Wie sehen Sie das – was muss ein Forenbetreiber oder in diesem Fall eine Zeitung, die Kommentare zulässt, tun, wenn sich beleidigende Inhalte in die Kommentare hineinschmuggeln?

Ein Forenbetreiber sollte umgehend Beleidigungen oder sonstige rechtsverletzende Äußerungen von der Seite herunternehmen – schließlich haftet er im Rahmen der sogenannten Störerhaftung selbst für Äußerungen Dritter. Zwar denken viele Betreiber, dass jedwede Kommentare durch die Meinungsfreiheit gedeckt seien, aber das ist so nicht richtig. Die Meinungsfreiheit ist natürlich weit gefasst und auch  sehr herbe Kritik ist hier immer noch erlaubt. Aber sobald es ehrverletzend wird, geschäftsschädigend oder jemand grob herabgesetzt wird, hat der Beleidigte das Recht auf seiner Seite – denn Rechtsverletzungen wie Beleidigungen sind von der Meinungsfreiheit eben nicht geschützt.

Und was ist mit dem Datenschutz? Haben die Kommentatoren nicht ein Recht darauf?

Nein, denn das Recht des Verletzten wird in einem solchen Fall vorgehen. Man muss sich bewusst machen, dass einerseits der beleidigende Kommentator schon selbst über das Recht getreten ist. Und andererseits wissen, dass der Beleidigte ohne die Auskunft auch relativ hilflos dastehen würde – er könnte zwar Unterlassung gegenüber dem Forenbetreiber verlangen, aber der Kommentator könnte natürlich überall woanders seine Beleidigungen loswerden. 

Was würden Sie also einem Forenbetreiber raten zu tun?

Grundsätzlich würde ich jedem Forenbetreiber oder jeder Publikation dazu raten, bei der Anmeldung auf richtige Daten wie Name und Adresse zu bestehen. Denn im Zweifel haftet der Forenbetreiber für die Äußerungen Dritter – wie bereits gesagt - selbst. Insoweit ist die Erhebung von möglichst richtigen Daten der User im ganz eigenen Interesse. Ich denke, exakt diese Haftung ist auch der Grund dafür, dass man sich bei der 'Augsburger Allgemeinen' mit (echtem) Namen anmelden muss. Das bedeutet natürlich nicht, dass ein User unter Realnamen nach außen auftreten muss, in die Öffentlichkeit kann der User dann mit einem Pseudonym treten.

Also müssten sie die Daten des Urhebers vorliegen haben. Aber mal umgekehrt gefragt: Was kann denn jemand tun, der sich verunglimpft fühlt?

Wenn er mit einer freundlichen Anfrage beim Forenbetreiber nicht durchkommt, dann würde ich ihm raten, sich einen Anwalt zu suchen. Denn wie man Auskunft über die Nutzerdaten erlangt, ist derzeit noch nicht endgültig geklärt: Das Amtsgericht München verneint den zivilrechtlichen Auskunftsanspruch und weist den Weg über die Staatsanwaltschaft an. Meines Erachtens ist das in der Sache falsch und bedeutet dazu eine erhebliche Hürde für den Verletzten. Das Oberlandesgericht Dresden hingegen hat in einem Hinweisbeschluss ausgeführt, dass einem Beleidigten der allgemeine zivilrechtliche Auskunftsanspruch zustehen muss.  Er kann seinen Auskunftsanspruch gerichtlich durchsetzen und dann gegenüber dem Verletzer Unterlassung und unter Umständen auch Schadensersatz verlangen. Wie oben bereits erwähnt, kann der Unterlassungsanspruch auch gegenüber dem Forenbetreiber durchgesetzt werden und in besonderen Fällen diesem gegenüber auch Schadensersatz verlangt werden.

Glauben Sie, dass Klagen in diese Richtung zunehmen werden?

Ganz sicher. Dem Geschädigten wird immer mehr bewusst, dass das Internet kein rechtsfreier Raum ist. Er weiß: Ich kann jederzeit bei den Gerichten um Hilfe ersuchen. Ein (etwas hinkender) Vergleich mit der Yellow Press ist hier vielleicht ganz anschaulich:  Die Yellows sind in ihrer Berichterstattung im Laufe der Jahre immer tiefer in die Privat- und Intimsphären eingedrungen. Hiergegen haben sich die Prominenten mit Klagen gewehrt. Inzwischen gibt es eine umfängliche Presse-Rechtsprechung, die die Rechte der Presse einerseits und die der abgebildeten Personen andererseits relativ klar definiert. Die Grenzen sind sozusagen abgesteckt.

Aber ein gewisser Kanon für den korrekten Umgang im Web  - ist das nicht noch ein langer Weg?

Jein. Es gibt schließlich kein neues Recht. Also ist klar, dass beispielsweise Beleidigungen nicht nur nicht in Ordnung, sondern sogar strafbar sind - und dass natürlich auch im Internet! Dennoch tauchen in neuen Zusammenhängen natürlich immer wieder auch neue Fragen auf. So wie hier vorliegend, ob und auf welcher Grundlage Forenbetreiber die Nutzerdaten von Personen herausgeben müssen. Wie bereits gesagt, fehlt es hier noch an einer höchstrichterlichen Entscheidung vom BGH. Aber ich bin mir sicher, diese wird, wie so viele andere, auch noch kommen. Und vermutlich wird der (zivilrechtliche) Auskunftsanspruch auf Nutzerdaten gegenüber Forenbetreibern in Fällen von Beleidigungen oder sonstigen Persönlichkeitsverletzungen in ein paar Jahren Gang und Gäbe sein. Es wird also allenfalls noch kurz der Hausjurist auf den Kommentar gucken und im Fall der Persönlichkeitsrechtsverletzung sagen: "Okay, gebt die Daten raus".  


Autor: Anja Janotta

seit 1998 bei der W&V - ist die wohl dienstälteste Onlinerin des Hauses. Am liebsten führt sie Interviews – quer durch die ganze Branche. Neben Kreativ- und Karrierethemen schreibt sie ab und zu was völlig anderes - Kinderbücher. Eines davon dreht sich um ein paar nerdige Möchtegern-Influencer.