Die Schlüsselbegriffe lauten dabei für Koney "E-Mobilität" und "Vernetzung". Als Tesla 2012 mit dem Model S sein erstes Großserienauto präsentierte, kam es mit einem für die Kraftfahrzeugwelt unglaublichen Versprechen auf den Markt: tanken inklusive, ein ganzes Leben lang. Damit machte Tesla-Chef Elon Musk aus einer Not eine Tugend. Denn das Netz an Ladesäulen, das Tesla benötigte, um mit der Reiselimousine tatsächlich Überlandfahrten möglich zu machen, existierte schlicht noch nicht, also musste Tesla es aufbauen - und versüßte der Kundschaft die zunächst geringe Anzahl der Supercharger damit, dass ihre Nutzung gratis war.

2016 stellte Tesla das Kostenlos-Prinzip um, ab dann mussten die Kunden für die Nutzung der Supercharger zahlen. Aber das geht bis heute unglaublich leicht: Einfach Ladekabel in die Steckdose am Auto stecken, das Auto nutzt die vom Besitzer im Bordcomputer hinterlegten Kreditkarteninformationen und wickelt die Bezahlung mit der Ladesäule ab. Und schon tut Tesla etwas, was die gesamte Konkurrenz bis heute nicht tut: Musk verkauft den Kunden nicht nur das Auto, sondern auch noch den Treibstoff dafür.

Tesla zog noch weitere Komponenten der Auto-Wertschöpfungskette an sich: Der Hersteller verkauft seine Fahrzeuge ausschließlich online und direkt an den Endkunden, Wartung und Reparaturen übernimmt ein firmeneigenes Netz an Service-Stationen. Damit gilt das Unternehmen nicht nur bei seinen Fahrzeugen als Innovationstreiber.

Super-Licht als App hinzubuchen

Doch bei einem wichtigen Zukunftsthema war Tesla erstaunlicherweise nicht erster: Beim Verkauf digitaler Zusatzdienste für das Fahrzeug - und zwar direkt im Fahrzeug. Als einer der Pioniere bei diesem Thema darf Audi gelten. Seit Ende 2020 gibt es "Functions on Demand". Wer etwa bei seinem Audi E-Tron die serienmäßigen LED-Scheinwerfer auf "LED Matrix Plus" aufrüsten möchte, bucht diese Option im Bordcomputer, bezahlt wird über die im Auto hinterlegte Kreditkarte.

Schnell haben andere deutsche Hersteller nachgezogen: Bei BMW kann der Kunde sich beispielsweise eine sportliche Fahrwerksabstimmung hinzubuchen, im Mercedes-Topmodell EQS den Lenkwinkel der Hinterachslenkung vergrößern. Und seit vergangenem Jahr hat auch Tesla ein Kauf-Angebot im Bordcomputer: Die Bandbreite des serienmäßigen Internet-Zugangs lässt sich erweitern, dann klingt auch die gestreamte Musik im Auto besser. 

Solche hinzubuchbaren Extras eröffnen der Autoindustrie neue Erlösmodelle - und dem Kunden eine neue Produkterfahrung: Er könnte zum Beispiel Extras ausprobieren, bevor er sie bestellt - oder etwa eine Software für autonomes Fahren auf der Autobahn nur an den Tagen buchen, an denen er auch viel Autobahn fährt.

Die Hardware muss es ermöglichen

Das Prinzip der "Features on Demand" kennt man aus der Softwareindustrie. Eine Windows-Installations-CD enthält immer die gleichen Daten, egal ob der Kunde die Basis- oder die Premium-Lizenz gekauft hat. Darin liegt aber auch ein gewisser Pferdefuß des Geschäftsmodells: Es funktioniert nur, wenn das Auto die gesamte Hardware, die man dafür braucht, bereits ab Werk eingebaut hat - und der Kunde sie beim Kauf mitbezahlt hat. Dieser Umstand setzt dem Modell dann auch gewisse Grenzen. Es erscheint kaum vorstellbar, dass ein Kunde ein Schiebedach in seinem Auto akzeptiert, das er nur dann öffnen kann, wenn er ein entsprechendes Abo gebucht hat. 

Zum von Analyst Koney prophezeiten "iPhone auf Rädern" gehört aber wohl noch mehr als eine begrenzte Zahl an aufpreispflichtigen digitalen Zusatzfunktionen. Beim iPhone ging das Geschäft erst durch die Decke, als Apple ihm einen App Store zur Seite stellte, auf dem Tausende von Entwicklern ihre Programme verkaufen konnten - und Apple an den Umsätzen beteiligten. 

Wer hat die digitale Hoheit über das Cockpit?

Von einem solchen App-Store im Auto sind bislang nur erste Ansätze zu sehen - an denen die Autohersteller nur einen geringen Anteil haben. Sowohl Google als auch Apple sind über ihre In-Car-Schnittstellen in immer mehr Fahrzeugen präsent - und kontrollieren über ihre App Stores, welche Apps für Google Auto beziehungsweise Apple Car Play geeignet sind und welche nicht. Der Kampf, wer die Hoheit in der Mittelkonsole behält, ist noch offen. Während etwa die schwedisch-chinesische E-Automarke Polestar das gesamte In-Car-Entertainment auf Android laufen lässt, stecken BMW und Volkswagen enorme Summen in die Entwicklung hauseigener Betriebssysteme für ihre Fahrzeuge. Ihr Kalkül: Sie wollen selbst die Kontrolle darüber behalten, welche Apps in ihren Autos laufen und welche nicht - und wer an den damit generierten Umsätzen mitverdient. 

Ein weiterer Aspekt macht es eher unwahrscheinlich, dass sich im digitalen Auto kurzfristig ein ähnlich offener Markt entwickeln wird wie in den App Stores von Apple und Google: die Sicherheit. Fahrzeuge benötigen in Europa eine Typ-Zulassung, bevor sie am öffentlichen Straßenverkehr teilnehmen dürfen. Nachgerüstete Softwarefunktionen, die nachträglich hinzugefügt werden, können diese Zulassung gefährden. Die bekam unlängst Tesla zu spüren. Dort arbeitet man unter Hochdruck an der Einführung einer Software für das voll-autonome Fahren, genannt Full Self Driving (FSD). Auch sie setzt auf Hardware auf, die in neuen Teslas schon eingebaut ist, könnte also ähnlich hinzugebucht werden wie Audis Matrix-LED-Licht.

Doch da Tesla-Chef Musk weiß, dass man mit FSD auch viel Unsinn anstellen kann, können in den USA nur solche Kunden FSD buchen, bei denen die im Auto gesammelten Telematikdaten auf einen sicheren, umsichtigen Fahrstil schließen lassen. Wer bei diesem Check eine zu geringe Punktzahl erreicht, kann FSD nicht nutzen. Dem deutschen Kraftfahrtbundesamt (KBA) reicht dies nicht. FSD müsse unter allen Umständen sicher funktionieren und nicht nur bei routinierten Fahrern, so beschied die Behörde Tesla. Sollten daran Zweifel bestehen, dann dürfte FSD nicht aktiviert werden, da das Auto sonst seine Zulassung verliert.

Autor: Frank Kemper

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Autor: Redaktion INTERNET WORLD

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