Was für Fragen?

Sie holen bei Ideen Input ein: Wie sieht das denn ein Wissenschaftler? Gibt es da psychologische Perspektiven, was sollten wir zur Farbwahrnehmung in China wissen, schmeckt Coca-Cola eigentlich überall auf der Welt gleich? Es kann wirklich alles sein. Daneben führe ich mit Studierenden längerfristige Projekte durch. Von unseren Abschlussprojekten versuchen wir jedes Jahr, ein bis zwei gemeinsam mit DDB anzuschieben. Es geht dann also um Themen, bei denen die Agentur nach Antworten sucht. Das sind dann Fragen wie die nach dem Einfluss von Musikarten auf Werbewirkung. Zu guter Letzt führen wir auch Forschungsprojekte direkt für die Agentur durch – beispielsweise, wenn ein Kunde seine Marke repositionieren will und es darum geht, welche Musik zum neuen Markenprofil am besten passt. Das testen wir dann systematisch.

Gibt es da Beispiele, die Sie nennen können?

Ich habe etwa für die DDB-Kunden VW und Nestlé mit Forschungsprojekten gearbeitet.

Sie werden auf dem Reeperbahn Festival einen Vortrag zur Wirkung von Musik in Werbung halten. Da geht es darum, dass Musik eher für das strategische Branding funktioniert, nicht zum Anschieben des Abverkaufs.

Ja. Es gibt ja zwei grobe Kategorien von TV-Kampagnen: Diejenigen, die auf Markenbildung und Branding setzen und die, die auf Abverkauf gehen. Was wir festgestellt haben, ist: Musik funktioniert gut für die Markenbildung und die Image-Aufladung. Bei Spots, die keinen konkreten Call to Action bewirken, sondern die Marke darstellen sollen, kann Musik viel bewirken. Wenn es darum geht, dem Konsumenten ins Ohr zu schreien "Du musst dieses Wochenende noch in den Elektronikmarkt", dann ist da wenig Spielraum für Musik. In dem Fall stört sie eher. Und da sie selten direkte semantische Konnotationen aufweist, gibt es nur wenige Stücke, die direkte Handlungsaufforderungen transportieren.

Könnten Sie näher ausführen, wie sich Musik bei der Markenpositionierung einsetzen lässt?

Sie müssen drei Dinge betrachten: Das Zielpublikum, die Charakteristika der Marke und die Eigenschaften der Musik. Die müssen Sie in Einklang bringen. Sie müssen also genau wissen, an welches Publikum Sie sich wenden. Je nach Zielgruppe unterscheidet sich, welche Art von Musik die Menschen gerne hören, welche Werte wahrgenommen werden und was ihre Lieblingsmusik ist – je nach Alter. Denn es gibt ja die Theorie, dass Menschen der Musik verbunden bleiben, die sie in ihrer prägenden Jugendphase gehört haben. Das grenzt das Musikuniversum ein.

Und dann?

Dann ist es sehr hilfreich, über die Marke gut Bescheid zu wissen. Große Marken besitzen ja normalerweise ein Markenprofil, legen schriftlich und visuell fest, für was die Marke stehen soll, was sie ist und was nicht. Wenn das zur Verfügung steht, können Sie Musik finden, die die positiven Teile dieses Profils abbildet. Für Menschen, die sich damit auskennen, Komponisten oder Toningenieure etwa, stellt das keine schwierige Aufgabe dar. Sie stellen da auch große Übereinstimmungen in den Bewertungen fest. Die Idee dahinter ist, Musik auszuwählen, die gut zur Marke passt. Also den Brand-Musik-Fit zu achten.

Da arbeiten Sie dann mit einem semantischen Differential.

Genau. Sobald Sie eine kleinere Anzahl von Musikstücken haben, die zur Marke passen könnten, lässt sich die Nähe zum Profil damit ermitteln. Das gibt ein quantitatives Instrument für die Entscheidung in die Hand. Musik wirkt vor allem auf die emotionale Verarbeitung. Das hat über einen längeren Zeitraum einen positiven Effekt auf die Markenwahrnehmung.

Lässt sich die Wirkung von Musik messen?

Ja, über Experimente mit Versuchspersonen und Tests, die Werbewahrnehmungsdimensionen abfragen. So, wie es etwa die GfK macht. Diese sind zwar etabliert, sagen aber über implizite, nicht bewusst verarbeitete Aspekte von Werbung wenig aus. Wir haben deshalb bei Adam & Eve DDB eine Reihe von alternativen Testverfahren ausprobiert. Etwa der Reaktionszeittest. Sie messen mit, wie schnell eine Antwort erfolgt. Je schneller die Antwort kommt, desto besser ist sie abgespeichert und assoziiert. In einer anderen Studie haben wir die Hautleitung gemessen und so emotionale Zustände ermittelt. Da müssen sie nicht mehr fragen.

Wir wissen ja aus anderen Untersuchungen zu Werbewirkung, dass Emotionen eine ganz entscheidende Rolle spielen. Da verfälscht die Rationalisierung, die Probanden bei Befragungen vornehmen.

Ja, trotzdem wird das meiste noch über Fragebögen erhoben.

Lässt sich ein Wirkintervall angeben, so über den Daumen?

Wir haben bei drei Untersuchungen Wirkintervalle zwischen 10 und 30 Prozent Effektivitätssteigerung durch passende Musik festgestellt. Das steht im krassen Gegensatz dazu, was bei einer Kampagnenproduktion für Musik ausgegeben wird. Der Budgetanteil liegt meist deutlich unter zehn Prozent. Die Aufmerksamkeit auch – Musik ist oft das letzte, das darunter gelegt wird. Über Skript oder den richtigen Regisseur machen sich Kreative viel länger Gedanken.

Marken versuchen ja oft, sich zu verjüngen, neue Zielgruppen anzusprechen. Teil dessen ist dann gern, dass das Audio-Signet oder die Erkennungsmelodie beibehalten, aber auf E-Gitarre umarrangiert wird. Ist das wirklich sinnvoll?

Es kommt auf die Ausführung an. Die Marke muss ja wiedererkennbar bleiben. Es gibt Beispiele von großen Marken, bei denen das furchtbar schief gegangen ist, weil man alte und neue Kunden nicht richtig angesprochen hat. Es gibt aber auch Fälle, in denen das sehr gut geklappt hat. Sie brauchen einen guten Komponisten und Arrangeur. Und Sie sollten testen.

Musik lässt sich ja nicht nur einsetzen, um das bekannte Image zu stärken, sondern auch, um sich umzupositionieren und die Aufladung zu verändern.

Ja, dafür ist sie durch die emotionalen Konnotationen gut geeignet. Und dadurch, dass sie sich vorher erarbeiten können, wie sie auf die Zielgruppe wirken dürfte. Sie müssen nur darauf achten, keine zu radikale Änderung vorzunehmen.

Das heißt, dann müsste es strategisch über einen längeren Zeitraum geschehen?

Ja, sie müssen dann graduell vorgehen. Für strategische Markenbildung mit Musik benötigen Sie Zeit. Da sehen Sie keine monetären Effekte innerhalb von drei Monaten. Sie brauchen daher einen Marketingverantwortlichen, der den Atem mitbringt, der das über ein Jahr bis anderthalb anlegt.


Autor: Ralph-Bernhard Pfister

Ralph Pfister ist Koordinator am Desk der W&V. Wenn er nicht gerade koordiniert, schreibt er hauptsächlich über digitales Marketing, digitale Themen und Branchen wie Telekommunikation und Unterhaltungselektronik. Sein Kaffeekonsum lässt sich nur in industriellen Mengen fassen. Für seine Bücher- und Comicbestände gilt das noch nicht ganz – aber er arbeitet dran.