W&V Immer wieder kursieren Gerüchte, Gruner+Jahr und die Verlagsgruppe Handelsblatt sprechen über eine gemeinsame Zukunft des Marktes. Gab es im Vorfeld des Handelsblatts-Chefredaktionswechsels mit Dieter von Holtzbrinck Gespräche, den Markt der Wirtschaftsmedien untereinander besser aufzuteilen?
Haas: Das ist eine Frage an die Gesellschafter.

W&V Kann man sich irgendeine Zusammenarbeit zwischen Gruner + Jahr und Holtzbrinck vorstellen – beispielsweise in der Vermarktung?
Haas: G+J Media Sales hat sich erst kürzlich mandantenfähig neu aufgestellt. Ich habe aber nicht den Eindruck, dass Holtzbrinck derzeit seine eigene Vermarktung aufgeben will.

W&V Bislang ist bei der "FTD" noch nicht erkennbar, dass das Flaggschiff von der vor einem Jahr gebildeten Gemeinschaftsredaktion mit "Capital", "impulse", "Börse" Online profitiert. Der Einzelverkauf ist in diesem Zeitraum auf rund 3700 Stück gesunken. Ist das Modell Gemeinschaftsredaktion gescheitert?
Haas: Eine einzelne Einzelverkaufszahl zum Gradmesser für den Erfolg der G+J Wirtschaftsmedien zu nehmen, ist schon mehr als abenteuerlich. Die "FTD" war und ist keine typische Einzelverkaufszeitung. Daran ändert auch unser jetziges Redaktionsmodell nichts. Es stand nie im Vordergrund, hierdurch den Kiosk-Verkauf der "FTD" deutlich zu steigern.

W&V Aber auch bei den Abo-Zahlen stellt sich nicht die gewünschte Wirkung ein. Sie verharren um die Marke von 50.000 Stück. Braucht die Gemeinschaftsredaktion eine längere Anlaufzeit, um bei der "FTD" Früchte zu tragen?
Haas: Wir liegen bei den Abo-Zahlen voll im Plan. Wir haben – wie übrigens viele Wettbewerber auch – bewusst unrentable Abo-Bestandteile abgebaut, mit der erfreulichen Konsequenz, dass unsere Abo-Auflage wirtschaftlich ist.

W&V Kommen die Abo-Zahlen vielleicht nicht in Schwung, weil Sie die Marketingkosten gesenkt haben?
Haas: Noch einmal: Natürlich ist es immer der Ehrgeiz, die Auflage zu steigern. Davon gehen wir nicht ab. Aber nicht um jeden Preis. Kurzfristige Auflagensteigerungen sind in der Regel immer teuer erkauft. Wir arbeiten kontinuierlich an unseren Titeln – journalistisch und am Vertriebserfolg. Wir sind sicher, dass das mittelfristig Früchte tragen wird. Und ja, wir haben im Jahr der Krise 2009 die Marketingausgaben gesenkt. Allerdings haben wir mit weniger Marketingkosten eine deutlich bessere Rentabilität unserer Abo-Auflage erreicht. Insgesamt sind wir mit den Vertriebserlösen des Jahres 2009 außerordentlich zufrieden.

W&V Haben Sie Bordauflage rausgenommen?
Haas: Im 4. Quartal 2009 sank die Bordauflage um 3000 Stück im Vergleich zum Vorquartal.
W&V Kommen wir zum Anzeigengeschäft: Banken, Versicherungen und die Autoindustrie gehören traditionell zu den größten Werbekunden der Wirtschaftsmedien. Gerade diese Branchen leiden aber erheblich unter der Finanzkrise. Wie sah 2009 die Anzeigenentwicklung bei der "FTD" aus?
Haas: Soweit man das auf der Basis der Bruttozahlen sagen kann, war die FTD von den Anzeigenrückgängen in etwa in der Größenordnung betroffen wie das gesamte Segment der Wirtschaftspresse.

W&V Ist eine Trendwende 2010 auf dem Anzeigenmarkt erkennbar?
Haas: Im Moment bewegt sich unser Anzeigengeschäft über dem des Vorjahreszeitraums. Allerdings sind wir erst im zweiten Monat des Jahres. Deshalb ist die Sichtbarkeit noch zu gering. Viele wichtige Kundengespräche und Jahresverhandlungen laufen noch. Dies liegt auch daran, dass die Fernsehsender ihre Preis-Modelle sehr spät vorgelegt haben und sich mit vielen großen Kunden noch in den Jahresgesprächen befinden. Deshalb fehlen uns noch eine ganze Reihe von Kunden, die ihre Printplanung noch nicht abgeschlossen haben. Ich bin aber optimistisch, dass 2010 besser laufen wird als das Vorjahr. Es wird im Anzeigengeschäft langsam, aber stetig aufwärts gehen.

W&V Die "FTD" soll im Frühjahr ein Re-Design bekommen. Wann ist es soweit?
Haas: Etwa Mitte dieses Jahres. Große Veränderungen wird es allerdings nicht geben. Die "FTD" bleibt elegant und britisch hanseatisch. Am Format und der Vier-Buch-Struktur ändert sich nichts.

W&V Wird sich dies auch im Web bemerkbar machen?
Haas: Wir werden in diesem Jahr nach und nach boerse-online.de, capital.de und impulse.de auf die technische Plattform von FTD.de heben, die wir mit deren Relaunch im vergangenen Jahr entwickelt haben. Das wird vor allem boerse-online.de deutlich nach vorn bringen. Hier planen wir Anfang des zweiten Quartals einen neuen Auftritt mit zahlreichen neuen Funktionen.

W&V Im Online-Bereich hat die FTD seit Gründung der Gemeinschaftsredaktion deutlich mehr Page Impressions erzielt. Wie rentabel arbeitet dieser Bereich?
Haas: Wir schreiben online seit 2006 erfreulich schwarze Zahlen. Und die Ertragssituation sieht ausgesprochen gut aus. Wir erwirtschaften eine sehr ordentliche Rendite.

W&V Gibt es Bestrebungen, eine Bezahlschranke für den Online-Inhalt einzubauen?
Haas: Wir haben bei FTD.de ja bereits Online-Abos für Premium-Mehrwerte wie den Zugriff auf das Print- und Online-Archiv, verschiedene PDF-Produkte wie FTD 17.00 Uhr oder die SMS-Alerts für Top-Meldungen. Dieses modulare Modell werden wir weiter ausbauen. FTD.de wird aber kein reines Pay-Angebot werden – das gibt die Wettbewerbssituation nicht her. Als hochwertiges Wirtschaftsangebot erzielen wir auch sehr gute TPIs.

W&V Planen Sie für die "FTD" neue Produkte, um die Zeitung für den E-Book-Reader Kindle lesbar zu machen?
Haas: Ja, wir arbeiten derzeit an einem Dummy für eine elektronische Zeitung. Es ist eine Zeitung, die sie auf einem entsprechenden Gerät lesen können. Vorhandene Zeitungsinhalte der FTD werden so formatiert und zusammengestellt, dass sie der mobilen Nutzungssituation entsprechen. Für Details wie Pricing und Vertrieb ist es derzeit noch zu früh. Ich bin aber sicher, dass dieser neue Vertriebsweg für die Zeitung funktionieren und wirtschaftlich sein wird.

W&V Wird dies auch für andere Titel bei den G+J Wirtschaftsmedien kommen?
Haas: Die vorläufige Antwort ist: Nein, nicht in dieser Form. Pauschale Aussagen sind hier nicht hilfreich. Angebote müssen Bedürfnissen der Leser und Nutzer folgen, die aber sind von Titel zu Titel unterschiedlich. Wir glauben an elektronische Ausgaben insbesondere bei der Zeitung und dann noch bei Nutzwert-Titeln. Aber auch dort sind andere Wege möglich: "Börse Online" beispielsweise hat mit den hochpreisigen PDF-Produkten „eStudy“ und „Research“ aktuell produzierte ausführliche Anlageempfehlungen für ein Wertpapier bzw. Hintergrundinformationen zu einem Anlagethema gestartet.

W&V Die "FTD" ist Teil einer neuen Gemeinschaftsredaktion, zu der neben "impulse" und "Börse Online" auch das einstige G+J Flaggschiff "Capital" gehört. Doch der Titel scheint unter dem neuen Chefredakteur Steffen Klusmann am Lesermarkt bisher keinen Boden zu gewinnen. Die Abos sind seit Anfang 2009 rückläufig, der Einzelverkauf hat kaum zugelegt. Schafft "Capital" die Wende?
Haas: Wir haben nicht erwartet, dass die Verkaufszahlen mit der Gründung der Gemeinschaftsredaktion explodieren. Es ist illusorisch zu glauben, mit einem neuen Chefredakteur würde die Auflage prompt in die Höhe gehen. Wir brauchen Geduld und einen langen Atem. Das kennen wir aus dem Zeitschriftengeschäft, das macht uns nicht unruhig. Auch für "Capital" gilt zudem, dass wir uns gezielt von unrentablen Abos getrennt haben.

W&V "Capital" ist mit seiner Mischung aus Nutzwertthemen und Unternehmensgeschichten groß geworden. Ist dies noch zeitgemäß?
Haas: Ja, ohne jede Frage. Denn an beidem haben die Leser Interesse. Beides allerdings in einem Heft zusammenzubinden, kann auch ein Spagat sein. Ich finde, uns gelingt das gut – auch wenn wir in Zeiten des Internets sehr intensiv darüber nachdenken, was moderner Print-Nutzwert sein kann und wie er aufbereitet werden muss.

W&V Zu den G+J Wirtschaftsmedien gehört auch "Börse Online". Private Anleger sind nach Telekom-Schock und der Weltwirtschaftskrise auf Tauchstation. Dies merkt man auch am Lesermarkt. Die Abo-Auflage ist seit Anfang 2009 gesunken. Und auch am Kiosk hat der Titel kaum neue Leser gewonnen. Bleibt das Blatt am Markt?
Haas: Ja, natürlich. Denn es gibt weiterhin sehr interessierte Leser – im Einzelverkauf und im Abonnement. Solange wir einen solch großen und auch wirtschaftlich interessanten Leserstamm haben, werden wir ihn mit Informationen versorgen. Das Anlagesegment leidet insgesamt darunter, dass die Anlegerzahlen in Deutschland rückläufig sind. Gleichzeitig werden die Themen der privaten Altersvorsorge immer wichtiger – und damit auch eine unabhängige Meinung wie die der Experten von "Börse Online". Darauf setzen wir und glauben fest daran, dass der Titel wirtschaftlich erfolgreich betrieben werden kann, wie wir dies in der Vergangenheit ja auch schon eindrucksvoll gezeigt haben. Außerdem zieht der Einzelverkauf in den letzten Wochen erfreulich an.

W&V Sie haben Business Punk auf den Markt gebracht. Gibt es Pläne, das Portfolio der G+J Wirtschaftsmedien durch Zukäufe noch zu vergrößern?
Haas: Interessante Angebote schauen wir uns immer an und prüfen sie sehr genau. Apropos Business Punk. Das ist ein Projekt, das uns sehr zufrieden macht. Die Resonanz und der Erfolg bei Lesern und Anzeigenkunden war besser, als wir es uns gerade in der Marktsituation des vergangenen Jahres erhofft hatten. Und Business Punk ist auch das beste Beispiel dafür, dass das Modell der Wirtschaftsmedien funktioniert. Wir haben immer gesagt, die Zusammenlegung solle Innovationen erleichtern und Ressourcen freisetzen. Business Punk ist dafür das beste Beispiel.

W&V In einem Aufsichtsratsprotokoll aus dem November 2008 hieß es, dass die G+J Wirtschaftsmedien auf Jahre Verluste schreiben werden. Wann werden sie endlich wieder ein Ertragsbringer für Gruner + Jahr?
Haas: Da müssen Sie sich nicht mehr allzu lange gedulden. In 2011 haben wir dieses Ziel bereits in Sichtweite – vorausgesetzt die Anzeigenmärkte spielen in einem gewissen Maße mit.