Worauf muss man beim Briefing achten?

Wichtig beim Musik-Briefing sind drei Komponenten. Zunächst: Was ist die Audio Equity der Marke? In welcher Welt lebt sie? So ist zum Beispiel Musik logischerweise für eine Pizza oft klassisch und italienisch. Manche Marken haben eine sehr klar definierte Audio Equity und Audio-Branding-Kommunikationsstrategie. Die sollte man schon berücksichtigen.

Zweitens gibt es die dramaturgische Herausforderung im Storytelling. Ein Beispiel: Ein Mann läuft die Straße entlang zu fröhlicher Musik, sein Gesicht ist nicht zu sehen, aber die ganze Szene vermittelt eine gute Stimmung. Wenn die Musik in derselben Szene bedrohlich klingt, dann erwartet der Zuschauer, dass irgendwas mit dem Mann passiert. Die Dramaturgie bestimmt die Spannung und die Aufmerksamkeit eines Zusehers oder Zuhörers. Musik spielt hier eine bedeutende Rolle für das Storytelling.

Und Drittens: Welche Emotion will man am Ende des Films erzeugen? Musik macht einen großen Teil des Heavy Liftings aus, sie trägt enorm dazu bei, die Emotion zu vermitteln. Den ersten Rhythmus, den wir gehört haben, ist der Rhythmus im Mutterbauch. Musik ist Teil unser sozialen Matrix. Auch heute noch benutzen Menschen etwa in archaischen Gesellschaften Stimmen und Rhythmus, um stärkere Gemeinschaften zu bilden, bei der gemeinsamen Feldarbeit oder um zusammen einen großen, schweren Stein zu bewegen. Musik oder Rufe können diese Kräfte bündeln, vereinen. Diese Kraft der Musik zu nutzen, das ist unser Ziel.

Im Smart-Spot "Gelände" unterstreicht die Musik die Ironie, sie kann also auch als Verstärker dienen?

Genau. Die Ironie entsteht durch die urbane Musik in einer wilden Landschaft. Das untermauert zusätzlich noch, wie urban das Auto eigentlich ist.

Welche Marken setzen Musik in der Werbung vorbildlich ein?

Große Marken wie Red Bull oder Apple machen das sehr gut. Red Bull hat immer sehr klar mit Genres gearbeitet, öffnet sich jetzt aber mit Red Bull Musik. Das Unternehmen hat tolle Tonstudios gebaut und enorm viel in Musikexpertise und Infrastruktur investiert. Auch der neue Apple-Spot mit dem Fernsehmoderator James Corden zeigt, wie genau die Marke es versteht, mit Musik umzugehen. Wenn ich weiter zurück schaue, ist auch Dr. Oetker ein gutes Beispiel: Wenn ich mir die Pizzaspots der zurückliegenden Jahre anschaue, habe ich die Musik sofort im Ohr. Auch Langnese hat das in der Vergangenheit mit den ständigen Remixes von "Like Ice in the Sunshine" geschafft.

Auch eine Marke wie Merci hat eine Werbemelodie mit einem großen Wiedererkennungswert. Kann dies auch ein Fluch sein, weil man kreativ eingeschränkt ist?

Durchaus, eine spezifische Audio Equity ist kreativ herausfordernd. Das kann auch ein gesprochenes Wort sein, eine menschliche Stimme oder eine Art von Instrumentalisierung. Auch ein immer gleiches akustisches Logo muss überall in die Kommunikation passen. Das ist dramaturgisch dann schwer, wenn zum Beispiel der ganze Spot „Moll“ ist und das Logo „Dur“. Aber damit lässt sich intelligent umgehen. Ein gutes Beispiel ist Hornbach – eine Marke, die es versteht, Musik dramaturgisch exzellent und vielseitig zu nutzen. Und das gleichzeitig bei einer Audio-Erkennung, die unverwechselbar die Audio Equity prägt. Was nicht gut funktioniert, sind Markensongs, die immer wieder eingesetzt werden. Aber auch hier bestätigen Ausnahmen die Regel, wie bei „Like Ice in the Sunshine“. Langnese hat dies durch alle Genres stringent durchdekliniert.

Und dann gibt es ja auch noch den Kunden. Musik ist immer Geschmackssache. Ist es manchmal schwierig, Kunden zu überzeugen?

Ich unterscheide nicht zwischen Kunden und Kreativen. Vor allem nicht bei Musik, denn eigentlich hört und mag jeder Musik. Jeder hat eine Musiksammlung, die von Abba und Adele bis The XX und Zappa reicht. Und alle haben eine sehr subjektive Wahrnehmung. In bestimmten Lebenssituationen und Umfeldern hört man bestimmte Musik. Das ruft Erinnerungen und Assoziationen hervor. Doch sehr oft machen sowohl Kreative als auch Kunden den Fehler, zu glauben, bestimmte Musik würde bei allen Leuten die gleichen Assoziationen hervorrufen. So ist es aber nicht. Allerdings können bestimmte Songs und Stilrichtungen bei vielen durchaus ähnliche Empfindungen hervorrufen. Das spielt dann wieder für die Audio Equity eine Rolle. Es darf allerdings nie einfach um den persönlichen Geschmack gehen. Die Komponenten Audio Equity, Dramaturgie, Zielgruppe und Emotion müssen in der Musik verschmelzen.

Also ist es besser, möglichst offen zu bleiben?

Nein, eine Musik, die alles offen lässt, erfüllt nicht die vorgenannte Parameter. Sie funktioniert dann nicht. Die Musik muss eben genau passen! Keine Musik ist sogar besser als unpassende Musik. Man sollte sich stets über folgendes im Klaren ein: Was ist die Audi Equity? Wo stehen wir mit der Marke, in welchem Bereich wollen wir sein? Was braucht das Filmdrama? Dann findet man automatisch eine Antwort auf die Frage, welche Emotion transportiert werden soll.

Problematisch wird es nur dann, wenn man einen konkreten Song im Ohr hat, den man unbedingt für den Spot verwenden und lizenzieren will. Genau diesen Song zu erhalten, kann eine facettenreiche Geschichte sein, weil viele neue Parameter und Interessen ins Spiel kommen. Die Musiker oder der Komponist sind vielleicht nicht damit einverstanden, dass ihre Musik für Werbung genutzt wird. Oder auch nicht gut: Der Interpret einer gerade eingekauften Musik wird anschließend in einen Skandal verwickelt.

Es kommt eben darauf an, einen Song oder einen Künstler zu finden, der genau den definierten Job macht, und der gleichzeitig verfügbar und bezahlbar ist. Das kann eine echte Herausforderung sein.

Was muss man bei globalen Kampagnen berücksichtigen? Da sind die Assoziationen, die Musik auslöst, von Land zu Land sicherlich unterschiedlich.

Es kommt darauf an. Grundsätzlich funktioniert Musik in der Werbung, egal ob Pop, Rock, Blues, Soul oder Rap, ziemlich universell. Vor allem wenn sie aus dem englischen Sprachraum kommt! Bei Musikstücken, die nur ein Hit waren in Italien oder Deutschland, hapert es aber, die werden eher selten ein Welthit. Wer jedoch nur globale Hits für seine globalen Kampagnen einsetzen will, sollte wissen: Der Fit der Musik, die Künstler-Reputation und Brand Equity sowie die Lizenzverhandlungen sind hier deutlich komplexer, die Budgets vergleichsweise höher. Da kann es ratsam sein, Musik-Broker wie Platinum Rye, HenanX oder Tracks and Fields mit ins Boot zu holen.

Aldi setzt in seiner Kampagne auf Musik, um die junge Zielgruppe zu erreichen. Was halten Sie von dem Aldi-Rap? Kann das funktionieren?

An sich ist das Vorgehen nicht falsch. Musik ist ein guter Weg, um mit jungen Leuten zu kommunizieren. Ich bin Vater von zwei Teenagern. Musik ist ganz oft unsere gemeinsame Sprache, und funktioniert bei uns allen.

Junge Leute sind viel mobil unterwegs. Da kann Musik in Spots sehr nerven. Was muss man bei mobiler Werbung beachten?

Die Hälfte des Onlinekonsums läuft mobil, die Großteil davon in Social Media Apps. Vieles, was sich in sozialen Mediakanälen verbreitet, wird nur sehr oberflächlich und beiläufig angeschaut. Damit ich meine Umwelt unterwegs nicht störe oder nicht selber wahnsinnig werde, wenn ein Audio nach dem anderen abläuft, wird alles erst mal stumm abgespielt. Es sind also erst mal nur Angebote, die um meine Aufmerksamkeit kämpfen. In dem Moment, in dem mich ein solches Angebot tatsächlich interessiert, in voller Länge und im Detail, gehört Audio wieder dazu und kann seine Wirkung entfalten.

Audio funktioniert mobil also nicht als Lockmittel. Die ersten Sekunden gehören dem Bewegtbild.

Mobil ist das genaue Gegenteil von Kino. Im Kino sitzt man im bequemen Sessel im Dunkeln, hat ein fantastisches Klangbild, eine hochwertige große Leinwand vor sich. Da kann sich der Film wirklich entfalten und alle Sinne ansprechen. Auf einem kleinen Mobilgerät muss man Filme akustisch und visuell ganz anders gestalten. Deutlich plakativer.

Bei Virtual Reality und 360-Grad-Videos ist man auch sehr nah an der Zielgruppe. Geht man da anders ran?

Das funktioniert im Prinzip genauso immersiv wie das große Leinwand im Kino. Dazu macht man im Kino eine Dolby-Surround-Mischung und kann eine unglaubliche Tiefe erzeugen. In den meisten Filmtheatern gibt es eine fantastische Akustik. Das ist bei Virtual Reality und 360 Grad ähnlich. Die Brille schafft ein blickfüllendes Seherlebnis, kombiniert mit einer sehr komplexen Mischung für den Kopfhörer. So entstehen großartige Möglichkeiten.

Werbung kann für Künstler auch ein Sprungbrett sein. Viele Songs werden erst durch Werbung bekannt. Rennen Ihnen die Labels die Bude ein?

Als Musiker kann man heute kaum noch von Plattenverkäufen leben, weil viele Fans lieber Streamingdienste wie Spotify nutzen. Die Künstler erhalten dafür nur sehr wenig. Die Haupteinnahmequelle für viele Musiker sind mittlerweile die Live-Auftritte, und sogar das anschließende Merchandising. Deshalb kann Auftragsmusik aus der Werbung für Musiker durchaus interessant sein. Im Vergleich zu den Einnahmen aus Plattenverkäufen sind das signifikante Summen. Die Plattenfirmen jedenfalls sind nach wie vor sehr interessiert daran, Werbeverträge an Land zu ziehen. Das gehen die Labels heute schneller und flexibler an als in der Vergangenheit. Weil sie sehen, wie gut sich Crossmarketing nutzen lässt. Eine gemeinsame Promotionstrategie für den Musikkünstler und die Werbung kann durchaus funktionieren. Allerdings bin ich da hin- und hergerissen. Ich finde, wenn man Werbung für eine Marke oder ein Produkt macht, dann sollte sie primär für den eigenen Abverkauf sein. Schließlich investieren die Marken ein hohes Mediavolumen. Wenn aber Lizenzen für Originaltitel bezahlbar sind, lässt sich beides kombinieren – so entsteht eine klassische Win-Win Situation.

Schwierig wird es dann, wenn die Musik im Kopf bleibt, aber nicht das Produkt.

Das ist sehr, sehr schlecht. Das will man gar nicht.

Ihre Partner von den Plattenlabels und Tonstudios waren auch zur ersten Soundlounge geladen, die in diesem Jahr zusätzlich zum Branchentreff Regielounge stattfand. Warum gab es diese Premiere?

Die Regielounge von BBDO ist ein Format, das wir stetig weiterentwickeln. Diesmal wollten wir zusätzlich ein Event für die akustische Ebene. Die führenden Tonstudios in Düsseldorf waren von der Idee sofort begeistert und haben mitgemacht.

Wie war die Premiere?

Tonstudios arbeiten täglich mit Komponisten zusammen, die Mitarbeiter sind meistens selber Musiker und Komponisten. Musik ist ihre Passion. Und genau das zeigte sich auf unserer Soundlounge. Die Mitarbeiter und Eigner der Tonstudios waren da, die Musikindustrie war da, dazu viele Gäste aus Musik und Werbung. Mehr als 700 Besucher aus ganz Deutschland hatten ihren Spaß, konnten Kontakte knüpfen. Jeder, der selbst Musik macht, weiß, was für ein unglaubliches Geschenk das ist. Musik ist enorm wichtig für unsere Branche und die Kommunikation. Der Abend war außerdem ein tolles Signal für den Standort Düsseldorf, schließlich sind hier konkurrierende Tonstudio-Leute kollegial zusammenkommen.

Wird es die Soundlounge auch im nächsten Jahr geben?

Ja. Wir werden das Konzept wohl ein bisschen anpassen, weil im nächsten Jahr doppelt so viele Leute kommen werden. Denn alle, die bei der Premiere nicht dabei waren, haben das im Nachhinein total bereut (lacht).

Für die Soundlounge warb BBDO mit einem eigens entwickelten Poster, das auf akustische Signale reagierte. Wie kam es zu der Idee?

Da es um Sound geht, habe ich unser BBDO Designteam gebeten, ein akustisches, interaktives Poster zu entwickeln. Uns war schnell klar: Wir wollten auf keinen Fall einen Bildschirm, sondern etwas Analoges und ein Poster. Ein Print Poster, das auf Geräusche reagiert. Gemeinsam mit dem IOX Lab aus Düsseldorf haben wir dann die Prototypen entwickelt, die Technologie und das Coding.

Das war ein ganz schöner Aufwand für ein Poster, das ein B-to-B-Event bewirbt..

Es war schon unser Ehrgeiz, etwas besonders zu entwickeln. Eben ein Medium, das perfekt zur Soundlounge passt. Ein Medium, das zugleich als Kampagne funktioniert. Eine Innovation. Die Resonanz war super, im Vorfeld und dann natürlich auf der Soundlounge. Unsere Poster hängen mittlerweile in mehreren Tonstudios und natürlich auch in unserem BBDO-Office. Und wir erhalten viele Anfragen von Unternehmen und aus der Branche, etwa von Außenwerbern.

Werden wir das Poster bei Kreativpreisen wiedersehen?

Uns interessiert schon, wie die Kolleginnen und Kollegen aus der Branche unser neues, innovatives Medium beurteilen. Das Soundlounge-Poster wird bestimmt noch oft zu sehen sein.


Autor: Frauke Schobelt

koordiniert und steuert als Newschefin der W&V den täglichen Newsdienst und schreibt selber über alles Mögliche in den Kanälen von W&V Online. Sie hat ein Faible für nationale und internationale Kampagnen, Markengeschichten, die "Kreation des Tages" und die Nordsee. Und für den Kaffeeautomaten. Seit 2000 im Verlag W&V.