Die Blogger und freie Netzgemeinde sehen das Vorhaben völlig anders als die Verlegerverbände. Stefan Niggemeier kommentiert ironisch in seinem Blog: "Google und womöglich auch die Perlentaucher und turi2s dieses Landes sollen den Verlagen also Geld dafür geben, dass sie helfen, dass deren Inhalte ein Publikum finden." Niggemeier glaubt nicht, dass sich die deutschen Verlage mehr Geld aus dem Säckel von Google erhoffen dürfen, denn in Belgien hatte Google bei ähnlichen Bestrebungen einfach die Verlinkung zu Verlagsprodukten gesperrt.

Peter Turi sieht sein turi2 hingegen nicht gefährdet. Gegenüber W&V-Online gibt er sich gelassen: "Ich halte das Leistungssschutzrecht in seiner jetzigen Fassung für absurd. Ich glaube auch nicht, dass Newsdienste wie turi2 davon betroffen sind: Wir übernehmen ja keine Formulierungen von anderen Medien, sondern setzen unter eine eigenständig formulierte Meldung weiterführende Links. Ich habe noch von keinem Verlag das Verlangen gehört, dass wir dafür bezahlen sollen oder das unterlassen sollen. Andersherum zahlen Verlage ja auch nicht, wenn sie aus Artikeln in Blogs Informationen ziehen oder YouTube-Videos, Twitter-Meldung oder Facebook-Diskussionen auswerten und darauf verlinken."

Im vergangenen Jahr hatten Alpha-Blogger Mario Sixtus und die Inititiative gegen Leistungsschutzrechte (IGEL) einen offenen Brief in Anzeigenform veröffentlicht, in dem die Bundesregierung aufgefordert wurde, das Leistungsschutzrecht nicht durchzusetzen.

Der Branchenverband Bitkom schlägt sich auf die Seite der Gegner: Er sieht in den Plänen eine "Lex Google", wie es Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder auf der CeBIT formulierte. Google ist ein Bitkom-Mitglied. Google selbst schlägt ebenso kritische Töne an: "Ich befürchte, dass so eine Regulierung die Verbreitung des Internets bremsen könnte, weil sie zu zusätzlichen Kosten und Reibungsverlusten führt", so der ehemalige Chef und heutige Verwaltungsratsvorsitzende des US-Konzerns, Eric Schmidt, gegenüber dpa. Das Internet sei eine wichtige Komponente für den wirtschaftlichen Erfolg Deutschlands, daher müsse man mit solchen Änderungen vorsichtig sein, sagte Schmidt auf der CeBIT.

Die Burda-Tochter Tomorrow Focus, die neben Focus Online mit den Portalen nachrichten.de und finanzen100.de selbst News-Aggregatoren betreibt, befürwortet den Koalitionsbeschluss grundsätzlich: "Wir benötigen verlässliche Rahmenbedingungen für unsere journalistischen Produkte, die wir unter hohem finanziellen Risiko erstellen“, sagt Geschäftsführer Oliver Eckert gegenüber W&V Online. Da er den geplanten Gesetzestext noch nicht kenne, könne er den Beschluss jedoch nicht weiter beurteilen. aj/jmk (mit dpa-Material)


Autor: Anja Janotta

seit 1998 bei der W&V - ist die wohl dienstälteste Onlinerin des Hauses. Am liebsten führt sie Interviews – quer durch die ganze Branche. Neben Kreativ- und Karrierethemen schreibt sie ab und zu was völlig anderes - Kinderbücher. Eines davon dreht sich um ein paar nerdige Möchtegern-Influencer.