Dann geht’s ans große Geldverteilen. Doch wie entsteht das Budget für die einzelnen Medien? TV wird überwiegend nach GRPs pro Woche geplant - wie noch vor Jahrzehnten: 80 GRPs sollten es schon sein. Im Radio macht man halt ein paar Ausstrahlungen pro Tag, am besten während der Drive Time. Und bei Print setzt man - wenn überhaupt noch - brav ein paar Kreuzchen in den Streuplan. Zugegeben, manchmal wird auch nach Reichweite optimiert und die Kontaktdosis definiert, ganz selten wird sogar gemodellt. Die Erkenntnisse daraus werden dann in Stein gemeißelt - für jede Kampagne und jede noch so andersartige Botschaft.

Besser ist, der Kunde fragt erst gar nicht danach, wie man auf den Etat für jedes Medium kam. Da geraten selbst erfahrenste Mediaplaner in Erklärungsnot und auf Glatteis.

Lemming-Media

Kein Wunder also, dass sich die Kunden immer häufiger fragen, was ihre Mediaagenturen da treiben. Sie treiben Bauchgefühl. Oder nennen wir es „Erfahrung“. Richtiger jedoch wäre, wir nennen wir es "Lemming-Media": Man macht das, was die anderen auch machen. Und wundert sich, dass nichts passiert. Der weise Spruch "Die Definition von Wahnsinn ist, immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten" stammt von Albert Einstein und gehört als Screensaver auf den Rechner jedes Mediaplaners und Mediaentscheiders.

Was fehlt, sind echte Mediastrategien, die es verdienen, so genannt zu werden. Und Medien- und Etat-Empfehlungen, die sich begründen lassen. Weil sie beispielsweise auf einer Strategie beruhen. Wenn die jedoch fehlt, bleibt einem nichts anderes übrig, als das zu tun, was alle tun. Das kann, so der allgemeine Glaube, nicht gänzlich falsch sein und macht einen als Urheber des Unsinns vermeintlich unangreifbar. Dass sich damit aber auch keine Media-, Werbe- und Marketingerfolge erzielen lassen, erscheint auch ziemlich logisch. Und schon haben wir den Salat. Lemminge im Salat, quasi. Und Werbekunden, die ziel-, strategie- und sinnlos mit ihrem Mediageld durch die Medienwelt irren.

Disrupt your media plan!

Wir reden in diesen Tagen so viel über Disruption - und meinen damit die Medienwelt und das Mediennutzungsverhalten unserer Zielgruppen. Keinesfalls aber lassen diese Disruption in unsere Mediapläne eindringen. Die meisten Mediapläne sehen aus wie die im Vorjahr und 2016 machen wir halt ein bisschen mehr Mobile. Warum disruptieren wir eigentlich nicht endlich auch unsere Mediapläne? Warum machen wir sie nicht für unsere Zielgruppen genauso unterscheidbar wie die Positionierungen der uns anvertrauten Marken und deren Werbekampagnen? (Nun gut, ich ging jetzt vom „best case“ aus…)

In ihrem lesenswerten Buch "Werbung auf der Couch" schreibt Ines Imdahl: "Durch Penetranz wird ein schlechter Werbespot oder Claim nicht attraktiver. Dann ist er ein lästiger Stalker oder ein aufdringliches Groupie. Werbung nervt oft genau damit. Die Wirkung der Werbung braucht, wenn sie gut ist, nicht mehr als drei Wiederholungen." Sagt die anerkannte Psychologin. Warum lassen wir uns nicht häufiger von anderen Professionen, Menschen und Körperteilen inspirieren als immer nur unserem Bauch - und von Lemmingen?

Werfen wir einen Blick auf Apple. Irgendwas machen die anders und besser als andere Marken. Weil das jedes Kind weiß, gehe ich nicht weiter darauf ein. Aber ein Blick auf ihren Mediaplan sei erlaubt. Macht die wertvollste Marken-Ikone der Welt auch hier etwas anders? Haben sie eine Mediastrategie und einen Media-Mix, der sich von anderen sichtbar unterscheidet?

Wie der "Ad Contrarian" verdutzt feststellt ("Despite being the world’s premier technology company, and one of the world’s most successful online transactional marketeers, the overwhelming majority of Apple’s advertising money is spent on traditional advertising."), investiert Apple sein Mediageld fast ausschließlich in TV, Outdoor und Print. Es gibt keine Displaywerbung, keine Banner, keine “sponsored posts” bei Facebook, nicht mal einen Account bei Twitter. Bob Hoffman schließt mit der Frage: "What have the wizards of the marketing and advertising industry learned from this?" Die Antwort können wir uns denken. Sie lautet: Nichts, rein gar nichts.

Nun will ich Sie keinesfalls auffordern, Ihre Online- und Social Media-Etats einzustampfen. Sondern Ihren Media-Mix für 2016, an dem Sie gerade arbeiten, in Frage zu stellen.

Hören Sie auf das zu tun, was andere machen.

Entwickeln Sie Ihre eigene Mediastrategie - eine, die sich erkennbar von den Wettbewerbern unterscheidet. (Übrigens, Ihre Zielgruppe merkt das!).

Entwickeln Sie eine Strategie, die jedem Medium eine klare Rolle zuweist und damit das Gewicht jedes Mediums begründet.

Und wenn Sie unbedingt die Strategie eines anderen kopieren müssen, dann kopieren Sie wenigstens von den Siegern.

Wenn Sie in sechs Wochen immer noch keine eigene Strategie haben, können Sie Ihre Mediaagentur immer noch feuern. 

* Thomas Koch, Agenturgründer, Ex-Starcom-Manager, "Wirtschaftswoche"-Kolumnist, Buchautor und Herausgeber von "Clap" und Media-Persönlichkeit des Jahres, bloggt seit 2013 für W&V. Er ist "Mr. Media"


Autor: Thomas Koch

Eine Ikone der Branche. Der Agenturgründer und frühere Starcom-Manager kennt in der Media-Branche alles und jeden. Thomas Koch ist Mr. Media.