IHS-Studie:
Netflix ruiniert das DVD-Geschäft
Je besser verfügbar der Streaming-Dienst, desto niedriger die Ausgaben der Verbraucher für Kauf- und Leihvideos - weiß IHS Technology. Das gilt vorerst für die USA und Großbritannien.
"Video killed the Radio Star" war vorgestern. Heute müsste ein vergleichbarer Songtitel lauten: "VoD killed the Video Market." Sperrig, zugegeben. Tatsächlich aber sieht es so aus, als zerstöre Netflix das Geschäft mit Kauf- und Leihfilmen und Serien. DVD, Blue-Ray, VHS? Braucht keiner, der Filme und Serien streamt. Zumindest nicht in den USA und Großbritannien. Je besser verfügbar der Streaming-Dienst, desto niedriger die Ausgaben der Verbraucher für Kauf- und Leihvideos. So knallhart wirkt sich VoD auf den Markt mit gegenständlichen Filmen und Serien aus, ermittelte IHS Technology. Die Studie heißt denn auch: "Did Netflix Kill the Physical Video Market?".
In den USA gaben die Verbraucher vor dem Start von Netflix 2007 bereits jedes Jahr weniger für DVDs aus - im Schnitt jeweils 1,2 Prozent weniger. Seit 2010 jedoch - dem Jahr, in dem Netflix in den USA überall technisch verfügbar war -, gehen die Ausgaben für DVDs und Blue-Rays um durchschnittlich 10,3 Prozent zurück, und das jedes Jahr. "Die Daten belegen, dass sich der Markteintritt von Netflix auf das Verhalten der Konsumenten spürbar auswirkt. Und das sogar in einem Land, wo es vorher schon Streamingdienste gab", sagt Helen Davis Jayalath, Marktforscher bei IHS Technology. "Filme und Serien sind nicht nur der Erfolgsfaktor bei den Netflix-Abonnenten, sondern eben auch das Rückgrat der Home-Entertainment-Branche, die damit 80 bis 90 Prozent ihrer Umsätze macht."
In Großbritannien haben sich die Film-DVD-Verkäufe halbiert, seit 2008 der erste SVoD- (Streaming im Abo-Modell)-Dienst auf den Markt kam. Das düsterste Jahr für Filme auf DVD war 2012: Netflix startete in England, die DVD-Verkäufe brachen um 14,5 Prozent ein. Noch schlimmer erwischte es die Serien-Verkäufe: Seit 2012 liegen die Einbußen bei durchschnittlich 14 Prozent jedes Jahr, die Ausleihen brachen insgesamt um rund 75 Prozent ein.
Dummerweise kompensieren die Ausgaben für Netflix die Rückgänge nicht. Das heißt: Insgesamt sinken die Ausgaben der Verbraucher für Filme und Serien. 2006 lagen die in den USA auf Rekordniveau: bei 20,9 Milliarden Dollar für Ausleihe und Kauf. 2015 waren es, VoD-Dienste eingerechnet, 17,3 Milliarden (17 Prozent weniger). In England hatte Amazon schon seit 2008 den Boden für Netflix (ab 2012) bereitet. "Die Briten lieben SVoD", sagt Helen Davis Jayalath. Dementsprechend lagen die Ausgaben für Filme und Serien bei mal 1,8 Milliarden Pfund im Jahr 2015 - bereits 26 Prozent davon macht Streaming aus. Dennoch liegen die Ausgaben insgesamt jährlich rund 82 Millionen Pfund weniger aus als vor dem Netflix-Start und sind um 20 Prozent (474 Mio. Pfund) eingebrochen, seit Amazon mit Lovefilm den englischen SVoD-Markt erschlossen hat.
Ganz so bedrohlich wird sich das auf dem deutschen Markt wohl nicht auswirken, denn ein Großteil des Erfolgs von Netflix basiert auf Inhalten, die zum Markt passen - bislang weitgehend englischsprachiges Material, dass in den USA, England - und Australien funktionieren dürfe. Dort erwarten die IHS-Forscher einen ähnlichen Effekt, sobald Netflix sich verbreitet hat. Allerdings: Mit "Dark" sind die Streamer jetzt immerhin ganz konkret in die Planung für ein deutsches Format eingestiegen - mit mehr darf man rechnen.
Dennoch liegt eher der Vergleich mit Japan nahe: Den Markt beackert Netflix wie den australischen seit 2015, in Deutschland ist der Dienst seit 2014 verfügbar. "Der Schlüssel zum Erfolg in Japan", sagt Davis Jalayath, "sind nicht US-Filme und -Serien, sondern regionale Inhalte."