Die Firma, die heute 350 Mitarbeiter beschäftigt, ist erst neun Jahre alt. Die Gründer sind ehemalige Mitarbeiter der Agentur Y&R, die nach ihrem Ausstieg in einen Rechtsstreit mit Martin Sorrell gerieten, dem Chef des Y&R-Mutterkonzerns WPP und mächtigsten Mann der britischen Werbung. Sie mussten ihm anschließend Geld zahlen. Nach nur vier Jahren verkauften die Gründer ihre Firma für einen kolportierten Preis von rund 60 Mio. Pfund an die Omnicom-Holding, die sie mit der damals schwächelnden London-Niederlassung von DDB zu Adam & Eve DDB verschmolz. Die Gründer blieben weiterhin Chefs, zogen ins DDB-Reich unweit des Bahnhofs Paddington und ließen ihre Agentur gedeihen. Vier Jahre, 60 Millionen – kein schlechtes Geschäft.

Heute hat die Agentur 63 Kunden; zu den neu gewonnenen zählen Sky, Strongbow und die Ginmarke Tanqueray. Im vergangenen Jahr holten Murphy, Golding und Priest die zweite Führungsriege nach vorn, vorgeblich um sich internationalen Aufgaben widmen zu können, etwa dem US-Büro, das sie 2016 für den Neukunden Samsung in New York eröffnet hatten. Den Verträgen zufolge hätten die Gründer jetzt auch aussteigen können. Diesen Schritt hat bislang allerdings nur John Forsyth unternommen, der vierte Mitgründer, der nach außen hin aber nie groß in Erscheinung getreten war.

Adam & Eve DDB ist eine der leistungsstärksten Agenturen im DDB-Reich; dem Mutterkonzern Omnicom dürfte also daran gelegen sein, Murphy und seine Kollegen so lange wie möglich bei sich zu wissen und von ihrem Spirit zu profitieren.

Auf den ersten Blick sieht Adam & Eve DDB, zumindest was das Interieur anbelangt, wenig aufregend aus. Im Treppenhaus begrüßen einen die mittlerweile auch in deutschen Agenturen obligatorischen Fotos von Mitarbeitern. Im Empfangsbereich interessiert sich kein Mensch für eintreffende Besucher; das Außergewöhnlichste hier ist vielleicht noch die hauseigene Kaffeebar, hinter der männliche Baristas mit hipsteresken Zwirbelschnauzbärtchen Espresso und Latte Macchiato zaubern. An der Wand nahe der Sitzgruppe prangen Schriftzüge wie „Agency of the year, yeah!“. Die Ausstrahlung der Mitarbeiter beim späteren Rundgang durch die fünf Stockwerke der Agentur: ausnehmend professionell und sehr konzentriert. Hier sieht keiner so aus, als sei er zur kreativen Selbstverwirklichung da.

Richard Brim ist Chief Creative Officer der Agentur (Foto: Adam & Eve DDB)

Richard Brim ist Chief Creative Officer der Agentur (Foto: Adam & Eve DDB)

Das Team wirkt insgesamt wesentlich älter als die Mannschaften deutscher Agenturen: Die meisten der hier Anwesenden sind schätzungsweise eher Mitte bis Ende 30 als Mitte oder Ende 20. Ebenfalls bemerkenswert: Bei Adam & Eve DDB gibt es ausschließlich Großraumbüros. Abteilungsleiter und Kreativdirektoren sitzen dort ebenfalls und haben nur dank kleiner Nischen etwas private Arbeits­sphäre. Es herrscht die Bitte-keine-internen-Anrufe-und-keine-internen-Mails-Richtlinie. Wer etwas vom Kollegen will, der geht dort gefälligst hin. Übrigens gibt es hier auch keine sicherheitsgeschützten Bereiche, wie sie so viele deutsche Agenturen beispielsweise für ihre Autokunden unterhalten, genauer gesagt: unterhalten müssen. Das Volks­wagen-Team etwa erkennt man lediglich daran, dass ein VW-Logo über den Schreibtischen prangt. Was die Agentur in jeder ihrer Arbeiten suggeriert, das lässt sie auch in den Räumen spüren: Wir wissen genau, wie wir das hier zu erledigen haben.

"Das Gefühl hier ist, glaube ich, mit keiner deutschen Agentur zu vergleichen", sagt Till Diestel, 32, einer der Mitarbeiter der Agentur mit deutschen Wurzeln. Angefangen hat er nach der Ausbildung bei Serviceplan, wo er einen rasanten Aufstieg bis zum Director Innovation und Executive Creative Director hinlegte. Seit zweieinhalb Jahren ist er Kreativdirektor bei der Londoner Agentur und kümmert sich dort unter anderem um John Lewis, H&M und Skittles. Patrick Cahill, 42, ist Producer. Neun Jahre war er zuvor bei Grabarz & Partner, zog danach aber keine andere Agentur in Deutschland mehr in Erwägung, weil sich das ein bisschen nach Fremdgehen angefühlt hätte. Beide loben die Professionalität, mit der gearbeitet wird. Sie wirkt sich auch positiv auf die Arbeitszeiten aus.

Till Diestel ist seit 2 1/2 Jahren Kreativdirektor bei Adam & Eve DDB (Foto: Agentur)

Till Diestel ist seit 2 1/2 Jahren Kreativdirektor bei Adam & Eve DDB (Foto: Agentur)

„Nach 18 Uhr sind hier kaum noch Leute. Und wer Meetings vor 9.30 Uhr ansetzt, der entschuldigt sich dafür“, so Diestel. Das funktioniert nur, weil sich jeder auf die Aufgabe konzentriert, weniger auf ein herzliches Miteinander, hat man den Eindruck. In Deutschland hat Diestel mal in einem Jahr 27 Wochenenden durchgearbeitet. Und bei Adam & Eve DDB? „Nur eine Handvoll.“ Kreativchef Brim, seit 2016 offiziell Chief Creative Officer, gibt außer in dringenden Fällen am Wochenende kein Feedback, erst Montag. Diestel mag, dass in England die Agenturen weniger um sich selbst kreisen, lockerer eingestellt sind und „keine Diss-, sondern eine Lob-Kultur herrscht“. Vielleicht hilft auch der britische Humor.

Cahill beeindrucken hingegen die stringente Aufgabenteilung und der Umgang mit den Kunden. Bei Adam & Eve DDB macht jeder seinen Job und nur den. Heißt: Ein Kreativer kümmert sich um Ideen, Konzepte und Texte und muss nicht auch noch Bilder suchen und scribbeln. Dafür gibt es eine eigene Designabteilung. Ein Berater berät Kunden und muss keine Termine und interne Ressourcen koordinieren, das übernimmt die große Projektmanagementabteilung. „Die Symbiose zwischen Kreativen, Beratern, Produktion, Kunden und Regisseuren ist völlig anders als in Deutschland“, sagt Cahill. Mehr Miteinander, mehr Loslassen. Das Thema Craft besitzt zudem einen extrem hohen Stellenwert, was man den Arbeiten auch ansieht.

Producer Patrick Cahill wechselte 2014 von Grabarz & Partner zu Adam & Eve DDB (Foto: Agentur)

Producer Patrick Cahill wechselte 2014 von Grabarz & Partner zu Adam & Eve DDB (Foto: Agentur)

Die Kunden schätzen die Agentur anders, Augenhöhe wird großgeschrieben, Verstellen ist nicht nötig. „Als ich mal ein Sakko für den Kundentermin anziehen wollte, haben die Kollegen geschmunzelt“, erzählt Cahill. Diestel und Cahill hatten früher in Deutschland das Gefühl, dass die Beziehung Kunde–Agentur einer Front glich. Bei Adam & Eve DDB stellt sich lediglich die Frage: „Wie können wir das Problem gemeinsam lösen?“ Wenn eine Idee nicht rund ist, wird eine Präsentation schon mal einen Tag vorher beim Kunden abgesagt – auch nicht schlimm.

Alles steht unter dem Stern des effizienten Arbeitens. Anders ließe sich der ungewöhnlich hohe Output der Agentur nicht leisten. „Klar haben wir auch einen Kicker, spielen habe ich da tagsüber allerdings noch nie jemand sehen“, sagt Cahill. Hier und da gibt es ein Bier nach Feierabend. Er und Diestel arbeiten gern bei Adam & Eve DDB; es fehlt ihnen höchstens, dass sich weniger Freundschaften unter den Kollegen ergeben als in ihren früheren Agenturzeiten. Die Mentalität ist in Großbritannien diesbezüglich auch eine andere als in Deutschland. Hingehen, arbeiten, abliefern, dafür früh raus aus dem Büro. Adam & Eve DDB ist kein kuscheliger Startup-Hort mit Yogaraum und Ruhezonen, sondern ein hochprofessio­neller Laden, der zielsicher Kampagnen auf Spitzenniveau liefert und wettbewerbsorientiert vorgeht. Das gilt auch für Pitches. „Wir pitchen wenig, aber wenn, dann will ich gewinnen“, sagt Brim.

Die große Titelgeschichte über Adam & Eve DDB lesen Sie in der aktuellen W&V-Ausgabe 11/2017 vom 13. März. Hier geht's zur Einzelheftbestellung.

Arbeitsbeispiele aus dem Hause Adam & Eve DDB:

H&M "Come Together" von Wes Anderson (mit Adrien Brody)

John Lewis Weihnachtsspot 2016: 

Skittles Super-Bowl-Spot "Romance":


Autor: Daniela Strasser

Redakteurin bei W&V. Interessiert sich für alles, was mit Marken, Agenturen, Kreation und deren Entwicklung zu tun hat. Außerdem schreibt sie für die Süddeutsche Zeitung. Neuerdings sorgt sie auch für Audioformate: In ihrem W&V-Podcast "Markenmenschen" spricht sie mit Marketingchefs und Media-Verantwortlichen über deren Karrieren.