"Da kotzt das Texterherz": Ein virales Phänomen feiert Geburtstag
Vor genau einem Jahr hat Bert Peulecke, Kreativchef von Kempertrautmann, die Facebook-Gruppe "Da kotzt das Texterherz" gegründet. Ein W&V-Gespräch über ein erstaunliches Social-Media-Phänomen.
Bert Peulecke ist Texter. Werbetexter und Geschäftsführer bei der Berliner Werbeagentur Kempertrautmann. Und wie fast jeder Mensch, der tagtäglich mit Sprache umgeht und mit Sprache sein Geld verdient, wird ihm übel, wenn er schlechte Wortspiele, absurde Witze und sonderbare Kalauer lesen und hören muss. Trotzdem ist er der Faszination erlegen, sich mit den schrecklichsten Wortschöpfungen zu beschäftigen. Eines Tages fängt er an, missratene Firmenschilder zu fotografieren, verstümmelte Worte und Texte zu sammeln. Und diese auf Facebook zu posten. Das ist jetzt ein Jahr her.
Es entsteht die Facebook-Gruppe "Da kotzt das Texterherz". Das einjährige Bestehen feiert die Gruppe am 12. März. Mittlerweile mit mehr als 6700 Mitgliedern. Jeden Tag werden es mehr. Ein Gespräch mit dem Gründer Bert Peulecke und mit Maik Königs, Gründer und Geschäftsführer der Hamburger Agentur Elbkind, Spezialisten für Empfehlungsmarketing, über die Entstehung der Gruppe und die Gründe, warum sie so großen Erfolg hat.
Herr Peulecke, wie sind Sie auf die Idee gekommen, die Facebook-Gruppe "Da kotzt das Texterherz" ins Leben zu rufen?
Bert Peulecke: Mir als gelernter Werbetexter hat sich immer der Magen umgedreht, wenn ich Texte oder Wörter gesehen habe, die meines Empfindens nach so gar nicht gingen. Irgendwann habe ich eines der von mir geschossenen und gesammelten Fotos - es war der Name de Flughafen-Shops "Buy-ern" am Münchner Airport - auf Facebook gepostet und drüber geschrieben "Da kotzt das Texterherz". Und damit war die Idee da.
Mittlerweile zählt die Gruppe mehr als 6700 Mitglieder. Ganz schön viele, oder?
Bert Peulecke: Ich bin selbst wirklich erstaunt, wie schnell sich die Gruppe vergrößert hat. Fast lawinenmäßig hat sie sich ausgebreitet. Das ist wirklich ein erstaunliches virales Phänomen, denn das ist alles von alleine passiert. Ich habe es ja nicht drauf angelegt, eine große Bewegung zu starten.
Maik Königs: Der Erfolg einer Facebook-Gruppe hängt von mehreren Faktoren ab. Um einige zu nennen: Das Thema muss für die Fans und Follower relevant sein. Die Themen müssen ein virales Potenzial haben, damit man sie auch leicht viral verbreiten kann. Der Kanal muss gepflegt werden. Und es muss Meinungsführer geben, die man für die Gruppe begeistern kann.
Im Falle der "Texterherz"-Gruppe sind das dann wohl die Werber. Sind die Mitglieder alle Werber?
Bert Peulecke: Nein, gar nicht. Ganz abgesehen davon kenne ich aus der Gruppe nur 200 oder 300 Leute persönlich. Alle anderen sind einfach dazugekommen. Aus allen Bereichen und allen möglichen Jobs. Was die Gruppe verbindet ist wohl die Lust der Leute, sich über Friseure mit dem Namen '"Cre-Haar-tiv" oder "Kamm-in" lustig zu machen. Die Gruppe ist frei zugänglich für alle.
Ist die Gruppe denn aus professioneller Sicht ein gutes Beispiel für virale Verbreitung, Herr Königs?
Maik Königs: Sicher sind 6700 Fans nach nur zwölf Monaten ein guter Wert. Aber es geht immer besser. Zum Beispiel bei Felix Magath, aber der ist natürlich auch berühmt. Genauso wie die Aktion Pro-Guttenberg. Da besteht zusätzlich noch ein öffentliches Interesse. Die Fanzahl ist außerdem nur ein Indikator für eine erfolgreiche Gruppe. Wichtig ist auch die Aktivitätsrate der User. Aber natürlich kann man sehr wohl von viraler Verbreitung sprechen, wenn die Zahlen ohne den Einsatz von Media oder Werbeinhalten generiert wurden.
Herr Peulecke, pflegen Sie das Portal in irgendeiner Weise?
Bert Peulecke: Ich übernehme keine Webmaster-Aktivitäten, stelle aber selbst immer noch regelmäßig Bilder ein.
Was machen Sie denn mit all den kuriosen Beispielen?
Bert Peulecke: Gute Frage, ich habe schon mal darüber nachgedacht, an der Texterschmiede oder an einer anderen Texter-Akademie einen Vortrag mit vielen Beispielen zu halten. Damit der Nachwuchs gleich lernt, wie man es nicht machen sollte.
Kann man Gruppen wie "Da kotzt das Texterherz", die privat-öffentlich sind, für Marken kapitalisieren?
Maik Königs: Das Kapitalisieren einer privat-öffentlichen Gruppe ist im Allgemeinen nur schwer möglich. Die meist rein aus dem privaten Umfeld rekrutierten User reagieren auf kommerzielle Inhalte mit dem Hintergrund der unfreiwilligen Monetarisierung mit großer Ablehung. Nur ein allgemeiner Nutzen für die gesamte Gruppe hätte die Chance, Gehör in der Gruppe zu finden.
Wie werden Sie den Geburtstag morgen feiern?
Bert Peulecke: Ich werde natürlich eine Nachricht posten und mich für die vielen Beiträge bedanken. Das muss man erstmal schaffen, dass eine Gruppe weiterhin lebendig und keine Facebook-Leiche ist. Und ich habe mir auch schon ein kleines Geschenk an alle Gruppenmitglieder überlegt: Der Hamburger Illustrator und Künstler Ralf Nietmann hat sich unter dem Künstlernamen Artkehlchen dem kotzenden Texterherz angenommen. Das Wallpaper kann man sich herunterladen und als Bildschirmhintergrund verwenden.