Der Autor ist tot. Die Postmoderne hat ihn hinweggerafft. Nun erledigen Storytelling und Content Marketing den ganzen Rest: Journalisten, Redenschreiber und Großmutter mit ihrer Gutenachtgeschichte werden nicht mehr gebraucht. Heute braucht man vor allem eins: die richtige Content Strategy. Und die ist kein Hexenwerk, sondern ein nützliches Tool, das sich in ein bis zwei Fortbildungsseminaren und der Teilnahme an der ein oder anderen Konferenz zum Thema spielend leicht erlernen lässt.

Und das geht so: Zunächst kommt es darauf an, ein Content-Modell zu entwickeln. Auf dieser Basis lässt sich eine stabile Message-Architektur errichten. Hier empfiehlt es sich, die Ergebnisse aus dem User Research einzubinden. In einem nachfolgenden Content-Audit wird mit den Stakeholdern festgelegt, welche Inhalte eigentlich gebraucht werden. Hier ist Fingerspitzengefühl bei allen Prozessbeteiligten gefragt, gut beraten ist, wer die Führungsriege rechtzeitig ins Boot holt und aufgleist. Anschließend wird dann der Content generiert. Der entscheidende Kniff: Dabei werden nicht einfach Texte geschrieben, sondern weit moderne Methoden angewandt: Statt Artikel zu verfassen, kommt es zu "Content Baking" oder "Content Frying". Zum Schluss wird alles in einen Redaktionskalender überführt, in einem Social-Collaboration-Prozess abgestimmt, mit dem Style Guide abgeglichen und fürs Publishing freigegeben. Fertig!

Friedrich Schiller, der renommierte Content-Lieferant aus dem 19 Jahrhundert, brauchte, wenn es ans Storytelling ging, nur einen faulen Apfel in der Schreibtischschublade. Der modrige Geruch inspirierte ihn. Klar: So billig kommt man heute nicht mehr an geilen Content. Wer auf Facebook, Instagram oder Twitter überzeugen will und eine hohe organische Reichweite anstrebt, muss deutlich mehr Geld in die Hand nehmen. Hierüber sollten die Medien mal berichten!

Es sollte vornehmste Pflicht von Fachpublikationen wie W&V sein, das Thema Content-Marketing und Storytelling stärker zu berücksichtigen, um den Kommunikationsverantwortlichen deutlich zu machen, wohin sie ihre zu oft in Richtung der Klassik verteilten Budgets umschichten müssen, um in der neuen Zeit zu bestehen.

Denn die Geschichten der neuen Zeit beginnen nicht mehr mit "Es war einmal". Sie werden nicht mehr erzählt von Leuten, die uns beim Zubettgehen einlullen wollen. Im Gegenteil: Die Geschichten sollen aktivieren und involvieren, sie wollen gevotet und geliked werden. Das schon bald republikweit verfügbare "Internet der Dinge" bietet viele faszinierende Möglichkeiten: Die Zahnpasta rezitiert eine impressionistisches Morgenode über Kamille, Minze, Myrrhe und Salbei und weist auf attraktive E-Commerce-Angebote hin. Und wer sich nach dem Zähneputzen hinterrücks mit der eingangs erwähnten Salbe behandelt, bekommt es mit situativ angepasstem Storytelling zu tun: "Dieses Kätzchen zeigt dir sieben Tricks gegen Juckreiz. Der fünfte funktioniert immer!"

Hier sind praktisch alle Formate denkbar – von Infotainment ("Das hygienische Kalenderblatt. Heute: Entscheidend ist, was hinten rauskommt. Helmut Kohl, Bundeskanzler a.D., im Porträt") bis zur Königsdisziplin Reportage ("Unterwegs in Sachen Erotik: Die härtesten Drehs im San Fernando Valley").

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Vergessen wir also Kafka und Co. Denn mal ehrlich: Wer will schon Geschichten von Handlungsreisenden hören, die sich in einen Käfer verwandelt haben? Das ist doch unappetitlich.