Als "transmediale" Formate bezeichnet der Booz-Berater die neuen Unterhaltungs- oder Gameshow-Konzepte, die sowohl im konventionellen TV als auch auf ergänzenden Plattformen wie Facebook über das Smartphone oder das Tablet stattfinden. Dabei können etwa parallel zu einer Soap Zuschauerkommentare oder Gaming-Anwendungen aufgebaut werden, die Elemente aus dem TV zeitnah aufnehmen und wiederum die Entwicklungen der Serie beeinflussen. Über soziale Netzwerke und Charakter-Tweets verbreiten sich weitere Informationen, die zum Engagement der Zuschauer beitragen. Blum: "Diese Art des Unterhaltungsfernsehens aber entspricht genau den Bedürfnissen der Digital Natives. Das Storytelling muss sich von einem traditionellen linearen Ansatz zu einem nicht-linearen entwickeln, in dem viele Geschichten parallel ablaufen."

Beispiele: Zum Launch der US-amerikanischen Vampir-Serie "True Blood" wurde eine fiktionale mediale Parallelwelt mit einer Dating-Seite für Vampir-Begeisterte, Twitter-Konten für alle Charaktere und das Angebot von "V-Blood"-Blutorangensäften in Supermärkten aufgebaut. Der deutsche TV-Sender RTL II sei mit einem solchen Konzept rund um die Scripted-Reality-Serie "Berlin Tag & Nacht" bei den jungen Mediennutzern sehr erfolgreich, so die Booz-Analyse. Auch Nachrichten müssen demnach neben journalistischen Inhalten auch Entertainment aufweisen. US-Produzenten antworten auf diese Entwicklung mit einem neuen Konzept: Sendungen wie "Daily Show" und "The Young Turks" würden Authentizität, Entertainment, Anspruch und Perspektive kombinieren und so zum Zuschauermagneten werden, heißt es in der Auswertung. "TV-Sender müssen ihre journalistischen Inhalte adaptieren. Sonst brechen ihnen vor allem die jungen Zuschauer weg", meint Blum.

Hinzu kommt: Der Lifestyle der "Always On"- Generation sei wesentlich weniger strukturiert als der ihrer Vorgänger. "Geprägt von einer kurzen Aufmerksamkeitsspanne wechseln Digital Natives zum Beispiel 27 Mal pro Freizeitstunde zwischen Medienplattformen hin und her", so die Studie. Relevante Inhalte zögen sie sich in einer Art "Informationsosmose" aus den unterschiedlichsten Quellen zusammen. Booz geht auch auf Konzepte von übermorgen ein, an denen gerade gearbeitet wird. Sie führen "Massive Multiplayer Online Games" mit der Welt des TV zusammen und erlauben den Zuschauern, sich in dem Kontext des Online-Spiels mit vielen anderen Tausenden aktiv in eine Story einzubringen. Laut der im Kontext der Medientage München vorgestellten Studie sollen bis zu 20 solcher Formate bis 2020 entstehen.

Reagieren die Sender nicht, hat Booz auch ein Negativszenario parat: "Schenken die jungen Zuschauer den traditionellen Sendergruppen mit ihren klassischen Formaten nicht länger ihre gesamte Aufmerksamkeit, beeinflusst dieses gravierend die Wahrnehmung von Fernsehwerbung, die mit ohnehin weniger Zuschauern droht, als Werbemittel ineffektiver zu werden."

Passend zur Booz-Analyse melden sich ein junger deutscher TV-Protagonist zu Wort: Fernsehmoderator Jan Böhmermann fordert einen Generationswechsel im deutschen Fernsehen. Den Spartenkanal ZDFkultur, auf dem er die Talkshow "Roche&Böhmermann" moderiert, hält der TV-Macher eher für eine Art "Warmhalteplatte". "Das Ziel ist RTL, 20.15 Uhr, Samstagabend", so Böhmermann im Interview mit dem Medienmagazin "Journalist" (November-Ausgabe).

Der 31-Jährige gehört zu einer Riege junger Fernsehmacher, die derzeit zwar in Spartensendern auf sich aufmerksam machen, im Hauptprogramm allerdings nur selten eine Chance bekommen. Mit dieser Rolle wolle er sich jedoch nicht zufriedengeben. "Wir wollen nicht darauf warten, dass die Alten wegsterben und dann erst ihre Plätze einnehmen", so Jan Böhmermann. "Wir wollen uns selber in die Bulldozer setzen." Das Fernsehen verschwende zu viel Sendeplatz mit "Egalem" und nehme so in Kauf, dass sich immer mehr junge Menschen von dem Medium abwenden. Böhmermann: "Wir haben eine Vorstellung, wie Fernsehen aussehen muss, damit es Leuten unserer Generation gefällt." Und: "An unserem Schattenkabinett führt kein Weg mehr vorbei. Man kann uns nicht einfach überspringen, wenn das Fernsehen weiter bestehen soll."


Autor: Petra Schwegler

Die @Schweglerin der W&V. Schreibt seit mehr als 20 Jahren in Print und Online über Medien - inzwischen auch jede Menge über Digitales. Lebt im Mangfalltal, arbeitet in München.