Pitch-Boykott: So reagiert Deichmann
Lowcost-Pitch ohne Briefing? Nach der heftigen Kritik an seiner "Ideensammlung" argumentiert der Schuhfilialist u.a. mit "freiem Lauf für die Kreativität". Etathalter Grey war vorab informiert. W&V Online hat mit dem Unternehmen und mit Agenturchefs gesprochen.
Die Schuhhandelskette Deichmann reagiert mit Unverständnis auf den Boykottaufruf von Ogilvy-CEO Thomas Strerath, der an seine Agenturkollegen appellierte, nicht an der umstrittenen Ausschreibung zum 100-jährigen Deichmann-Jubiläum teilzunehmen.
Auf Anfrage von W&V Online weist das Unternehmen darauf hin, dass es "regelmäßig" von vielen Agenturen kontaktiert werde, "die uns ihre Ideen präsentieren wollen". Dies sei auch jetzt - im Vorfeld des anstehenden Firmenjubiläums - so. Mit der nun so heftig diskutierten Aktion habe man den Spieß einfach mal umdrehen wollen. "Das ist sicher ungewöhnlich", räumt das Unternehmen in einer Stellungnahme zu dem Vorgang ein.
"Wir haben bei unserer Aktion bewusst nicht gebrieft, weil wir der Kreativität freien Lauf lassen wollten", heißt es weiter. Den Agenturen stehe es dabei völlig frei, sich zu beteiligen. Die Hausagentur Grey sei im Vorfeld informiert und nicht außen vor gelassen worden. Eine Stellungnahme von Grey selbst zu der umstrittenen Ausschreibung liegt bislang nicht vor.
Deichmann hatte rund 20 Agenturen in einem Schreiben dazu aufgefordert, kreative Ideen zum anstehenden Firmenjubiläum beizusteuern. Bei Strerath hatte das Schreiben unter anderem deshalb Empörung hervorgerufen, weil es weder Briefing noch Angaben zum Budget enthielt. Dem Schreiben zu Folge soll jede der teilnehmenden Agenturen angeblich 2000 Euro erhalten, die Siegeragentur bekomme 10.000 Euro obendrauf. Darüber hinaus empört sich Strerath darüber, dass Deichmann mit der Siegeragentur keine Partnerschaft eingehen wolle.
Auf der W&V-Fanpage auf Facebook wird über das Thema heftig diskutiert. Unter anderen Agenturchefs (siehe Reaktionen unten in der Bildergalerie) erhält Strerath einerseits viel Unterstützung; andere machen aber auch darauf aufmerksam, dass das eigentliche Problem nicht auf Kundenseite, sondern bei den Agenturen selbst liege - da es immer genug Häuser gebe, die sich von sich aus anböten und es noch billiger machten.
"Der Grund, warum Auftraggeber sich Agenturen gegenüber so verhalten, hat auch damit zu tun, dass Agenturen durch ihr Handeln und durch ihren falschen Fokus jegliche Glaubwürdigkeit und Ansehen verspielt haben", meint der weltweite DDB-Kreativchef Amir Kassaei und verweist dabei auf die wachsende Kluft zwischen Goldideen einerseits und tatsächlicher Werbung andererseits.
Auch gehen die Meinungen darüber auseinander, ob es richtig war, dass Strerath öffentlich Ross und Reiter genannt hat. "Ich persönlich finde, der Name lenkt zu sehr vom Kern des Themas und von all den gleichartigen Fällen ab, die gleichzeitig passieren und über die nicht berichtet wird", sagt Achtung-Chef Mirko Kaminski, der im vergangenen Jahr in einem Online-Video öffentlich einen Gratis-Pitch absagte. Aber auch er findet: "Solche Vorkommnisse gehören diskutiert. Sie regen Unternehmen und vielleicht auch einige dieser willfährigen Agenturen zum Nachdenken an, die sich bereitwillig auf sowas einlassen und dabei außer acht lassen, dass sie sich so auf mittlere Sicht ihr eigenes Grab schaufeln." (mw/lhe)