So viele Fehler!

Was ist nur schief gegangen? Alles.

Erstens: Für den unbedarften Zuschauer wird nicht klar, dass es sich um eine Aktion einer NGO handelt, die schon mehrfach tatsächlich durch private Seenotrettung von sich reden gemacht hat. Damit fällt der NGO-Bonus in der Rezeption ebenso weg wie die Street-Credibility einer Gruppe, die dort einspringt, wo's weh tut. Stattdessen sieht der Zuschauer Politiker (die mag er sowieso nicht), vor allem von den Parteien der Berufsbetroffenen (noch schlimmer) und die setzen sich selbst in Szene, ohne dafür ein persönliches Opfer zu bringen. Schrecklich.

Zweitens: Dass die Medien jegliche Distanz aufgegeben haben, gereicht den Aktivisten in diesem Fall nicht zum Vorteil. Wenn Spiegel Online, statt die Hintergründe zu durchleuchten, noch die passende musikalische Untermalung zum Video liefert, fühlt sich der Zuschauer zu Recht verarscht. So geht Journalismus nicht. Alles wirkt wie eine koordinierte Kampagne, in der NGO, Politik und Medien an einem Strang ziehen. Wer da nicht misstrauisch wird, hat ein ungesundes Verhältnis zur medialen Öffentlichkeit.

Und drittens: Die Aktion ist zynisch und menschenverachtend. Es handelt sich um eine billige Solidaritätssimulation. Als könnte eine Schlauchboottour auf der Spree auch nur ansatzweise vermitteln, was Menschen durchmachen, die tagelang in überfüllten unsicheren Booten auf dem Mittelmeer ausharren.

Fähigkeit zur Selbstkritik?

Sea Watch und alle an der Erstellung des Videos Beteiligten haben ein Eigentor geschossen. Vom Standpunkt einer verantwortungsvollen Öffentlichkeitsarbeit gilt es jetzt, Schadensbegrenzung zu betreiben. Dazu würde vor allem gehören, sich von der unter NGO-Aktivisten und auch in der Politik verbreiteten Vorstellung zu verabschieden, man sei im Besitz der absoluten Wahrheit und jeder Kritiker bestätige nur die eigene Position. Man darf gespannt sein, ob sich Sea Watch in den nächsten Tagen zu ein wenig Selbstkritik durchringen kann.

Ich prophezeie: Nein.

Der Autor:

Hasso Mansfeld ist Kommunikations- und Strategieberater. Er gehörte zum Autorenkreis von The European und schreibt heute für das Meinungsportal Die Kolumnisten. Mansfeld kandidierte 2014 als FDP-Mitglied für das Europäische Parlament. Er lebt und arbeitet in Bingen am Rhein.