Frau Vogelbacher, wie sinnvoll ist es für Promis wie auch für Unternehmen, eigene Social‐Media‐Aktivitäten einer Agentur zu überlassen?

Die Aufgabe von Agenturen sehe ich mehr in der Beratung im Umgang mit dem Medium. Sie können aufklären über Nutzungsmöglichkeiten, Funktionsweisen, Tonalität, Umgangsformen und Risiken. Die Inhalte für Twitter, Facebook & Co. sollten immer von der Person oder dem Unternehmen selbst kommen. Reputation ist nicht Hochglanzwerbung – Reputation resultiert aus dem Wirken des eigenen Handelns, was sich im Social Media durch den Inhalt selbst, meine Art der Kommunikation oder auch über die Tonalität definiert. Die Agentur kann begleiten und beratend zur Seite stehen. Für mich gilt im Social Web die Regel: „Erst denken – dann schreiben“. In Zusammenarbeit mit einer Agentur eben „Erst
denken – dann fragen – dann schreiben.“ Ich sehe eine Ausnahme: wenn der Account als News‐Account dient, das heißt nicht der persönlichen Kommunikation gewidmet ist, sondern über Neuigkeiten, öffentliche Auftritte usw. informiert, dann kann auch eine Agentur diesen Account übernehmen.

Wie negativ wirkt es sich aus, wenn - wie bei Kutcher - plötzlich die Kehrtwende kommt und man sich nicht mehr persönlich um den Auftritt kümmert. Ist es besser, das dann nicht so groß an die Glocke zu hängen, dass man das Twitter-Managment in externe Hände gibt?

Social-Media-Nutzung zeichnet sich vor allem durch direkte, unmittelbare, ungefilterte und unrezensierte Kommunikation aus. Der Fall Kutcher zeigt, dass genau diese Art der Kommunikation natürlich mit Risiken verbunden ist und einen verantwortungsvollen
Umgang voraussetzt, um nicht der eigenen Reputation oder dem Ruf anderer zu schaden. Die Pflege von Prominenten‐Accounts ist ungemein aufwendig, daher habe ich Verständnis dafür, sich Unterstützung zu holen. Ich halte es jedoch für den einzig richtigen Schritt, dies offen und ehrlich zu kommunizieren – wer das nicht tun, hat Social Media falsch verstanden. Ashton Kutcher wird sicherlich einige Fans sehr enttäuschen, einige werden Verständnis zeigen. Keiner hätte Verständnis dafür, wenn er den Account heimlich übergeben hätte und es später aufgeflogen wäre ‐ was im Social Media Zeitalter definitiv passiert wäre.

Ashton Kutcher hat mittlerweile über acht Millionen Follower auf Twitter. Gibt es für Sie eine Grenze von Followern und Facebook‐Fans, ab der man sich als Einzelperson mit der Betreuung des Accounts "übernimmt"?

Nein, finde ich nicht. Ob fünf Follower oder acht Millionen, der Account muss immer verantwortungsbewusst behandelt werden. Auch eine Handvoll Follower reichen aus, um negative Tweets im Netz zu verbreiten. Generell empfehle ich Personen, die die Social-Media-Kanäle professionell nutzen möchten, sich beraten zu lassen, aber die inhaltliche Pflege selbst zu übernehmen. Wer im Umgang mit dem Medium unsicher ist oder aus Zeitmangel die Pflege nicht übernehmen kann, kann eine Agentur damit beauftragen, sollte dies aber auch offen kommunizieren. Die Agentur sollte dann auch nicht vorgeben, die Person zu sein.

Sollte man sich bei einem Shitstorm in sozialen Netzwerken auf jeden Fall professionelle Unterstützung holen?

Meiner Meinung nach hat Kutcher sehr richtig gehandelt, da er offen kommuniziert hat, dass nicht mehr er selbst twittert. Das mag einige Fans enttäuschen – einen Shitstorm und einen hohen Glaubwürdigkeitsverlust hätte er hinnehmen müssen, wenn es erst im Nachhinein ans Licht gekommen wäre. Wenn professionelle Unterstützung erst in Anspruch genommen wird, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist, ist die Rettung aufwändig und das Risiko besteht, dass der Reputationsschaden sich nicht vollständig reparieren lässt. Besser vorher schon Unterstützung in Anspruch nehmen und den Online-Ruf von Anfang an managen.