Aber Thomas Knüwer hat als damaliger Chefredakteur im "Wired-Blog" und anderweitig einfach mehr losgetreten, mehr Einblicke gewährt. Jetzt? Jetzt gab es auf Wired.de außer Redaktionsfragebögen nicht viel. Die Einblicke in die Themen, in das, was die Redaktion bewegt hat: Sie bestanden aus dem leeren Cover, vier Fotos, einem kurzen Text zum Cover-Shooting. Nichts davon hat nach heutigem Stand große Resonanz bei Twitter oder Facebook ausgelöst. Wie auch? "Das ist die Hintergrundfarbe unseres Covers" ist eigentümlich inhaltsleer für einen Teaser. (Nebenbei bemerkt hätte ich es "Wired"-mäßiger gefunden, dann einfach den hexadezimalen Farbwert zu nennen statt die Farbe zu zeigen, aber gut.)

Das ist nicht die Schuld des Teams, nicht die von Chefredakteur Alexander von Streit. Es folgt aus Condé Nasts Konzept, mit freien Teams punktuell einzelne Ausgaben zu produzieren. Da ist es nicht vorgesehen, einen Entwicklungsprozess im Netz zu begleiten.
Und das ist schade. Denn mir fällt keine Marke ein, die sich – insbesondere dann, wenn man sie neu etablieren will – besser für einen offenen Multikanalprozess eignen würde als Wired. Für begleitende Einblicke in die Produktion, in Recherche, Diskussion und anschließendes Feedback. Durchaus in der Denkrichtung eines Open Journalism à la "Guardian".

Denn die Marke ist hochspannend. Und es gibt in der deutschen Medienlandschaft einen Bedarf für einen solchen Titel. Das zeigen die Debatten um Datenschutz, um das Leistungsschutzrecht, um Facebook, Google, Apple und Amazon. Deutschland wacht auf bei digitalen Themen. Und doch finden sie in Medientiteln nur auf einzelnen Seiten, einzelnen Bögen, einzelnen Ressorts statt. Ein Magazin für digitales Leben? Das Lesern Trends und Themen erklärt, sie unterhält, den Mediator und Expeditionsführer gibt? Das kann Deutschland gut brauchen.

Soll man sich die neue Wired also kaufen? Ja, natürlich.

Nicht, weil es ein zwingendes Heft wäre. (Aber was ist das schon?). Sondern weil sich für die Lücke, die Wired so noch nicht wirklich füllen kann, kein anderer abzeichnet, der sie überhaupt besetzen könnte.


Autor: Ralph-Bernhard Pfister

Ralph Pfister ist Koordinator am Desk der W&V. Wenn er nicht gerade koordiniert, schreibt er hauptsächlich über digitales Marketing, digitale Themen und Branchen wie Telekommunikation und Unterhaltungselektronik. Sein Kaffeekonsum lässt sich nur in industriellen Mengen fassen. Für seine Bücher- und Comicbestände gilt das noch nicht ganz – aber er arbeitet dran.