Wie wollen Sie es mit den sogenannten Gold-Ideen halten, also Award-Arbeiten, bei denen erst die Idee, dann der Kunde da war?

Das ist doch okay. Im Gegenteil: Es ist sogar notwendig. Im Design haben wir ja das Problem nicht, weil wir es meistens mit der Geschäftsleitung zu tun haben. Aber in der Werbung ist zum Teil schon ganz schön Prostitution notwendig, um zu zeigen, was eine Agentur wirklich kann. Das ist auch inspirierend.

Aber was ist eine Idee noch wert, wenn Kunden dies ausnutzen, kein Honorar zahlen oder Nutzungsrechte für lau haben wollen?

Da beschädigt sich die Firma selbst. Wenn Sie zum Mittagessen gehen, kriegen Sie auch kein Schnitzel für 50 Cent. Ich kenne das Problem von der Schule (Hartmut Esslinger lehrte in Wien, Anm. d. Red.). Da wollte ein Unternehmen Ideen für 50 Euro haben. Das geht nicht, die hab ich überzeugt und die zahlten 50.000 Euro, damit meine Klasse Bildungsreisen machen konnte nach Japan und Amerika. Wer mitmacht, ist selber schuld.

Ihre Definition von kreativer Werbung?

Wenn man sagt: Wow. Die VW-Werbung mit dem kleinen Jungen als Darth Vader, das ist so eine. Eine nette Idee, die auch technische Kompetenz ausstrahlt, Humor, ein bisschen Mystik. Walt Disney sagt: There must be a good story. Everything we do is about a good story.

Gilt das auch für Design?

Klar, jedes gute Design ist eine Geschichte.

Und wie kommt man auf diese guten Geschichten? Ihr Geheimnis?

Da gibt es kein Geheimnis, das ist einfach harte Arbeit, und die Arbeit macht Spaß. Die Kreativen laufen immer Gefahr, belächelt zu werden, und natürlich wird man durch Gefühle belohnt. Aber Disziplin ist das A+O. Ein Geheimnis meines Lebens ist vielleicht: Showing up. Da sein. Es gibt keine Entschuldigung not to show up. Dadurch habe ich auch Beziehungen aufgebaut, das ist ganz wichtig

Aber irgendetwas muss Sie doch inspirieren.

Esslinger (schweigt einen Moment): Meine Frau beschimpft mich immer, dass ich ein Narzisst sei. Also, ich brauche keine Bewunderung, aber früher vielleicht schon mal. Ich habe Freude daran, etwas zu tun, was Menschen gefällt. Dass man Probleme löst, die wichtig sind.

Gerade im Design-Bereich werden Crowd-Sourcing-Elemente immer wichtiger. Was halten Sie davon?

Crowd-Sourcing ist gut. Entscheidend ist, dass man es richtig managed. Wir haben mit Crowd-Sourcing in Wien experimentiert - man kommt auf ganz andere Ideen. Verstehen Sie, es gibt ja keine Marktforschung, das ist alles Quatsch. Die Leute wissen nicht, was sie wollen. Aber wenn sie in Crowd-Sourcing gehen, kriegen Sie eine Ahnung davon, wovon die Leute träumen. Wir haben zum Beispiel einen Kopfhörer gemacht, der müsste zugleich ein Ohrwärmer sein, weil es in Österreich immer kalt ist. Das ist ein Beispiel. Ich finde alles toll, was neu ist. Ich wäre gerne nochmal 20 Jahre jünger. Aber wenn ich solange lebe, wie meine Eltern, habe ich noch 30 Jahre vor mir.

Bleibt durch die Technologisierung der Branche das Denken nicht auf der Strecke?

Esslinger (lacht): Erzählen Sie das mal dem Steinzeitmenschen, der die Idee mit dem Faustkeil hatte. Man muss halt damit umgehen.

Was war denn Ihre beste Idee?

Schwierig zu sagen, ich habe so viele Kunden. Eines vielleicht: Im Dental-Bereich haben wir schon eine ganze Branche revolutioniert. Mit neuen Dental-Geräten und Dental-Systemen haben wir Zahnarzt-Besuche human gestaltet für die Patienten und auch für die Zahnärztin. Das ist ja ein sehr weiblicher Beruf. Ich glaube, da haben wir vom Revolutionären her am meisten geschafft. Und auch am meisten verdient per Lizenzvertrag. Der geschäftliche Erfolg war etwa 200mal größer als geplant. Da kam damals ein Durchbruch. Vorher hat die Dental-Branche Design nie als Strategie-Methode betrachtet.

Aber es ging nicht immer nur aufwärts, es gab auch Rückschläge.

Ja, klar. Das schlimmste war sicher, als die Agenturen in Düsseldorf und Berlin Pleite gingen. Das war schon die größte Niederlage. Es war unsere Schuld, wir haben die falschen Leute eingestellt, nicht geguckt und gedacht, es wird schon. Aber dann wird es nie was. Das war auch für die Leute brutal, die haben sich auch als Opfer gesehen. Aber die waren genau so schuld wie wir. Ich habe jetzt ein bisschen Abstand von Frog. Aber eine solche Firma zu bauen, als Student zu sagen, ich mach jetzt eine Agentur und werde erfolgreich, das ist schon amazing und ich bin stolz darauf.

Sie haben im Management vor allem mit Frauen zusammengearbeitet.

Ja, das ist mein Erfolgsgeheimnis Nummer zwei. Das erste ist: Mitarbeiter gut bezahlen. Das Durchschnittsgehalt eines Designers in England liegt bei 22.000 Euro, in Österreich bei 16.000 Euro. Bei Frog weltweit sind es 68.000 Euro. Wir sind auch deshalb erfolgreich, weil wir auch ökonomisch überzeugen, verstehen Sie? Es funktioniert, Leute gut zu bezahlen, es funktioniert, dass sie relevante Arbeit machen und nicht nur gute und schöne Arbeit. Ich war immer umgeben von super starken Frauen. Und ich finde es total bescheuert, wenn Männer das Talent von Designerinnen nicht erkennen wollen. Aus welchen Gründen auch immer.

Was machen denn Frauen anders?

Männer gucken auf Prestige, die Größe des Büros, nicht auf die Aufgabe. Das ist ein Vorurteil, aber es stimmt schon. Da sind Frauen schon sehr viel verantwortungsvoller. Ich bin auch kein einfacher Mensch, das gebe ich zu. Ich komme aber mit Frauen besser aus, weil ich weiblicher denke. Ich bin schon sensibel und ich glaube, das hat auch geholfen.

Mehr Hintergründe über das wichtigste deutsche Werbefestival in Frankfurt und die Erwartungen der Kreativen lesen Sie in der aktuellen Werben & Verkaufen Nr. 19, die am 10. Mai erscheint.