börsenkurs erholen wird und damit auch wieder Kapital verfügbar ist. Der Börsengang in Stockholm war übrigens der erste mit einer "Nasdaq Green Equity Designation", einer Auszeichnung, die die Nasdaq seit 2021 an ausgewählte und von unabhängigen Parteien geprüfte Unternehmen vergibt, die mehr als 50 Prozent ihres Umsatzes aus nachhaltigen Geschäftsaktivitäten.
Autorin: Christiane Fröhlich
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