Vor 15 Jahren war PayPal einfach ein Bezahlverfahren. Mit dem Ausbau der Angebote hat sich PayPal immer mehr in Richtung Payment Service Provider entwickelt. Wie wollen Sie sich mittelfristig im deutschen Markt positionieren: eher als übergreifender Dienstleister oder eher als Anbieter eines Bezahlverfahrens?
Kablitz: Ich würde das gar nicht so stark trennen. In den Überlegungen, wie wir kleine und mittelständische Händler in ihrem Wachstum unterstützen können, sehen wir zwei Wege: der eine ist, diesen Händlern eine Lösung anzubieten, die alle für das Geschäft der Händler wichtigen Aspekte abdeckt. Bei PayPal Checkout heißt das zum Beispiel, alle Bezahlverfahren, die Konsumenten in Deutschland gerne nutzen wollen aus einer Hand anzubieten. Der zweite Weg, Händler bei ihrem Wachstum zu unterstützen, betrifft die Veränderungen im Kundenverhalten, gerade auch durch die Corona-Pandemie. Um die neuen Kundenbedürfnisse erfüllen zu können, bieten wir dem Händler die dafür nötigen Optionen an, beispielsweise beim Thema "Später bezahlen". Der Vorteil gerade für den kleinen Mittelständler: Wir stellen ihm die Services gebündelt zur Verfügung, ohne dass dieser ein Experte für das hochkomplexe Thema Payment werden muss. Wir positionieren uns also als Partner, der die Endkunden und die Händler zusammenzubringt und so das Wachstum fördert.

Rückgrat der deutschen Wirtschaft

Ein Blick auf den deutschen Markt zeigt, dass PayPal bei den Top-1000-Shops eine Marktdurchdringung von rund 90 Prozent hat. Da ist also eine natürliche Wachstumsgrenze erreicht. Liegt der Fokus deswegen auf den kleineren und mittelständischen Händlern?
Kablitz: Wir haben schon immer Lösungen für Händler jeglicher Größe angeboten. So gesehen ist es nichts Neues, dass wir uns mit dem Segment der KMUs beschäftigen. Wir sehen immer wieder, dass die mittelständischen Händler das Rückgrat der deutschen Wirtschaft sind und damit auch ein sehr relevantes Segment und das wird auch zukünftig so sein. Es ist aber auch ein Segment, das ganz besondere Herausforderungen speziell durch die Corona-Pandemie zu bewältigen hatte. Grundsätzlich glauben wir, dass dies für uns auch weiterhin ein sehr lukratives Segment sein wird.

Hat das auch damit zu tun, dass größere Händler immer mehr eigenes Wissen aufbauen, ihr Payment zunehmend selbst professionalisieren und PayPal mit seinen Service-Dienstleistungen nicht so gefragt ist?
Kablitz: So würde ich das nicht sagen. Ich sehe zwar diesen Trend auch, dass die großen Unternehmen eigene Payment-Teams aufbauen und Payment mittlerweile als Differenzierungsmöglichkeit und als Hebel verstehen, um Wertschöpfung zu erreichen. Wir sind aber natürlich auch Partner für diese Unternehmen. Die Themen dort sind nur ein bisschen anders gelagert als bei kleineren Händlern, für die wir gerade dieses gebündelte Payment-Know-how zur Verfügung stellen. Aber auch bei den größeren Unternehmen geht es um die Weiterentwicklung von Payment-Strategien und Payment-Partnerschaften, sowohl im Hinblick auf PayPal als Bezahlart als auch bei Themen wie Kreditkartenzahlungen oder Fraud-Management. Und da sind wir als Partner Teil einer Gesamtlösung.

Präferenzen bedienen

Laut einer Studie des EHI hat PayPal am gesamten E-Commerce-Umsatz in Deutschland einen Umsatzanteil von rund 25 Prozent. Darüber liegt nur der Rechnungskauf mit einem Anteil von 30 Prozent. Sie bauen mit der "Bezahlen in 30-Tagen"-Option und dem Rechnungskauf über Ratepay dieses Segment weiter aus. Wollen Sie PayPal damit ein größeres Stück vom Rechnungskauf-Kuchen sichern, um so am Marktwachstum weiter teilhaben zu können?
Kablitz: Uns geht es darum, unsere Partner in die Lage zu versetzen, dem Kunden die Zahlart bieten zu können, die er nutzen möchte. Das ist der Kern der Überlegung dahinter - und in Deutschland gibt es nach wie vor eine hohe Präferenz für den Kauf auf Rechnung. In anderen Kundengruppen gibt es eine Präferenz, mit PayPal oder auch mit PayPal zeitversetzt zu bezahlen, um finanzielle Flexibilität zu haben. Unser Ziel ist, dem Händler zu ermöglichen, diese Präferenzen zu bedienen.

Das tut PayPal aber natürlich, weil ein glücklicher Kunde PayPal nutzt und PayPal an dieser Nutzung verdient. Sie würden wohl keine Zahlart aufnehmen, die PayPal nichts bringt… 
Kablitz: Es geht nicht um uns, es geht um den Händler. Der Endkunde hat eine Zahlpräferenz und wenn die Zahlart, die er nutzen möchte, nicht angeboten wird, kann es sein, dass er nicht kauft - und dann macht der Händler kein Geschäft. Es geht in erster Linie darum, diesen Kauf zu ermöglichen. Natürlich ist das Geschäftsmodell so aufgestellt, dass wir als Payment Service Provider daran verdienen, wenn eine Transaktion zustande kommt. Aber der Fokus liegt darauf, wie wir den Kunden und den Händler zusammenbringen können.

Dennoch geht es ja darum, dafür zu sorgen, dass der Kauf möglichst über PayPal läuft und nicht über einen anderen Payment-Anbieter…
Kablitz: Wir versuchen nicht, die Kundenpräferenz zu steuern, indem wir sagen, eine PayPal-Zahlung ist wichtiger als ein Kauf auf Rechnung oder eine Kreditkartenzahlung. Diese Entscheidung muss beim Kunden liegen. Wir ermöglichen dem Händler, all diese Zahlarten anzubieten etwa über PayPal Checkout. Natürlich schauen wir uns sowohl unser Produkt-Portfolio als auch die Kundenpräferenzen an und prüfen, was wir mit unseren Produkten gut lösen können. Ich nehme da mal das Beispiel "Bezahlen nach 30 Tagen": Der Kunde schätzt am Rechnungskauf primär die Flexibilität und die Sicherheit. Er schätzt nicht so sehr, dass er dann noch ins Online-Banking muss, um die Rechnung bezahlen, es vielleicht noch vergisst und dann die Mahnung kommt. Mit dem Bezahlen nach 30 Tagen haben wir ein Produkt, das beide Kundenbedürfnisse abdeckt: Der Kunde kann in Ruhe entscheiden, ob er die Ware behalten will, muss sich aber um die Zahlung dann keine Gedanken mehr machen, weil sie automatisch erfolgt. Das ist der Denkansatz, dem wir folgen und auf dessen Basis wir unser Produkt-Portfolio weiterentwickeln. Und auch die PayPal Ratenzahlung, die wir vergangenes Jahr erweitert haben, geht in eine ähnliche Richtung.

Buy now, pay later

Bei den Buy now, pay later-Angeboten, wie Sie sie gerade beschrieben haben, ist ja gerade viel Bewegung im Markt, viele springen auf diesen Zug auf. Was für einen Umsatzanteil peilt PayPal denn bis in zwei Jahren in dem BNPL-Markt an?
Kablitz: Einen konkreten Umsatzanteil kann ich Ihnen da nicht nennen. Aber ich kann sagen, dass es ein Thema ist, das für uns auf jeden Fall im Fokus steht und in das wir auch über die gerade genannten Produkte investiert haben. Dabei sind meiner Meinung nach drei Dinge wichtig: zum einen der Kundenwunsch nach flexiblem Bezahlen, zum zweiten der Händlerwunsch, dem Kunden dies zu ermöglichen, und zum dritten das Ganze für alle Beteiligten verantwortungsbewusst zu gestalten. Das sind die Prinzipien, nach denen wir dieses Thema angehen.

Wen verstehen Sie in dem BNPL-Markt in Deutschland als Ihren Hauptwettbewerber?
Kablitz: Das sind die üblichen, sich am Markt befindenden Wettbewerber.

Zum Beispiel?
Kablitz: Wenn wir uns die markengebrandeten Lösungen ansehen, dann gehört auf dem deutschen Markt sicherlich Klarna dazu. Wenn wir auf das Rechnungthema allgemein schauen, ist Ratepay ein wichtiger Player für White-Label-Lösungen. Deswegen haben wir uns für die Zusammenarbeit mit Ratepay entschieden.

Stichwort Klarna: Mitte März hat eBay bekannt gegeben, dass künftig auf dem Marktplatz auch der Rechnungs- und der Ratenkauf von Klarna zur Verfügung stehen wird. Wird PayPal das stark zu spüren bekommen, tut so etwas weh?
Kablitz: Das möchte ich nicht kommentieren. Ich kann nur so viel dazu sagen: Es ist ja bekannt und viel berichtet, dass eBay sein Zahlungsthema anders aufgestellt hat. eBay ist weiterhin ein wichtiger Partner und Händler für uns - und mit wem eBay welche Zahlart realisieren will, ist die Entscheidung von eBay.

Verschmelzung von Offline und Online

Sie haben es vorhin angesprochen: In den letzten zwei Jahren sind viele kleinere stationären Händler mehr oder weniger freiwillig online gegangen, haben eine Zahlungslösung gesucht und zum Teil auch bei PayPal gefunden, was Ihnen Wachstum beschert hat. Wie möchten Sie denn künftig von der Verschmelzung von Offline und Online profitieren?
Kablitz: Gerade kleine und mittelständische Unternehmen, die nicht oder nur zum Teil in der Online-Welt aktiv waren, mussten am Anfang der Pandemie mit den harten Lockdowns schnell in den Online-Bereich gehen. Für diese Unternehmen waren und sind wir in der Tat ein Partner. Das spannende aber ist die Verknüpfung von On- und Offline. Die Herausforderungen, die für den stationären Handel dazukommen werden, sind im Wandel auf der Konsumentenseite zu sehen, was das Bezahlen im Laden angeht. Die Beliebtheit von Bargeld hat recht stark abgenommen, die des digitalen Bezahlens hat zugenommen. Diese Trends werden sich weiter fortsetzen. Wir haben Kunden nach ihren Zahlerwartungen am Point of Sale gefragt und da zeigt sich, dass sich die Erwartungshaltung, die wir online schon kennen - nämlich "ich möchte die Zahlart, die ich präferiere, auch nutzen, wenn ich beim Händler bin" - immer mehr in den stationären Bereich überträgt. Damit nimmt für Händler die Komplexität noch einmal zu. Wir launchen PayPal Checkout natürlich mit dem Fokus auf Online-Bezahlung, aber wir haben unsere Plattform auch in Richtung Offline erweitert, indem wir neben dem QR-Code zum Beispiel Zettle als Möglichkeit, stationär digitale Bezahlung zu akzeptieren, aufgenommen haben. Diese Themen sind für uns relevant, weil sie für die Händler relevant sind.

Dieser Prozess der Verknüpfung ist ja gerade erst voll im Gang. Ist es für PayPal denkbar, zum Beispiel den QR-Code oder Zettle in ein Angebot wie PayPal Checkout zu integrieren, so dass hier keine Trennung mehr zwischen Online und Offline besteht?
Kablitz: Das ist aus meiner Sicht absolut denkbar. Wir denken dabei an eine Plattform, eine Lösung, die erst einmal kanalagnostisch ist und sich dann nur im Hinblick auf den Form Factor und den jeweiligen Use Case unterscheidet. Am Ende des Tages sollte für den Händler schon alles in einer Plattform integriert sein.

PayPal und der stationäre Handel

Bislang ist PayPal an der Ladenkasse im stationären Handel noch nicht sehr stark vertreten. Woran liegt das?
Kablitz: Das liegt im Endeffekt daran, dass Sie ein Akzeptanznetzwerk aufbauen müssen. Das ist uns sehr bewusst. Aber lassen Sie es mich umdrehen: Was hält einen Händler davon ab? Kunden sind nicht überrascht, wenn sie PayPal an der Kasse sehen, sie sagen eher "Aha, PayPal gibt es auch am Point of Sale". Und das ist der spannende Aspekt dabei. In dem Moment, wo ein Händler das anbietet, kann er sicher sein, dass die Marke bekannt ist und der Kunde das auch tatsächlich ausprobiert. Aber ja, egal ob online oder offline, beim Payment geht es immer um die Kunden und die Akzeptanzseite - und die Akzeptanzseite aufzubauen, dauert einfach eine gewisse Zeit.

PayPal bemüht sich schön längere Zeit darum und der Weg von PayPal in den stationären Handel scheint eher zäh zu sein, wenn man sich die letzten fünf, sechs, sieben Jahre mit den unterschiedlichen Versuchen anschaut….
Kablitz: Ich würde das enger fassen, was die Dauer angeht. Wir haben den QR-Code im Rahmen der Corona-Pandemie im April 2020 gestartet. Wir haben davor schon verschiedene Sachen ausprobiert, das ist richtig. Bei neuen Themen muss man eben ausprobieren und lernen und man muss Durchhaltevermögen haben, denn so etwas passiert nicht über Nacht. Auch wir bei PayPal brauchen eine gewisse Zeit, um so etwas aufzubauen. Wir wissen aber, dass unsere Händlerkunden das Angebot schätzen und das macht mich zuversichtlich, dass wir da auf dem richtigen Weg sind.

PayPal hat in Deutschland 32 Millionen aktive Kunden. Diese Zahl lässt sich so ohne weiteres vermutlich nicht mehr beliebig nach oben steigern. Kann die stationäre Präsenz helfen, neue Nutzergruppen zu erreichen, die PayPal bisher weniger erreicht hat?
Kablitz: Ich glaube nicht, dass wir das Wachstumspotenzial bei den Nutzern online schon komplett ausgeschöpft haben. Und ich glaube, dass der Offline-Bereich primär für unsere existierenden Kunden relevant ist, die unsere Marke bereits kennen. Daher würde ich den Point of Sale nicht primär in die Kategorie Akquisitionskanal für uns setzen. Er könnte es aber vielleicht einmal werden.

Interview: Christiane Fröhlich

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Autor: Redaktion INTERNET WORLD

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