Dass diese Slogans so erfolgreich wurden, liegt natürlich zum Teil auch am Budget, das in sie investiert wurde. Aber das ist eine faule Ausrede, weil die Spendings bei einem guten Slogan fast weniger wichtig sind als das reine Beharrungsvermögen und der Mut, einen guten Slogan auch nach einem Vorstandswechsel zu behalten. Wie gut etwas funktioniert, hat schließlich auch nichts mit der Marktdurchdringung zu tun: Der Jung-von-Matt-Slogan "Sind wir nicht alle ein bisschen Bluna?", kam 1995 zu einem Zeitpunkt, als die 50er-Jahre-Marke als Orangenlimonade auf dem Markt kaum noch eine Rolle spielte und bohrte sich trotzdem ins kollektive Gedächtnis.

38 Jahre lang war Milka "Die zarteste Versuchung, seit es Schokolade gibt" und dann 2011 war plötzlich Schluss und es hieß aus unerfindlichen Gründen plötzlich "Trau Dich, zart zu sein". Warum auch immer. Vermutlich, weil es kürzer ist und kürzer ist ja per se besser.  Aber was verdammt ist mit dem Rhythmus? Das ursprüngliche: Da dam da da dam dam dam, da da dam dam dam da war zwar nicht kurz, aber man kann es singen, trommeln und sagen. Und mal ehrlich: Was ist "Trau Dich, zart zu sein" noch für eine Botschaft? Will ich wirklich selbst zart sein oder will ich nicht viel lieber eine hellblaue Papierverpackung brutal aufreißen, die hauchdünne Aluschicht herunterfrickeln und in einen zarten Schmelz aus Vollmilch beißen, die von lila Kühen produziert wurde? Also ich schon.

Das erste Radioprogramm des Hessischen Rundfunks hatte zwischen 2010 und 2015 einen genialen Slogan der Agentur Consell: "HR1 – Und das Gefühl ist wieder da". Das passte zu einer Musikauswahl, die zwischen dem Mainstream-Geschmack von heute und dem Nostalgie-Pop der 1980er lag. Der Slogan hatte Herz und eine Botschaft, die sagte: "Was Du hier hörst, wird etwas in Dir zum Klingen bringen". Heute ist HR1 "Genau meins“"und bewegt sich damit im diffusen Niemandsland zwischen Allem und Nichts, zwischen Damenunterwäsche und Konfekt.

Den "Brille: Fielmann"-Trend, sich großspurig selbst zum "Deonym", also zum Gattungsnamen zu erklären, hat VW nach dem Abgasskandal hart ausgebremst: Ende 2015 verschwand ohne großes Aufhebens der Slogan "VW – Das Auto" und wurde durch "VW – Volkswagen" ersetzt. Man kann sicher davon ausgehen, dass es sich auch dabei nur um einen Zwischenschritt handelt, weil man dieser Lösung förmlich anmerkt, durch wie viele Gremien sie geprügelt wurde, bis schließlich jemand den erlösenden Satz sagte: "Lass uns doch einfach nur unseren Markennamen ausschreiben, damit kann man gar nichts falsch machen. Das ist in unserer Situation jetzt das Wichtigste."

Ein Slogan sollte Anker im Gehirn werfen, muss mit dem Unternehmen glaubwürdig verknüpft sein, einen Rhythmus haben, der nicht unbedingt mit seiner Kürze zu tun hat und eine Gestaltungsoffenheit, die es möglich macht, ihn auch unter oder hinter anderen Botschaften zu platzieren. Er sollte leicht auszusprechen sein, auf Fremdworte und Anglizismen verzichten und eventuell noch über eine Prise Humor oder eine positive Doppeldeutigkeit verfügen. Puh. Das alles zusammen ist so schwierig, dass man sich unwillkürlich fragt, warum so viele Unternehmen den Wert von gelungenen Slogans so geringschätzen, dass sie schon nach wenigen Jahren glauben, die Pferde wechseln zu müssen.

Der Autor: Peter Breuer ist Texter und W&V-Kolumnist. Manchmal parodiert er auch Tchibo-Prospekte.