Social Commerce und digitale Screens am PoS:
Rewe: So wird der Händler den Handzettel ersetzen
25 Millionen Handzettel hat Rewe bislang jede Woche verteilt, damit ist jetzt Schluss. Im Interview erklärt Clemens Bauer, Director Marketing & Media, welche Medien er künftig einsetzen wird. Und warum Social Commerce und digitale Screens am PoS immer wichtiger werden.
Jede Woche hat der Lebensmitteleinzelhändler Rewe rund 25 Millionen gedruckte Handzettel verteilt. Vermutlich aber, so mutmaßt Marketing Director Clemens Bauer, haben sich maximal fünf Millionen Menschen damit beschäftigt.
Anders ausgedrückt: 20 Millionen wanderten ungelesen in den Müll. Bis jetzt. Denn Rewe ändert seinen Mediamix und konzentriert sich auf eine personalisierte und regionale Ansprache - Stichwort "Precision Media". Den Handzettel gibt es weiterhin, aber digital. Jeden Sonntag kann man sich ihn jetzt per WhatsApp auf sein Handy schicken lassen. Dazu muss man sich auf der Website entsprechend registrieren. Im Gespräch erklärt Clemens Bauer die neue Marketingstrategie von Rewe.
Herr Bauer, Rewe hat die Verteilung seiner gedruckten Handzettel eingestellt. Was waren die ausschlaggebenden Gründe? Der Umweltaspekt wegen des hohen Papierverbrauchs, die mangelnde Werbeeffizienz, die hohen Kosten oder die Frage, ob Sie damit bestimmte Zielgruppen überhaupt noch erreichen.
Clemens Bauer: Fast alle Gründe haben eine Rolle gespielt, allerdings: Einsparungen sind mit dem Abschied vom Handzettel nicht verbunden. Einen Kostenaspekt hat die Entscheidung dennoch: Wir haben am Markt massiv steigende Papierkosten, und eine Entspannung scheint nicht in Sicht zu sein. Deswegen versuchen wir die Abhängigkeit von Papier zu minimieren. Der wichtigste Grund aber ist: Wir haben das Thema Nachhaltigkeit in den Vordergrund unserer Kommunikation gerückt - und wir meinen das auch sehr ernst. Wir verteilen 25 Millionen Handzettel in der Woche, aber vermutlich beschäftigen sich maximal fünf Millionen Menschen damit. Bei vielen endet die Customer Journey bereits nach einer Minute. Damit ist die tatsächliche Verkaufswirkung recht eingeschränkt. Wir haben festgestellt, dass wir über andere Medien - klassische wie digitale - eine bessere Verkaufswirkung erreichen können. Deswegen haben wir für uns entschieden, dass die Ressourcen hier nicht mehr sinnvoll eingesetzt werden. Nachhaltigkeit ist ein wichtiger Teil unserer DNA. Wir waren die ersten, die Grünstrom verwendet und auf Plastiktüten verzichtet haben.
Völlig wirkungslos war der Handzettel vermutlich dennoch nicht. Mit welchem Mediamix werden sie ihn künftig ersetzen?
Bauer: Wir wissen, dass wir über digitale und auch klassische Kanäle und einen ausgefeilten Mediamix viel besser personalisieren, regionalisieren und lokalisieren können. Wir können damit viel gezielter auf die Märkte und ihre jeweiligen Notwendigkeiten reagieren.
Zielgruppen erreichen
Haben Sie keine Bedenken, dass sich ältere Menschen jetzt nicht mehr so gründlich über die Angebote von Rewe informieren können?
Bauer: Nein, denn sie werden weiter über klassische Medien informiert. Außerdem sehen sie am PoS, welche Angebote wir gerade haben. Im Gegenteil, wir müssen die Argumentation umdrehen: Wie viele Leute haben wir mit dem Handzettel nicht mehr erreicht?
Werden durch die Veränderungen im Mediamix jetzt digitale Medien und Social Media aufgewertet?
Bauer: Auf jeden Fall. Gerade Social Media entwickelt sich zu einem interessanten Angebotskanal. Generell gilt: Über digitale und auch klassische Kanäle lässt sich Kommunikation viel besser personalisieren. Bei uns läuft das unter dem Begriff "Precision Media". Die Ansprache hat eine ganz andere Relevanz, wenn wir die Empfänger kennen und wissen, welche Inhalte für sie interessant sind.
Damit steigt allerdings auch der Aufwand in der Kommunikation…
Bauer: Der Aufwand wird größer, wobei viel davon automatisiert abläuft. Wir müssen eine Vielzahl an Medienkanälen bedienen, und - wenn wir es richtig machen wollen - müssen auch noch eine Vielzahl an Formaten abbilden. Wir brauchen also nicht mehr nur einen Werbefilm wie früher, sondern tausend verschiedene Werbemittel.
"Ein normaler Joghurt wird davon weniger profitieren"
Ist Social Commerce eine Option für Händler wie Rewe, obwohl viele Produkte im Niedrigpreissegment angesiedelt sind? Und obwohl Social Commerce eigentlich viel von Impulskäufen profitiert?
Bauer: Hundertprozentig. Es kommt natürlich stark auf das Produkt an, ein normaler Joghurt wird davon weniger profitieren. Aber ein Feine-Welt-Olivenöl mit seiner ganz eigenen Heritage hätte schon eine Geschichte, die interessant sein könnte.
Wird der PoS als Kanal für Kommunikation auch immer wichtiger? Rewe baut derzeit ein Netz mit digitalen Screens in seinen Filialen auf.
Bauer: Der PoS ist tatsächlich der am meisten unterschätzte Kanal, den wir im Portfolio haben. Denn er ist für die Wahrnehmung der Marke ausschlaggebend. Kommunizieren kann man viel. Aber wenn jemand in den Markt geht und diese Welt dort nicht wiederfindet, ist die Customer Journey kaputt. Wenn wir Nachhaltigkeit kommunizieren, muss sich das auch im Markt wiederfinden. Daran scheitern auch viele Projekte. Wir finanzieren beispielsweise die Renaturierung von Mooren über den NABU-Klimafonds. Dieses Engagement finden die Menschen in unseren Märkten auf verschiedenen REWE Bio-Produkten wieder. Mit dem Kauf von REWE Bio Produkten unterstützen Kunden dann automatisch den NABU-Klimafonds. Das ist eine Geschichte, bei der jeder Kunde mitmachen kann. Das ist fühlbar und erlebbar. Wir müssen am PoS stark sein, deshalb investieren wir jetzt auch in digitale Stelen. Wir sind bereits an der Frische-Theke mit Screens unterwegs, wir haben eine gute Kommunikation am Check-out: Diesen Weg werden wir weitergehen. Wir werden gezielt mit weiteren digitalen Screens am PoS experimentieren.
Interview: Helmut van Rinsum
Jeden Tag die wichtigsten Meldungen aus dem nationalen und internationalen Online-Handel lesen? Dann holt euch die W&V Commerce Shots in eure Inbox. -> Meldet euch gleich an ...
Ihr wollt noch tiefer in das Thema Commerce eintauchen? Dann findet ihr hier alle Ausgaben des Magazins der INTERNET WORLD. Ganz einfach als PDF zum Download - kostenfrei für alle W&V-Member. -> Der Deep Dive exklusiv für euch.