Wirkt sich der Relaunch einer Zeitung zwangsläufig positiv auf die Verkaufszahlen aus? Welche Erfahrung haben Sie bei Ihren Projekten gemacht ("F.A.S", "FTD" etc.)? Können Sie uns konkrete Beispiele nennen, in welchen Fällen die Umgestaltung bemerkenswerte Ausmaße gezeigt hat - positiv als auch negativ?

Tatsächlich sind viele Redesigns defensive Maßnahmen, um Auflagen zu stabilisieren und jüngere Leser zu interessieren. Große Auflagensprünge gibt es nur in Ausnahmesituationen. Bei uns waren das zum Beispiel die "F.A.S." und die "taz". Es gab auch einige Supergaus in Deutschland, an denen wir Gott sei Dank nicht beteiligt waren - Namen will ich keine nennen. Es ist aber extrem wichtig, am Blatt inhaltlich und optisch zu arbeiten. Sie erarbeiten sich damit Chancen für Probeabos, neue Gespräche im Anzeigenverkauf. Der Redaktion macht es auch Spaß, sich mit dem Begriff "Zeitung" grundlegend zu beschäftigen. In allen Redesign-Projekten entstanden auch wichtige Ansätze für digitale Projekte. Weil die grundsätzliche Bereitschaft da ist, Neues zu wagen. Und wir sind trotz aller Zuversicht auch in einem Wandel zum Digitalen. Die gedruckte Zeitung ist eines der besten Instrumente, um dem Verlag durch Imagetransfer dauerhaft Chancen in der digitalen Welt zu erarbeiten. In einem Punkt hat Herr Kister ja Recht: Ich wünsche mir in den Redaktionen stärkere Art Direktoren, die die Blätter selbstständig weiter entwickeln. Das muss die Redaktion aber auch zulassen.

Zum Neugestaltungsversuch anderer Blätter schrieb Chefredakteur Kister am Montag in der "Süddeutschen": "Der große Relaunch unter Assistenz eines österreichischen oder spanischen Design-Schamanen erfreut oft die Leser mäßig und hebt die Abozahlen wenig." Fühlen Sie sich von dieser Aussage angesprochen? (Anm. d. Red.: Kircher stammt aus dem österreichischen Klagenfurt.)

Schamane finde ich super, das führe ich jetzt bei uns auch ein! Ich war ja vor einiger Zeit eingeladen zur Blattkritik und habe da unter anderem aufgefordert, nicht auf Designer zu hören, die meinen, "kürzer" ist "moderner". Das hat noch nie funktioniert bei Qualitätszeitungen. Warum Herr Kister mir diesen Rat in seinem Text nun zurück gibt, weiß ich nicht. Vielleicht ist das eher ein Signal nach innen, ist ja eine sehr meinungsstarke Redaktion mit unterschiedlichen Ansichten. Ein kluger Journalist hat mir mal gesagt: "Jede Zeitung ist ein schwarzes Brett, auf dem Journalisten für ihre Kollegen Nachrichten hinterlassen." Na ja. Ich liebe die "Süddeutsche" genau dafür. Das ist einfach eine der großen Zeitungen Deutschlands.

W&V online sprach mit einem weiteren Zeitungsdesigner: Wie Norbert Küpper, der Gründer des European Newspaper Award, das neue Layout der "SZ" findet, erfahren Sie hier