Warum steigt die RTL-Familie aus dem Antennenfernsehen aus? Dafür gibt es mehrere Gründe. Man sieht in Köln nach eigenen Angaben vor allem zwei Kernvoraussetzungen für die Aufrechterhaltung des Verbreitungsweges DVB-T nicht erfüllt: die politische Planungssicherheit und das belastbare Geschäftsmodell. Der Appell an die Politik hatte stets damit zu tun, dass die digitalen Frequenzen große Begehrlichkeiten bei den expandierenden Telekommunikationskonzernen geweckt haben. Wo TV übertragen wird, könnte auch der Mobilfunk mehr Kapazitäten nutzen. Dass Länder und Bundeswirtschaftsministerium den Sendern zusichern, auf lange Sicht die teuren digitalen Frequenzen nutzen zu können – das sieht Marc Schröder nicht. Der Geschäftsführer von RTL Interactive und Mitglied der Geschäftsleitung der Mediengruppe RTL Deutschland ist für die Strategische Unternehmensentwicklung verantwortlich. Er bezweifelt gegenüber W&V Online, ob Sender hohe Millionensummen in DVB-T und den möglichen Ausbau zum leistungsstärkeren DVB-T2 wagen können: "Ein durch Bund und Länder gemeinsam garantierter stabiler Verbleib der terrestrischen Frequenzen im Verfügungsbereich des Rundfunks auch über das Jahr 2020 hinaus, der das erforderliche Investitionsvolumen im mittleren zweistelligen Millionenbereich allein für die Mediengruppe RTL Deutschland rechtfertigt, ist nicht erkennbar."

Für RTL ist DVB-T alles andere als rentabel – wie Schröder durchblicken lässt. 95,8 Prozent des Gesamtmarktanteils der Mediengruppe kommt von Zuschauern aus dem Kabel, digitalem Satellit und IPTV. Obwohl der terrestrische Übertragungsweg bereits vor über zehn Jahren gestartet ist, betrug der Marktanteilsbeitrag von DVB-T bei den Sendern der RTL-Familie im Jahr 2012 im Durchschnitt nur 4,2 Prozent. Noch dazu hat DVB-T erheblich weniger Bandbreite bei hohen Kosten: 30 Programme können über die digitale Antenne an den Zuschauer gebracht werden, 117 erreichen ihn via Satellit und 93 via Kabel. Daher ist DVB-T - bezogen auf erreichte Haushalte - laut Rechnung der Kölner der "mit Abstand teuerste Übertragungsweg, 30 Mal so teuer wie Satellit".

Apropos DVB-T2: Die öffentlich-rechtlichen Sender haben Ende 2012 in Aussicht gestellt, dass sie das digitale Antennenfernsehen weiterentwickeln wollen. DVB-T2 – Feldversuche liefen in Norddeutschland – bietet bei mehr Bandbreite und höherer Datenkompression die Möglichkeit, dass die datenintensiveren HD-Programme übertragen und Sender auch verschlüsselt werden können. Dort kann dann beispielsweise auch Abofernsehen stattfinden. Aber dass es soweit kommt – da sieht RTL-Mann Schröder schwarz: "Darüber hinaus wäre eine Zukunft der Terrestrik für viele Sender unter stabilen ökonomischen Rahmenbedingungen nur verschlüsselt möglich. Die dazu notwendige Fortentwicklung der Terrestrik in diese neue zukunftsfähige Form ist nur mittels eines Umstiegs der gesamten Branche denkbar. Insoweit lassen weder die Bundesländer noch die verschiedenen Regulierungs- und Aufsichtsbehörden den notwendigen Willen erkennen, ein solches Projekt zu unterstützen." Dabei sind gerade TV-Konzern wie RTL oder auch ProSiebenSat.1 derzeit eifrig dabei in neue Technologien, in HDTV und auch in Pay-TV zu investieren. Nur dafür erscheint den Kölnern der Übertragungsweg über die digitale Terrestrik nicht mehr geeignet.

Marc Schröder resümiert: "Trotz intensiver Bemühungen der Infrastrukturbetreiber sehen wir bislang kein ökonomisch tragfähiges Geschäftsmodell." Dem Thema Terrestrik an sich steht der Konzern eigentlich weiterhin aufgeschlossen gegenüber – gehört die Mediengruppe doch auch zu den Partnern der DVB-T2-Feldversuche in Deutschland. Anders die Sicht der Dinge in Österreich, wo die RTL-Familie ebenfalls aktiv ist. So befinde sich die Gruppe derzeit in Verhandlungen zu einem DVB-T2 Projekt in der Alpenrepublik, heißt es. Im Unterschied zu Deutschland seien dort die Rahmenbedingungen - verschlüsselte Verbreitung sowie eine langfristige Planungssicherheit durch die Sicherstellung der notwendigen Frequenzressourcen – "deutlich positiver zu bewerten", so Schröder. "Daher setzen wir uns dafür ein, diesen Bereich des Frequenzspektrums auch weiterhin einer primären Verbreitung durch den Rundfunk vorzubehalten - welche Technologie hierfür im deutschen Markt die richtige sein wird, werden die kommenden Monate zeigen", meint Schröder.

Mit den RTL-Sendern fehlen dem digitalen terrestrischen Fernsehen, das nur rund drei Prozent aller deutschen Haushalte mit TV-Signalen versorgt, wichtige Zugpferde. Neu ist so ein Schritt aber nicht: Kleinere Stationen wie Tele 5 oder Sport1 verzichten schon lange auf den Verbreitungsweg - wo es nur geht. Sie sind beispielsweise an ihrem Senderstandort München nicht im DVB-T-Netz vertreten.


Autor: Petra Schwegler

Die @Schweglerin der W&V. Schreibt seit mehr als 20 Jahren in Print und Online über Medien - inzwischen auch jede Menge über Digitales. Lebt im Mangfalltal, arbeitet in München.