Es gibt noch eine weitere E-Mail-Marketing-Firma: Beim E-Mail-Dienstleister Roundup Media, der offiziell keine Deutschlanddependance, aber die gleiche Münchner Telefonnummer hat wie die Aida GmbH, ist F. einer der Mit-Eigner.

Hoher Schaden für Media-Agentur

Die Gläubiger aus alten Zeiten sind keine kleinen Fische: Vor dem Landgericht München wurde von Herbst 2007 bis 2009 ein Rechtsstreit ausgefochten. Der Streitwert war gut sechsstellig. Darin verwickelt waren Aida Media Ltd und eine namhafte, größere Media-Agentur. Sie hatte im Auftrag eines Kunden sechsstellige Summen des Mediabudgets zur Verfügung gestellt. Denn vor dem Kunden hatte Steffen Lutz F. gut präsentiert, einen kleinen Test für eine E-Mail-Kampagne gefahren – mit offenbar beeindruckenden Ergebnissen. Nun wollte der Kunde diesen Erfolg stark skalieren und Aida Media Ltd in größeren Umfang mit einer vermeintlich für ihn sicheren CPO-Kampagne betrauen. Die AGB sahen vor, dass der Kunde Vorkasse zu leisten hatte. Nachdem drei Raten bezahlt, aber immer noch keine vereinbarte Leistung erbracht worden war, wollte die Media-Agentur die vierte fällige Rate nicht zahlen. Sechsstellig allein dieser Betrag. Von den versprochenen Leads im fünfstelligen Bereich waren gerade mal zwei Promille generiert worden – nicht mehr als zwei Handvoll. Kunde und Media-Agentur waren mehr als enttäuscht von der Zusammenarbeit.

Doch Aida Media Ltd stellte auf stur, verwies auf die AGB und klagte auf den vierten und letzten Teil der Vorkasse. Die Media-Agentur, jetzt ziemlich erbost, ihrerseits konterte nun mit einer Gegenklage, wollte die Vorkasse zurück. Gekämpft wurde lange und mit harten Bandagen. Aida Media Ltd versuchte unter anderem Unterlassungserklärungen gegen Vertreter der Media-Agentur zu erwirken. Diese schwiegen daraufhin lieber. Viermal hat Aida Media Ltd in diesem Prozess den Anwalt gewechselt. Ständig änderten sich die Ansprechpartner, zogen sich Stellungnahmen länger hin. Ein Vergleich wurde schlussendlich geschlossen. Aida Media Ltd war demnach verpflichtet, eine gut sechsstellige Summe an zu viel überwiesener Vorkasse zurückzuzahlen. Nicht mal ein Viertel davon ist bei der Klägerin gelandet. Auf der restlichen Forderung blieb die Media-Agentur sitzen. Aida Media Ltd machte zuvor in Deutschland die Pforten dicht.

"Wir sind mit sämtlichen Vollstreckungsversuchen gescheitert. Die Ltd hatte ihre Deutschlandgeschäfte aufgegeben und ihren Sitz verlagert – nach Mallorca. An die neue Aida GmbH konnten wir nicht herantreten. Sie ist formal eigenständig. Auch wenn diese in den gleichen Räumen agiert wie vormals die Ltd, hat man keine Handhabe,“ sagt der damit vertraute Rechtsanwalt Oliver Mutter. Er schildert die Vorgänge als sehr außergewöhnlich. „Normalerweise ist eine Agentur kompromissbereit, weil sie die gute Beziehung zum Kunden erhalten will. Ich habe noch nie gesehen, dass derart um jeden einzelnen Euro gestritten wurde.“ Ein weiterer Beteiligter in diesem Fall macht deutlich: „Ich bin seit über zehn Jahren im Geschäft. Aber ein derartiger Fall ist mir noch nicht untergekommen.“

Der Knackpunkt vor Gericht waren die raffiniert konstruierten Vertragspunkte. Die AGB sahen zwar feste Stichtage vor für die einzelnen Tranchen zur Vorkasse. In den Vertragsbedingungen waren aber keine Stichtage für das Erbringen der Leistungen verzeichnet. So konnte der Dienstleister qua Vertrag den Zeitpunkt seiner Leistung herauszögern und selbst festlegen, wann er die Leistung erbringen sollte. Oft zu spät für die Kunden. Manche von ihnen, die W&V-Online gesprochen hat, warten heute noch auf die Leistung.

Auch in aktuellen Abschlüssen der GmbH gibt es diese Passage, die nicht in den AGB, wohl aber in den Einzelverträgen zu finden ist. Darin heißt es: Die Kampagne werde fortgesetzt, bis das vereinbarte Kampagnenziel erreicht sei. Steffen Lutz F., Geschäftsführer der Aida GmbH, bestreitet gegenüber W&V Online, dass es überhaupt Ziele dieser Art gibt: „Ziele sind Ziele und keine Garantien. Ich kann ja Leads und Orders nicht versprechen bzw. garantieren. Ich kann nur sagen, was man erreichen könnte.“ W&V Online liegt allerdings ein Vertrag vor, in dem eine genaue Anzahl an Leads versprochen wird.

OLG urteilt für die AGB

Angesprochen auf die Unmut hervorrufende Vertrags-Passagen zur Verlängerung der Nachbesserungsfrist, gibt F. Auskunft: „Ja, die gibt es auch auf Kundenwunsch hin. Diese Klausel hatte auch schon vor dem OLG Bestand und ist rechtlich nicht zu beanstanden. “ Das Urteil des OLG – zugunsten der Aida Media Ltd - allerdings betraf einen anderen Fall und einen anderen Teil der geschickten AGB: Ein Kunde musste 78.540 Euro für eine Kampagne an Aida Media Ltd zahlen, obwohl die Kampagne ebenfalls nicht ausgeliefert wurde. Er hatte laut Gerichtsbeschluss nicht rechtzeitig die Materialien bereitgestellt. In den AGB stand aber, dass die volle Summe fällig würde, sollte der Vertragspartner diese Bedingung nicht erfüllen.

W&V Online hat zudem weitere Betroffene ausgemacht: Zumindest zwei Fälle liefen bei einer ehemaligen Beraterin einer kleineren Media-Agentur schief. Einmal ging es um eine Vorkasse aus dem Media-Budget von 15- 20.000 Euro, ein anderes Mal um 5.000 Euro. Erbracht wurde jeweils nur ein kleiner Teil der Leistung, 3.-5.000 Euro und ca. 800 Euro. Die Vorkasse kam – obwohl die Kampagne niemals die Ziele erreicht hatte - nie zurück. Obwohl die Beraterin hartnäckig blieb und über zehn Mal anrief. Schlussendlich sei sie zwar durchgestellt worden, aber Steffen Lutz F. habe dann einfach aufgelegt. Im umgekehrten Fall war der Geschäftsführer von Aida Media Ltd hingegen nicht so kulant. Die Beraterin stornierte eine weitere Kampagne mündlich drei Tage vor dem Anlaufen, das schriftliche Nachreichen einen Tag später akzeptierte F. nicht mehr, pochte auf das Geld und schickte seinen Anwalt. Eine Vorkasse musste ihr Unternehmen dann nicht mehr zahlen, wohl aber die Anwaltskosten. Auch die anderen Fälle wurden von ihrer Firma juristisch nicht mehr verfolgt.

Bei der großen Media-Agentur, die gerichtlich gegen die Aida Media Ltd vorging, jedenfalls stehen Aida Media und Steffen Lutz F. nun auf der Liste der weniger erwünschten Geschäftspartner. Auch bei weiteren ehemaligen Kunden ist das der Fall.

Morgen mehr dazu in W&V Online: Wie die E-Mail-Dienstleister gearbeitet haben.