Topfotografen gehen regelmäßig auf Tournee durch verschiedene Werbeagenturen und stellen dort mit ihre Mappe vor. Sechzehn von ihnen taten dies jüngst mit trojanischen Fotomappen: Auf einigen ihrer Aufnahmen waren Stellenanzeigen, mal mehr, mal weniger versteckt, die sich direkt an das Gegenüber AD wandten. "Und wann zeigst du uns deine Mappe? - Jung von Matt sucht ADs" lautet etwa ein eingebauter Text. "Wir haben ein paar Fotografen gefragt, mit denen wir arbeiten, und alle fanden es lustig und haben mitgemacht", erzählt Daniel Adolph.

Dabei ist unter anderem die Fotografin Anke Luckmann. Dass ihr das eine der aufzusuchenden Werbeagenturen übel nehmen könnte, glaubt Luckmann nicht. Schließlich sei die Aktion "eine lustige Idee und schön hintergründig", außerdem nur für den genauen Betrachter ersichtlich. Achim Lippoth hat direkt auf seiner Website selbst vor einigen Tagen die eingearbeiteten Stellenanzeigen offenbart. Bei Uwe Düttmann, der die Motive seit Oktober in der Mappe hat, hat sich noch keine Agentur beklagt über die Infiltrierung. Als ADC-Mitglied kennt er die Agenturleute gut und weiß: Selbst wenn sich manche besser verstehen, manche weniger, gegen eine gute Idee sperre sich niemand. Und die JvM-Kampagne sei eine "leichte, intelligente und charmante Idee", die wechselwilligen ADs zeige, dass sie sich hier auch mit kleinen, feinen Kreationen und ungewöhnlichen Medien ausleben könnten und nicht nur mit Großkunden, die bekanntlich neben Vor- auch Nachteile bergen.

Die Wettbewerber, die besuchten Agenturen, haben die Aktion im eigenen Haus gar nicht alle bemerkt. "Wir können nicht ausschließen, dass so eine Mappe bei uns im Haus war", heißt es etwa in einer Hamburger Kreativschmiede, "aber aufgefallen ist uns nichts." Ein anderer Agenturmann erklärt, Kreative blieben da, wo es ihnen am besten gefiele. Zudem sei seine Agentur selbstbewusst genug, das auszuhalten. So hat sich das Daniel Adolph ohnehin vorgestellt: Die Agenturleute gingen doch meist lustig miteinander um und die Branche habe durchaus die Größe, solche Stellenanzeigen mit Humor zu nehmen. Sein Fazit aus den Rückmeldungen, die ihm die Fotografen übermittelt haben: "Je größer die Agentur, desto besser kam es an." Eher mal "auf den Schlips getreten" hätten sich kleinere Agenturen gefühlt. Aber kein Fotograf habe bislang negative Konsequenzen tragen müssen dafür, dass er als trojanisches Pferd von Jung von Matt angetrabt ist.

Ein Video von der Mappe als Medium zeigt JvM online. Und meldet im Film als Erfolg: Die Zahl der Bewerbungen sei doppelt so hoch gewesen wie im Vorjahr. Genau könne man aber nicht sagen, welche nun regulär gekommen und welche aufgrund der Aktion eingegangen sind.

Die Personalakquise dürfte JvM Chancen auf Kreativpreise in der Kategorie Eigendarstellung bringen. Aufmerksamkeit - ebenfalls nicht ganz unbeabsichtigt - hat das Trojanische Recruiting auf jeden Fall schon mal erzielt. Und es ist ja nicht das erste Mal, dass JvM mit ungewöhnlichen Methoden bei den Wettbewerbern wildert: So hat die Agentur erst im Herbst mit Facebook Places die Adressen renommierter Kreativagenturen gekapert. Ebenfalls eine Personal-Kampagne von JvM/Neckar, platziert bei Neue Digitale/Razorfish, Interone, Fork Unstable Media, Kolle Rebbe, AKQA und Argonauten G2.

Beteiligt an der aktuellen Kampagne sind bei Jung von Matt/Neckar die Geschäftsführer Achim Jäger, Peter Waibel und Daniel Adolph, die CDs Phillip Barth, Holger Oehrlich, der AD Matthias Grotter und die beiden Texter Gert Schilling, Holger Diesinger. Postproduktion: Recom, Stuttgart. Die teilnehmenden Fotografen sind Uwe Düttman, Emir Haveric, Achim Lippoth, Anke Luckmann, Staudinger & Franke, Alexandra Klever, Ralph Baiker, Revo, Joe Hoelzl, Igor Panitz, Camilla Armbrust, Jörg Rothhaar, Alex Rank, Jan van Endert, Martijn Oort und Gregor Collienne.


Autor: Susanne Herrmann

schreibt als freie Autorin für W&V. Die Lieblingsthemen von @DieRedakteurin reichen von abenteuerlustigen Gründern über Medien und Super Bowl bis Streaming. Marketinggeschichten und außergewöhnliche Werbekampagnen dürfen aber nicht zu kurz kommen.