Chuck Porter im Interview: "Europa rückt in den Fokus"
Als erster US-Kreativer übernimmt Chuck Porter den Jury-Vorsitz beim deutschen ADC-Festival. Mit W&V hat er darüber gesprochen, auf was es ihm bei den Einreichungen ankommt, warum der Verlust des Kunden Burger King ihn nicht schmerzt und wieso der deutsche Markt für seine Agentur Crispin, Porter + Bogusky wichtiger wird.
In ziemlich genau vier Wochen wird Chuck Porter von Miami zum ADC-Festival (4. bis 8. Mai) nach Frankfurt reisen. Dort sitzt der Chairman der Agentur Crispin, Porter + Bougsky (CP+B) der ADC-Jury vor - und ist damit der erste prominente US-Kreative, der diesen Posten übernimmt. Sein Urteil zählt viel in der Branche. CP+B arbeitet für Kunden wie Coca-Cola, Kraft und Microsoft und gehört zu den meistausgezeichnetsten Agentur weltweit. Mit W&V hat er über deutsche Kreation, amerikanische Selbstverliebtheit und das Ideen-Konzept von CP+B gesprochen.
W&V: Beim deutschen Art Directors Club bildet man sich ziemlich was darauf ein, dass Sie als Jury-Chairman zugesagt haben. Was reizt Sie denn an der Einladung, Herr Porter?
Porter: Ich habe mich ehrlich gefreut. Ich liebe Deutschland, war schon öfters da. Ich habe bei Festivals in Cannes oder New York juriert. Wahrscheinlich hält mich der ADC deshalb für qualifiziert. Meine Agentur ist in Deutschland ja ebenfalls präsent, zum Beispiel mit Kampagnen für Microsoft oder die Kraft-Marke Milka.
Stimmt, Sie haben gerade der berühmten lila Kuh einen neuen Auftritt und Milka einen neuen Claim gegeben.
Ja, das ist eine wundervolle gemütliche, liebenswerte Marke, nicht? Meine Frau ist Dänin und hat in ihrer Sprache das beste Wort für die Kampagne: hyggelig. Können Sie jetzt übersetzen oder nicht.
Lassen wir mal. Sprechen wir lieber weiter über deutsche Kreation. Beim Art Directors Club glaubt man nämlich auch, diese sei international bedeutender geworden. Teilen Sie die Ansicht?
Ich bin mir nicht sicher, ob die Reputation deutscher Kreation tatsächlich wächst. Lassen Sie es mich so ausdrücken: Ein zentrales Element in der Kommunikation ist Design. Ich glaube, letztlich ist alles Design. Und in dem Bereich sind die Deutschen stark. Die avantgardistischsten Arbeiten kamen schon immer aus Deutschland. Das gilt für Produkt- und Industriedesign ebenso wie für Magazingestaltung oder den Automobilbereich – denken Sie nur an Mercedes, BMW oder Porsche. Diese Entwicklung hält an. Aber fragen Sie mich jetzt bitte nicht nach aktuellen Beispielen.
Auf welchem Niveau bewegt sich die deutsche Werbung denn verglichen mit Ihrem Heimatmarkt, den USA?
Die USA sind ein spezieller Markt. Wir schenken dem, was außerhalb der Staaten passiert, noch immer viel zu wenig Beachtung, betreiben nur Nabelschau. Das ist schade. Unsere Agentur hat Europa-Büros in London und Schweden, und in beiden Fällen kommen einige Top-Kreative aus Deutschland. Bei Ihnen gibt es wundervoll traditionelle und brillante Agenturen wie Jung von Matt und Scholz & Friends. Die haben dazu beigetragen, der deutschen Werbung ein höheres Maß an Wahrnehmung zu verschaffen.
Was macht für Sie gute Werbung aus?
Ich kann Ihnen ein paar aktuelle Beispiele nennen: Die britische Kampagne "Walls" für den Farbenhersteller Dulux etwa und den Spot "Born on Fire" von Wieden + Kennedy für Chrysler. Auch das "unendliche Haus" von Heimat für Hornbach gehört dazu. Aber was heute State of the Art ist, kann morgen längst überholt sein.
Ein Dauerthema in der deutschen Kreativszene sindArbeiten, die allein zum Punktesammeln bei Kreativwettbewerben geschaffen werden. Wie wollen Sie mit den sogenannten Goldideen verfahren?
Da habe ich gemischte Gefühle. Einerseits handelt es sich um Betrug, weil kein echter Kunde im Spiel ist. Andererseits bin ich auch nicht vollkommen dagegen, denn ich glaube, es gibt Agenturen die Möglichkeit zu zeigen, wie sie denken und wie gut sie sein können. Allerdings sind meine Erwartungen an Fake-Arbeiten wesentlich höher. Wenn Sie also Fakes produzieren, müssen sie wirklich brillant sein.
Und wie soll Ihr Briefing an die ADC-Jury ausfallen? Müssen die Juroren bei der Wahl der Nagel-Gewinner sehr streng sein?
Da der Standard der deutschen Arbeiten allgemein sehr hoch ist, müssen es auch die Jurierungskriterien sein. Das erwarte ich.
In den vergangenen Wochen machte Crispin Porter + Bogusky Negativ-Schlagzeilen. Mit der Trennung von Burger King etwa.
Porter: Burger King war fast acht Jahre lang unser Kunde und davor bekannt dafür, Agenturen schnell auszutauschen. Es gab Wetten, wie lang es mit uns halten würde. Wahrscheinlich war es jetzt Zeit für sie, einen anderen Partner zu suchen, der zu ihren Vorstellungen passt. Etats kommen und gehen, wissen Sie, aber Veränderung ist positiv. 2009 war ein super Jahr für uns, 2010 dann relativ flach, weil sich der Verlust des Kunden Volkswagen auswirkte. 2011 dürfte wieder ein gutes Jahr werden, wir haben viel Neugeschäft.
Als da wäre?
Porter: Neben Milka haben wir bei Kraft den Etat für Macaroni & Cheese gewonnen. Discovery Networks UK betreuen wir im Digitalen, das Geschäft mit Microsoft haben wir mit der globalen Strategie für das Windows-Phone ausgebaut.
Das meiste Geschäft machen Sie aber nach wie vor in Amerika.
Bislang haben wir uns darauf fokussiert. In Europa haben wir momentan nur 150 Mitarbeiter. Aber das ändert sich gerade, Europa rückt in den Fokus. Wir haben Kunden mit globaler Perspektive, die in weiteren Märkten betreut werden wollen. Abgesehen davon gibt es hier viele kreative Talente, die wir gern für uns gewinnen wollen.
Chuck Porter hat W&V auch erzählt, wie Agenturen mit dem Thema Social Media umgehen sollten, was das Business 2011 nachhaltig ändern wird und mit welcher Arbeitsweise es Crispin, Porter + Bogusky gelungen ist, zu einer der wichtigsten Agenturen weltweit zu werden. Das vollständige Interview lesen Sie in der aktuellen Ausgabe der W&V (14/2011).